Instanzenzug:
Gründe
I.
1Die Klägerin will erreichen, dass die Zwangsvollstreckung aus verschiedenen näher beschriebenen Titeln für unzulässig erklärt wird. In erster Instanz blieb ihre Klage erfolglos. Am letzten Tag der Berufungsfrist reichte ihr Prozessbevollmächtigter beim Berufungsgericht einen mit "Berufung gem. § 511 ff ZPO" überschriebenen Schriftsatz ein, in welchem es heißt:
"In dem Rechtsstreit (...) legen wir gegen das Urteil (...) Berufung ein mit den Anträgen,
1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem in der Schlussverhandlung vom (...) klägerseits gestellten Antrag zu entscheiden.
2. Der Klägerin und Berufungsklägerin unter diesseitiger Beiordnung Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Eine Ablichtung des angefochtenen Urteils liegt bei. Das Rechtsmittel soll nur für den Fall bewilligter Prozesskostenhilfe durchgeführt werden. Das Urteil wird insgesamt angefochten ..."
2Der Schriftsatz enthielt zugleich eine Berufungsbegründung. Er wurde der Beklagten, die in erster Instanz nicht anwaltlich vertreten war, mit Postzustellungsurkunde unter dem Aktenzeichen 11 S 122/14 und dem weiteren Vermerk "bAbBer 08.09.2014" zugestellt. Etwa zwei Wochen später wies das Berufungsgericht die Parteien darauf hin, dass die Berufung nur für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingelegt worden sei, setzte der Beklagten eine Frist zur Stellungnahme zur "beabsichtigten Berufung" und wies die Klägerin auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung hin. Anträge auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den Titeln, die Gegenstand der Drittwiderklage waren, bezeichnete das Berufungsgericht in späteren Hinweisen und Entscheidungen als unzulässig, weil eine Berufung noch nicht eingelegt worden sei. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt. Dieser Beschluss ging dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin spätestens am 2. Januar 2015 zu. Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2015 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin höchst vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist.
3Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit welcher sie die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses erreichen will.
II.
4Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO); denn der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), der es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Sie führt zur Aufhebung der Verwerfung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
51. Sind die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungs- oder Berufungsbegründungsschrift erfüllt, kann nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allenfalls dann von einer unzulässigen bedingten Berufung oder Berufungsbegründung ausgegangen werden, wenn dies den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit zu entnehmen ist (, BGHZ 165, 318, 320 f; vom 27. Mai 2009 - III ZB 30/09, FamRZ 2009, 1408 Rn. 7; ebenso BFHE 235, 151 Rn. 12).
62. Die Klägerin hat eine Berufungsschrift eingereicht, welche den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO genügt. Der Schriftsatz vom 8. September 2014 bezeichnet das angefochtene Urteil und enthält die unbedingte Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Der vom Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gerückte Satz, das Rechtsmittel solle nur für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durchgeführt werden, nimmt der zuvor unbedingt erklärten Berufungseinlegung - welche der angefochtene Beschluss nicht einmal erwähnt - nicht ihre Wirkung. Die Klägerin wollte mit ihm ersichtlich die Rücknahme der Berufung für den Fall einer ablehnenden Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe ankündigen. Damit sollte die Beklagte darauf hingewiesen werden, dass sie bis zur Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe keinen Anwalt zu bestellen brauchte. Anders als das Berufungsgericht meint, kommt es auf das spätere Verhalten der Klägerin und ihre Reaktion auf die gerichtlichen Hinweise nicht an. Hat eine Partei - wie im Streitfall - unbedingt und wirksam Berufung eingelegt, ändert ein späteres Prozessverhalten - mag es auch mit einem isoliert gestellten Prozesskostenhilfeantrag in Einklang zu bringen sein - nichts an der Wirksamkeit der vorherigen Prozesshandlung.
Fundstelle(n):
AAAAF-77546