Zur Feststellung von Forderungen unter einer auflösenden Bedingung im Insolvenzverfahren
Leitsatz
1. Im Insolvenzverfahren werden Forderungen, die unter einer auflösenden Bedingung im Sinne des § 158 BGB (Eintritt eines ungewissen, zukünftigen Ereignisses) stehen, nach § 42 InsO unbedingt angemeldet und auch unbedingt festgestellt.
2. Eine "auflösende Bedingung" liegt nicht vor, wenn der rechtliche Bestand der Forderung selbst ungewiss ist. Ein Insolvenzverwalter kann daher die ihm obliegende Prüfung, ob er eine Steuerforderung anerkennt oder bestreitet, nicht durch eine Feststellung als "auflösend bedingt" hinausschieben.
Gesetze: InsO § 142, BGB § 158
Instanzenzug:
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter. Die Insolvenzschuldnerin erbrachte Trainingsleistungen an inländische und ausländische Firmen. Nach ihrer Ansicht waren nicht nur die Trainingsleistungen, die nach § 3a Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes nicht steuerbar an ausländische Firmen erbracht wurden, sondern auch die hiermit verbundenen im Inland erbrachten Beherbergungs- und Beköstigungsleistungen nicht steuerbar, während der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) nur die Trainingsleistungen als nicht steuerbar ansah. Nachdem das FA am einen entsprechenden Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2010 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen hatte, gegen den die Insolvenzschuldnerin Einspruch erhoben hatte, wurde am das Insolvenzverfahren eröffnet, in dessen Verlauf das FA die Forderungen zur Tabelle anmeldete. Bei der Prüfung der Forderungen des FA kam der Kläger als Insolvenzverwalter zu folgendem Ergebnis: „Festgestellt: als auflösend bedingt in Höhe von ... € aufgenommen“. Nachdem das FA den Kläger aufgefordert hatte, entweder das Einspruchsverfahren aufzunehmen oder den Widerspruch gegen die Forderung zurückzuziehen, entgegnete der Kläger, es bestehe hierfür kein Rechtsschutzbedürfnis, weil er keinen Widerspruch gegen die Forderung erhoben habe. Daraufhin nahm das FA das Verfahren auf und erließ am eine Einspruchsentscheidung, mit der es den Widerspruch zurückwies und die Umsatzsteuerforderungen in bestimmter Höhe feststellte. Ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, weil die Forderung wegen des Zusatzes „festgestellt als auflösend bedingt“ nicht unbedingt zur Tabelle festgestellt worden sei.
2 Hiergegen erhob der Kläger Klage, mit der er sich zum einen gegen die Höhe der Umsatzsteuer und zum anderen gegen den Erlass des Feststellungsbescheides wandte. Die Forderung sei zu Recht als „auflösend bedingt“ festgestellt worden, weil das Einspruchsverfahren offen sei und der Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 der Abgabenordnung stehe.
3 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, es fehle dem FA nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Aufnahme des Einspruchsverfahrens und der Feststellung der streitigen Umsatzsteuer-Forderungen, weil der Kläger eine unklare Rechtslage geschaffen habe, indem er die vom FA angemeldete Forderung mit dem in der Insolvenzordnung nicht vorgesehenen Zusatz „als auflösend bedingt“ festgestellt habe. Da sich der Kläger weiter gegen die Höhe der Umsatzsteuer wende und die Forderung weder ausdrücklich bestritten noch uneingeschränkt anerkannt habe, sei der Zusatz als Widerspruch gegen die angemeldete Forderung auszulegen. Bei den Verpflegungs- und Übernachtungsleistungen handele es sich auch nicht um Nebenleistungen zu einer —nicht steuerbaren— Trainingsleistung.
Gründe
4 II. 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) zuzulassen. Die Rechtsfrage, „ob eine Forderung als auflösend bedingt zur Insolvenztabelle festgestellt werden kann“ ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie sich unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt und sich im Übrigen im Streitfall nicht stellt.
5 Gemäß § 42 der Insolvenzordnung (InsO) werden im Insolvenzverfahren auflösende Bedingungen, solange die Bedingung nicht eingetreten ist, wie unbedingte Forderungen berücksichtigt. Da der Gläubiger einer auflösend bedingten Forderung die Leistung somit vor Eintritt der Bedingung wie eine unbedingte verlangen kann, werden sie im Insolvenzverfahren als unbedingte Forderungen angemeldet und auch unbedingt festgestellt (Jaeger, Kommentar zur InsO, § 42 Rz 3; Bitter in Münchener Kommentar zur InsO, § 42 Rz 7).
6 2. Im Übrigen geht es dem Kläger vorliegend nicht um die Feststellung einer „auflösend bedingten“ Forderung i.S. des § 42 InsO i.V.m. § 158 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der voraussetzt, dass der Fortbestand einer Forderung von einem ungewissen zukünftigen Ereignis abhängt. Zu den ungewissen Ereignissen, von denen der Fortbestand einer Forderung abhängt, zählt jedoch nicht die Ungewissheit, ob die Forderung selbst überhaupt besteht. Nach Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle muss sich der Insolvenzverwalter vielmehr entscheiden, ob er die Forderung uneingeschränkt feststellt oder ob er sie bestreitet und zur Beseitigung der Unsicherheit ein noch nicht abgeschlossenes Einspruchs- oder Klageverfahren aufnimmt. Er hat im Feststellungsverfahren eine Verpflichtung zur Prüfung der Forderung zu erfüllen (, BFH/NV 2012, 711, Rz 13). Er kann die Klärung nicht durch einen Feststellungsvermerk „als auflösend bedingt festgestellt“ offen lassen. Das FG konnte von einem Widerspruch gegen die angemeldete Forderung ausgehen und durfte das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des Einspruchs- und Klageverfahrens bejahen.
7 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 1073
ZIP 2016 S. 1393 Nr. 29
RAAAF-73074