BSG Beschluss v. - B 6 KA 1/16 B

Instanzenzug: S 28 KA 599/10 S 28 KA 868/11

Gründe:

I

1Der Kläger, der als Facharzt für Transfusionsmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung in den Quartalen IV/2006 und III/2007. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung stellte in den streitbefangenen Quartalen ua die allein noch streitige Gebührenordnungsposition (GOP) 32504 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) richtig. Die GOP 32504 EBM-Ä sah in den streitbefangenen Quartalen für den Nachweis und/oder die quantitative Bestimmung von Autoantikörpern mittels indirekter Immunfluoreszenz, Immunoassay oder Immunoblot eine Vergütung von 23 Euro (heute: 28,70 Euro) vor. Der Höchstwert für die Untersuchungen der GOP 32490 bis 32505 betrug 48,50 Euro (heute: 42,60 Euro). Nach Nr 8 der Einleitung zum Kapitel 32 EBM-Ä umfassen die im Kapitel 32 enthaltenen Höchstwerte für die entsprechenden Kataloge oder Einzelleistungen alle Untersuchungen aus demselben Körpermaterial, auch wenn dieses an einem oder an zwei aufeinanderfolgenden Tagen entnommen und an mehreren Tagen untersucht wurde. Im Rahmen einer Teilabhilfe wurde dem Kläger jeweils der Höchstwert gezahlt. Der Widerspruch des Klägers war ebenso erfolglos wie die anschließenden Klage- und Berufungsverfahren. Das LSG hat zur Begründung auf die Ausführungen des SG verwiesen. Das SG hat ua gestützt auf eine von der Beklagten eingeholte gutachtliche Stellungnahme die bestehende Vergütungsregelung nicht beanstandet. Der Kläger habe weder Anspruch auf eine Streichung der Höchstbetragsregelung noch auf die Schaffung weiterer GOP für die einzelnen Methoden der Thrombozytenantikörper-Diagnostik. Der Sachverständige empfehle die Intensivierung des Kontaktes zu Fachgesellschaften, um eine evidenzbasierte Bewertung der vom Kläger durchgeführten Differentialdiagnostik zu erreichen.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG richtet sich die Beschwerde des Klägers, zu deren Begründung er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, geltend macht.

II

3Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.

41. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht hinreichend dargetan. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss nach den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN). Den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG wird bei der Grundsatzrüge nur genügt, wenn der Beschwerdeführer eine Frage formuliert, deren Beantwortung nicht von den Umständen des Einzelfalles abhängt, sondern mit einer verallgemeinerungsfähigen Aussage beantwortet werden könnte (zu dieser Anforderung vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

5a) Der Kläger fragt "abstrakt": Verstößt die Anwendung der für die GOP 32504 EBM-Ä vorgesehenen Höchstwertregelung gegen Art 12 Abs 1 GG, wenn gesetzliche Vorschriften eine bestimmte Anzahl von Leistungen zwingend vorschreiben, die aber die nach der Höchstwertregelung begrenzt abrechenbare Anzahl deutlich überschreiten. "Konkret" fragt der Kläger: Kann die im EBM-Ä, dh für Bestimmungen von Thrombozyten-Antikörpern nach der GOP 32504 EBM-Ä vorgesehene Höchstwertregelung auch dann Anwendung finden, wenn §§ 12a, 18 Transfusionsgesetz (TFG) eine bestimmte Anzahl von Untersuchungen vorschreiben, die die Anzahl der nach der Höchstwertregelung begrenzt abrechenbaren Anzahl deutlich überschreiten?

6b) Der Kläger fragt ferner "abstrakt": Verstößt die Anwendung der für die GOP 32504 EBM-Ä vorgesehenen Höchstwertregelung gegen das Gebot der Verteilungsgerechtigkeit nach Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG, wenn gesetzliche Vorschriften eine bestimmte Anzahl von Leistungen zwingend vorschreiben, die aber die nach der Höchstwertregelung begrenzt abrechenbare Anzahl deutlich überscheiten? "Konkret" fragt er: Kann die Anwendung die für die Abrechnung von Leistungen unter Anwendung der für die GOP 32504 EBM-Ä vorgesehenen Höchstwertregelung auch dann erfolgen, wenn dies zu einer Vergütung der gesetzlich vorgeschriebenen, die Höchstwertregelung übersteigende Anzahl von Untersuchungen führt, die unterhalb der Selbstkosten liegt?

7c) Schließlich fragt der Kläger "abstrakt": Verstößt die Anwendung der für die GOP 32504 EBM-Ä vorgesehenen Höchstwertregelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, wenn gesetzliche Vorschriften für Transfusionsmediziner eine bestimmte Anzahl von Leistungen zwingend vorschreiben, die aber die nach der Höchstwertregelung begrenzt abrechenbare Anzahl deutlich überschreitet? "Konkret" fragt er: Kann die im EBM-Ä für Leistungen, dh für Bestimmungen von Thrombozyten-Antikörpern nach der GOP 32504 EBM-Ä vorgesehene Höchstwertregelung auch dann Anwendung finden, wenn §§ 12a, 18 TFG für hoch spezialisierte Transfusionsmediziner eine bestimmte Anzahl von Untersuchungen vorschreiben, die die Anzahl der nach der Höchstwertregelung begrenzt abrechenbaren Anzahl deutlich überschreiten, der Höchstwertregelung aber die einfache Bestimmung von Thrombozyten-Autoantikörpern durch allgemeine Laboratoriumsmediziner zugrunde gelegt ist und die Bestimmung der entsprechenden Alloantikörper gar nicht vergütet wird?

8Sämtliche "abstrakten" und "konkreten" Formulierungen haben letztlich die Frage zum Gegenstand, ob der mehrfache Ansatz der GOP 32504 EBM-Ä geboten und die sachlich-rechnerische Richtigstellung daher rechtswidrig ist, weil nach den Vorgaben des TFG für den Kläger als Transfusionsmediziner mehrere Untersuchungen für die Bestimmung der Thrombozyten-Antikörper vorgeschrieben sind. Die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit dieser Frage hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

9Der Kläger macht zur Begründung seiner Beschwerde geltend, das TFG verlange bei einer Thrombozyten-Antikörper-Bestimmung mindestens vier Untersuchungen desselben Körpermaterials (mindestens zwei verschiedene Verfahren der Thrombozyten-Antikörper-Bestimmung, einen Suchtest und eine Thrombozytenkreuzprobe), deren Selbstkosten 150 Euro betragen würden. Die GOP 32504 EBM-Ä betreffe nur Leistungen eines allgemeinen Laboratoriumsmediziners oder eines Pathologen, der Thrombozyten-Antikörper außerhalb des TFG bestimme. Bei Transfusionsmedizinern sei die Vergütung aufgrund der Höchstbetragsbegrenzung in keiner Weise kostendeckend. Bereits die von ihm behauptete Unterdeckung ist nicht durch Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen belegt. Darüber hinaus enthält die Beschwerdebegründung keine hinreichende Spezifizierung der behaupteten Vorgaben des TFG. Den §§ 12a, 18 TFG sind keine konkreten Maßgaben zu entnehmen. Die Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), auf die der Kläger verweist, sehen in Ziffer 4.2.2 zum Untersuchungsumfang blutgruppenserologischer Untersuchungen die Bestimmung der Blutgruppen im AB0- und im Rh-System sowie den Antikörpersuchtest und nur gegebenenfalls die Bestimmung weiterer Merkmale und deren Antikörper, die serologische Verträglichkeitsprüfung (Kreuzprobe) und gegebenenfalls weitere immunhämatologische Untersuchungen vor. Aus welchen Gründen danach der - von der Beklagten berichtigte - bis zu 24-fache Ansatz der GOP 32504 EBM-Ä geboten sein soll, hat der Kläger nicht ausreichend vorgetragen. Insofern lässt die Beschwerdebegründung auch jede Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des SG vermissen, wonach das Vorgehen des Klägers bei der Thrombozytenantikörper-Diagnostik weder durch das TFG noch durch die Richtlinien zur Hämotherapie noch durch Leitlinien der wissenschaftlichen Fachgesellschaften vorgegeben sei und daher kein Anlass bestehe, die Rechtmäßigkeit der Höchstwertregelung in Frage zu stellen.

10Ungeachtet dessen fehlt es auch an einer Auseinandersetzung der Beschwerdebegründung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Senats. Die generelle Zulässigkeit von Abstaffelungsregelungen und mengenbegrenzenden Vergütungsvorgaben im EBM-Ä und damit auch der Höchstwertregelung ist in der Rechtsprechung des Senats seit langem geklärt. Ebenso ist geklärt, dass die Vergütung nicht für jede Leistung kostendeckend sein muss und sich die Frage der Kostendeckung auch nicht auf die bei einem einzelnen Arzt anfallenden Kosten beziehen kann, sich mithin selbst aus einer etwaigen Kostenunterdeckung bei einzelnen Leistungen kein zwingender Grund für eine bestimmte Auslegung des Gebührentatbestandes ergibt (vgl zuletzt ua - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 13 RdNr 39; BSG SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 6). Die Beschwerdebegründung geht auch nicht auf die ständige Rechtsprechung des Senats ein, wonach im Hinblick auf die vorrangige Funktionszuweisung an den Bewertungsausschuss nach § 87 SGB V, den Inhalt der abrechenbaren Leistungen und ihre Punktzahlen zu bestimmen, sowie an die Vertragsparteien der Gesamtverträge, nach Maßgabe des § 85 Abs 3 SGB V aF die Gesamtvergütungen zu bemessen, das Niveau von Vergütungen erst dann von den Gerichten im Hinblick auf § 72 Abs 2 SGB V iVm Art 12 Abs 1 GG beanstandet werden kann, wenn die Funktionsfähigkeit der Versorgung mangels ausreichenden finanziellen Anreizes, vertragsärztlich tätig zu werden, gefährdet wäre (vgl zuletzt - RdNr 35 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Der Vortrag, Transfusionsmediziner würden unterhalb ihrer Selbstkosten vergütet und es werde das Berufsbild des niedergelassenen Transfusionsmediziners für Jungmediziner in Frage gestellt, ist insofern - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Honorarbescheide in Höhe von 211 000 Euro und 230 000 Euro - nicht ausreichend. Soweit der Kläger auf das Urteil des Senats vom (B 6 KA 82/03 R - SozR 4-5533 Nr 653 Nr 1 RdNr 14 - Abrechnungsausschluss für Sauerstoffdruckmessungen) verweist, fehlt es bereits an einer Darlegung, warum hier eine mit einem vollständigen Abrechnungsausschluss vergleichbare Situation vorliegt. Der Vortrag, es handele sich um eine für die Fachgruppe wesentliche Leistung steht im Übrigen in einem Widerspruch zu dem Vortrag, dass die Thrombozytendiagnostik nur von zwei bis vier niedergelassenen Transfusionsmedizinern durchgeführt werde und nur bei relativ seltenen Erkrankungen notwendig sei. Transfusionsbegleitende Antikörperanalysen würden jährlich in etwa 4000 Fällen durchgeführt, wobei nur ein kleiner Teil in den ambulanten Bereich falle.

112. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Als erfolgloser Rechtsmittelführer hat der Kläger auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§ 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO).

123. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den Angaben des Klägers zur wirtschaftlichen Bedeutung und hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Fundstelle(n):
HAAAF-77091