Beschwerde in einer Kartellverwaltungssache: Formunwirksamkeit eines anwaltlichen Schriftsatzes
Gesetze: § 63 GWB, §§ 63ff GWB, § 66 Abs 5 GWB, § 74 Abs 2 GWB, § 75 Abs 1 GWB
Instanzenzug: Az: VI-Kart 3/15 (V) Beschluss
Gründe
1I. Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom gemäß § 32 GWB festgestellt, dass die Betroffene gegen § 1 GWB verstoße, indem sie bei der Vermietung von Räumen an Markenhersteller in dem von ihr betriebenen Einkaufszentrum Vertragsklauseln verwendet, die ein Wettbewerbsverbot vorsehen. Der Beschluss ist der Betroffenen am zugestellt worden. Sie hat noch am selben Tag Beschwerde eingelegt. Am , einem Montag, ist ein das Rechtsmittel begründender Schriftsatz per Telefax beim Beschwerdegericht eingegangen. Im Rubrum dieses Schriftsatzes werden als Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen " P. und K. , Rechtsanwälte LLP" genannt. Am Ende des Schriftsatzes sind die Namen dieser beiden Anwälte maschinenschriftlich wiedergegeben. Darüber befindet sich eine handschriftlich geleistete Unterschrift, welcher ebenfalls handschriftlich der Zusatz "i.A." vorangestellt ist. Auf Anfrage des Vorsitzenden des Beschwerdesenats teilte Rechtsanwalt K. mit, die Unterschrift stamme von Rechtsanwalt M. , einem angestellten Anwalt der LLP. Der Vorsitzende wies die Verfahrensbeteiligten mit Verfügung vom darauf hin, dass fraglich sei, ob die Frist zur Begründung der Beschwerde gewahrt worden sei, und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Betroffene hat daraufhin vorgetragen, Rechtsanwalt M. sei bereits vor Einreichung der Beschwerdebegründung von ihr formlos bevollmächtigt worden, zudem sei ihm von den Rechtsanwälten P. und K. formlos Untervollmacht erteilt worden. Zugleich hat die Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und eine Beschwerdebegründung mit den Unterschriften von P. und K. vorgelegt.
2Das Beschwerdegericht hat den Antrag der Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen, die Beschwerde als unzulässig verworfen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
3Die Betroffene wendet sich gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde, soweit ihre Beschwerde als unzulässig verworfen worden ist. Das Bundeskartellamt und die Beigeladene haben von einer Äußerung abgesehen.
4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 1 GWB liegen nicht vor.
51. Ein bestimmender Schriftsatz in einem dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren muss grundsätzlich von einem Rechtsanwalt eigenhändig unterzeichnet sein, der bei dem betreffenden Gericht auftreten darf und Prozessvollmacht hat. Das Erfordernis einer solchen Unterschrift stellt sicher, dass der Unterzeichner die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt. Wird die Unterschrift lediglich mit dem Zusatz "i.A." geleistet, gibt der Rechtsanwalt damit nach der vom Beschwerdegericht zutreffend wiedergegebenen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zu erkennen, dass er nicht die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen, sondern gegenüber dem Gericht nur als Erklärungsbote auftreten will. Der Frage, ob diese Rechtsprechung auch für das kartellverwaltungsgerichtliche Verfahren Geltung beansprucht, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt weder abweichende Entscheidungen der allgemeinen oder der besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit auf noch legt sie dar, dass diese Rechtsprechung in der kartellverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur in Zweifel gezogen wird. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1985 ist der Kartellsenat des Kammergerichts ohne Weiteres davon ausgegangen, dass für das kartellverwaltungsgerichtliche Verfahren die gleichen Regeln für bestimmende Schriftsätze gelten wie für die anderen Gerichtszweige (KG WuW/E OLG 3675, 3676). Die Kommentarliteratur sieht das nicht anders (Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 5. Auflage, § 66 Rn. 3; Lembach in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 12. Auflage, § 66 Rn. 13; Bracher in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Stand Mai 2009, § 66 GWB Rn. 11). Soweit in der Rechtsprechung die Bedeutung des Zusatzes "i.A." bei der Unterzeichnung durch den Mitarbeiter einer Behörde abweichend beurteilt wird, ist dies durch die sachlichen Unterschiede zwischen einer hierarchisch strukturierten Behörde und einer Anwaltskanzlei gerechtfertigt.
62. Der von der Nichtzulassungsbeschwerde weiter als grundsätzlich angesehenen Rechtsfrage, ob bei der Prüfung der Stellung des mit dem Zusatz "i.A." unterzeichnenden Rechtsanwalts auch Umstände zu berücksichtigen sind, die dem Gericht erst nach Ablauf der Frist zur Beschwerdebegründung bekannt werden oder hätten werden müssen, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Klärung der Identität und Postulationsfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt nur dann zulässig, wenn bis zum Fristablauf klar ist, dass die Unterschrift von einem Rechtsanwalt stammt ( Rn. 11, NJW-RR 2012, 1139; Beschluss vom - VIII ZB 22/12 Rn. 14, NJW 2013, 237). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts war diese Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt. Im Übrigen wäre die Unterschrift von Rechtsanwalt M. wegen der Verwendung des Zusatzes "i.A." auch dann unzureichend, wenn bereits bei Ablauf der Frist zur Beschwerdebegründung seine Identität und seine Zulassung als Rechtsanwalt bekannt gewesen wären.
73. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Mit seiner Beurteilung, dass im Streitfall nicht die Voraussetzungen vorliegen, unter denen das Fehlen einer Unterschrift des Rechtsanwalts ausnahmsweise unschädlich ist, weicht das Beschwerdegericht nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass beim Beschwerdegericht bereits zuvor ein von P. und K. unterzeichneter Schriftsatz eingegangen war, mit dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung begründet wurde und der in weiten Teilen mit der Beschwerdebegründung identisch ist, keine andere Beurteilung. Nachdem diese, wie die Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Abrede stellt, von dem früheren Schriftsatz nicht unerheblich abweicht, musste das Beschwerdegericht aus dessen Unterzeichnung durch die genannten Rechtsanwälte nicht den Schluss ziehen, dass sie auch die Verantwortung für den Inhalt der Beschwerdebegründung übernehmen wollten.
Limperg Meier-Beck Kirchhoff
Bacher Deichfuß
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:070616BKVZ53.15.0
Fundstelle(n):
HFR 2017 S. 364 Nr. 4
NJW-RR 2016 S. 1336 Nr. 21
VAAAF-78965