Investitionszulagenrechtliche Begünstigung eines Gebäudes bei Identität zwischen ursprünglich geplanten und dem tatsächlich errichteten Gebäude
Leitsatz
1. Es ist bereits geklärt, dass eine investitionszulagenrechtliche Begünstigung eines Gebäudes u.a. von einer Identität zwischen dem ursprünglich geplanten und dem tatsächlich errichteten Gebäude abhängig ist. Eine Identität zwischen dem im Bauantrag ausgewiesenen Gebäude und dem tatsächlich errichteten Gebäude ist danach nicht mehr gegeben, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude gegenüber dem im ursprünglichen Bauantrag beabsichtigten Bauvorhaben Änderungen aufweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern.
2. Im Urteil vom III R 40/11 (BFHE 239, 570, BStBl II 2013, 340) wurde nicht offengelassen, ob Nutzungsänderungen, die bautechnische Änderungen oder das Erfordernis einer geänderten oder neuen Baugenehmigung nach sich ziehen, investitionszulagenschädlich sind. Vielmehr kann danach eine Änderung der Nutzungskonzeption während der Bauphase (z.B. fremd- statt eigenbetriebliche Nutzung) nur dann investitionszulagenunschädlich sein, wenn diese Nutzungsänderung nicht mit bautechnischen Änderungen oder Abweichungen von der erteilten Baugenehmigung einhergeht.
Gesetze: InvZulG § 2 Abs. 2 Satz 1, InvZulG § 3 Abs. 1 Satz 1, InvZulG § 3 Abs. 2 Satz 6, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Instanzenzug:
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) schloss am 31. März/ mit der B-GmbH einen Immobilien-Leasingvertrag über eine nach den Wünschen der B-GmbH in der Gemeinde R zu errichtende Produktionsstätte, die bis spätestens errichtet werden sollte. Auf den am gestellten Bauantrag erhielt die Klägerin am eine Baugenehmigung. Am schloss die Klägerin mit der Gemeinde R einen notariellen Grundstückskaufvertrag. Der Kaufpreis betrug 500.000 €. Die Klägerin verpflichtete sich gegenüber der R, auf dem Grundstück innerhalb von zwei Jahren ab bestandskräftiger Baugenehmigung ein Betriebsgebäude bezugsfertig zu errichten, widrigenfalls sollte der R ein Rücktrittsrecht zustehen.
2 Im Jahr 2008 begann die Klägerin mit der Errichtung der Industriehalle. Für die im Jahr 2008 getätigten Herstellungsmaßnahmen (Planungsleistungen, Tiefbauarbeiten, Ver- und Entsorgungsinfrastruktur, Fundamentierung, Regenrückhaltung etc.) erhielt sie mit Bescheid des vormals zuständigen Finanzamts vom eine Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) 2007 in Höhe von 251.057,85 €. Für die im Jahr 2009 begonnenen Hochbauarbeiten beantragte die Klägerin keine Investitionszulage.
3 Nachdem die B-GmbH den Leasingvertrag am gekündigt hatte und Bemühungen, das Objekt anderweitig zu vermarkten, gescheitert waren, trat die Gemeinde R gemäß einer in einem gerichtlichen Vergleich getroffenen Vereinbarung zum vom Grundstückskaufvertrag zurück. R ließ die bereits errichteten Hochbauten im Frühjahr 2013 abbrechen und verkaufte das Grundstück mit Vertrag vom für 496.360 € an die L-GmbH. Es wurde vereinbart, die L-GmbH werde die Fundamente, Leitungen und Kanäle —sofern erforderlich— auf eigene Kosten beseitigen. Ferner sollte sie innerhalb eines halben Jahres eine Baugenehmigung beantragen und innerhalb von zwei Jahren nach bestandskräftiger Baugenehmigung eine Produktionsanlage errichten.
4 Der durch Sitzverlagerung inzwischen zuständig gewordene Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) setzte durch Änderungsbescheid vom die Investitionszulage auf 0 € und die zu leistenden Zinsen für den Rückforderungsanspruch auf 56.486 € fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom ).
5 Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab und ließ die Revision nicht zu.
6 Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO), zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Gründe
7 II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form geltend gemacht wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.
8 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
9 a) Grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (vgl. , BFH/NV 2015, 809). Eine Rechtsfrage ist nicht (mehr) klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erfordern (vgl. , BFH/NV 2014, 523).
10 b) Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob es im Hinblick auf die investitionszulagenrechtliche Förderung der Herstellung eines Gebäudes unschädlich ist, wenn ein geförderter Teil einer Baumaßnahme (hier: der Tiefbau) auf der Grundlage einer veränderten Baugenehmigung in ein geändertes Nutzungskonzept einbezogen wird.
11 Insoweit besteht kein erneuter Klärungsbedarf, da die maßgeblichen Fragen bereits durch die Rechtsprechung des BFH geklärt sind. Schon nach dem noch zum InvZulG 1986 ergangenen Senatsurteil vom III R 10/97 (BFH/NV 2001, 1450) ist die investitionszulagenrechtliche Begünstigung eines Gebäudes u.a. von einer Identität zwischen dem ursprünglich geplanten und dem tatsächlich errichteten Gebäude abhängig. Der Senat hat dabei seine Rechtsprechung zu § 4b InvZulG 1975 und § 4b InvZulG 1982 fortgeschrieben, wonach eine Identität zwischen dem im Bauantrag ausgewiesenen Gebäude und dem tatsächlich errichteten Gebäude nicht mehr gegeben ist, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude gegenüber dem im ursprünglichen Bauantrag beabsichtigten Bauvorhaben Änderungen aufweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern (, BFH/NV 1994, 904, und vom III R 88/88, BFHE 163, 282, BStBl II 1991, 378, jeweils zu § 4b InvZulG 1982; vom III R 54/82, BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454, und vom III R 109/84, BFH/NV 1990, 62, jeweils zu § 4b InvZulG 1975). Unerheblich ist dabei, wie die Planungsänderungen formal und kostenmäßig von den zuständigen Bauordnungsbehörden behandelt wurden, wenn in tatsächlicher Hinsicht das ursprüngliche Bauvorhaben und das verwirklichte Bauvorhaben erhebliche Unterschiede aufweisen (Senatsurteile in BFH/NV 1994, 904; in BFH/NV 1990, 62).
12 Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Senat im Urteil vom III R 40/11 (BFHE 239, 570, BStBl II 2013, 340) nicht offengelassen, ob Nutzungsänderungen, die bautechnische Änderungen oder das Erfordernis einer geänderten oder neuen Baugenehmigung nach sich ziehen, investitionszulagenschädlich sind. Vielmehr hat er gerade seine Ausführungen, wonach eine Änderung der Nutzungskonzeption während der Bauphase (z.B. fremd- statt eigenbetriebliche Nutzung) investitionszulagenunschädlich ist, durch Verweis auf das Senatsurteil in BFH/NV 2001, 1450 dahingehend eingeschränkt, dass dies nur gelte, wenn die Nutzungsänderung nicht mit bautechnischen Änderungen oder Abweichungen von der erteilten Baugenehmigung einhergeht. Entgegen der von der Klägerin im Schriftsatz vom dargelegten Auffassung ist das Senatsurteil in BFH/NV 2001, 1450 daher hinsichtlich der Auswirkungen bautechnischer Änderungen auf die Identität des Gebäudes auch nicht durch das Senatsurteil in BFHE 239, 570, BStBl II 2013, 340 überholt.
13 Diese Rechtsprechungsgrundätze hat das FG auf die Regelungen der §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 6 InvZulG 2007 übertragen und ist gerade nicht von einer bloßen Nutzungsänderung eines als selbständiges Wirtschaftsgut zu qualifizierenden identischen Gebäudes oder Gebäudeteils ausgegangen. Vielmehr nahm es an, es seien allenfalls einzelne unselbständige Gebäudeteile (insbesondere der Tiefbau) auf der Grundlage einer neuen Planung und eines neuen Genehmigungsverfahrens in ein anderes als das ursprünglich geplante und genehmigte Gebäude einbezogen worden.
14 2. Die Revision ist im Hinblick auf die vorgenannte Fragestellung auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.
15 Denn dieser Zulassungsgrund setzt als Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ebenfalls eine Rechtsfrage voraus, die in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig und klärungsbedürftig ist (z.B. Senatsbeschluss vom III B 112/14, BFH/NV 2015, 1595).
16 3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen.
17 Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten, genau bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. Senatsbeschlüsse vom III B 76/10, BFH/NV 2011, 981, und vom III B 20/12, BFH/NV 2014, 58).
18 Hieran fehlt es. Die Klägerin hat zwar aus den von ihr zitierten Senatsurteilen in BFH/NV 2001, 1450 und vom III R 49/91 (BFH/NV 1997, 201) den Rechtssatz herausgearbeitet, wonach die Umplanung des ursprünglichen Bauvorhabens nach Ablauf des Begünstigungszeitraums für die Gewährung der Investitionszulage unschädlich ist, wenn sie aus Gründen notwendig wird, die im öffentlichen Interesse liegen und die der Investor nicht zu vertreten hat. Sie hat diesen Rechtssätzen aber keine hiervon abweichenden Rechtssätze aus der angegriffenen FG-Entscheidung gegenübergestellt.
19 4. Die Revision ist schließlich auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen des Verfahrensfehlers eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) zuzulassen.
20 a) Wird —wie hier— nicht gerügt, das FG habe einen Beweisantrag übergangen, sondern es habe auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, ist zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO insbesondere anzugeben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines —insoweit maßgeblichen— Rechtsstandpunkts hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat; schließlich wäre anzugeben, welches Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (z.B. Senatsbeschluss vom III B 168/14, BFH/NV 2015, 1344).
21 b) Soweit die Klägerin geltend macht, das FG hätte die Übernahme der von ihr errichteten Tiefbauten durch die L-GmbH weiter aufklären müssen, fehlt es insbesondere an der Darlegung, weshalb sich dem FG dies unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunkts hätte aufdrängen müssen.
22 Soweit die Klägerin eine mangelnde Aufklärung zur Frage des Nichtverschuldens der Planänderung oder Neuplanung rügt, wird keinem der o.g. Darlegungsanforderungen genügt.
23 5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
24 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 1175 Nr. 8
DStZ 2016 S. 550 Nr. 15
ZAAAF-75050