Politische Partei; Verbreitung des Verfassungsschutzberichts; öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch
Gesetze: Art 21 Abs 1 GG, Art 21 Abs 2 GG, Art 3 Abs 1 VerfSchutzG BY 1997, Art 15 VerfSchutzG BY 1997
Instanzenzug: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 10 B 15.1320 Urteilvorgehend Az: M 22 K 14.1743 Urteil
Gründe
I
1Die Klägerin ist eine politische Partei. Auf ihre Klage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, die weitere Verbreitung des Verfassungsschutzberichtes 2013 des Freistaates Bayern zu unterlassen, wenn nicht zuvor die Passagen über die Klägerin entfernt oder unkenntlich gemacht werden. Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Der von der Klägerin geltend gemachte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch bestehe nicht. Zwar greife die Darstellung unter der Überschrift "verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit" in das Grundrecht der Klägerin aus Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 GG ein. Die Berichterstattung sei jedoch durch Art. 15 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) gerechtfertigt und halte die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen ein. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II
2Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz stützt, hat keinen Erfolg.
31. Die Beschwerdebegründung legt keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dar (§ 132 Abs. 2 Nr. 1, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Die Beschwerde muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung der aufgeworfenen, bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfragen des Bundesrechts oder einer der in § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO genannten Vorschriften führen kann. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
4a) Die Klägerin wirft als grundsätzlich bedeutsam die Fragen auf,
(ob) sich eine politische Organisation sämtliche Aussagen von Mitgliedern zurechnen lassen (muss), wenn diese sodann eine Funktion in der Organisation bekleiden und nach wie vor zu ihren getätigten Aussagen stehen
und
(ob) sich eine politische Organisation sämtliche dieser Aussagen auch dann als eigene politische Forderung zurechnen lassen muss, wenn sie diese Aussagen nach einem internen Diskussionsprozess in dieser Form ablehnt und diese Forderungen auch überwiegend nicht in das politische Programm aufnimmt.
5Diese Fragen können die begehrte Zulassung der Grundsatzrevision schon deshalb nicht rechtfertigen, weil sie nicht die Auslegung und Anwendung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO), sondern eine landesrechtliche Vorschrift betreffen. Der Erfolg des von der Klägerin geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs hängt davon ab, ob der mit der Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht verbundene Eingriff in ihre grundgesetzlich geschützte Rechtsposition aus Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 GG durch Art. 15 Satz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) gerechtfertigt ist. Dies setzt voraus, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG vorlagen. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen (UA S. 19 Rn. 37), dass sich die Frage, ob solche tatsächlichen Anhaltspunkte bei der Klägerin vorliegen, nicht nur nach ihren eigenen Verlautbarungen sondern auch nach denjenigen ihres Landesvorsitzenden beurteile, da dessen Aktivitäten und Äußerungen der Klägerin zuzurechnen seien. Dies gelte nicht nur für die Tätigkeit in der Funktion als Landesvorsitzender. Vielmehr seien Texte und Äußerungen von leitenden Mitgliedern einer Vereinigung dieser auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Vereinigung verfasst oder getätigt worden seien, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichneten, vor dem die Verantwortlichen dieser Vereinigung handelten.
6Von diesem Inhalt des Art. 15 Satz 1 BayVSG, den der Verwaltungsgerichtshof durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, müsste die revisionsgerichtliche Prüfung ausgehen. Das Revisionsgericht kann insoweit lediglich nachprüfen, ob Bundesrecht - namentlich Bundesverfassungsrecht - ein anderes Ergebnis gebietet. Die Rüge einer Verletzung von Bundesrecht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts vermag jedoch die Zulassung der Grundsatzrevision nur dann zu rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine entscheidungserhebliche klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts aufzeigt, nicht dagegen, wenn allenfalls der dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte Inhalt des Landesrechts angezweifelt wird. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss dementsprechend darlegen, dass die Auslegung einer gegenüber dem angewendeten Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten bundes(verfassungs)rechtlichen Vorschrift ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (stRspr; vgl. etwa 6 B 53.03 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 38 S. 30 f.). Hieran fehlt es. Die mit der Beschwerdebegründung erhobenen Einwände der Klägerin gegen die Auslegung und Handhabung der landesrechtlichen Vorschriften zeigen keine Klärungsbedürftigkeit des Inhalts der dabei vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten bundesverfassungsrechtlichen Normen des Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 GG auf.
7Abgesehen von der Irrevisibilität fehlt den in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen aber auch die für eine Zulassung der Revision erforderliche Klärungsbedürftigkeit. Soweit die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sich eine politische Partei Aussagen von Mitgliedern zurechnen lassen muss, überhaupt einer verallgemeinerungsfähigen, rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist, ist diese Klärung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits erfolgt. In Bezug auf die Feststellung, ob ein Verein sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet und damit die Voraussetzungen des Verbotsgrunds aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG erfüllt, hat der Senat klargestellt, dass sich die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung vor allem ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen lassen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen trachten, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft. Stammen Texte und Äußerungen von leitenden Mitgliedern einer Vereinigung oder wird ihr Inhalt von ihnen erkennbar befürwortet, sind diese Äußerungen und Texte der Vereinigung auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen der Vereinigung handeln (vgl. 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 35). Es spricht nichts dagegen, diese abstrakten Vorgaben auch bei der Beurteilung heranzuziehen, ob und inwieweit Äußerungen der Mitglieder einer durch Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützten politischen Partei die Feststellung rechtfertigen, dass Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen dieser Partei vorliegen. Über diese abstrakten Vorgaben hinaus ist die Frage der Zurechnung jedoch nach den Umständen des konkreten Einzelfalles zu beurteilen und einer verallgemeinerungsfähigen, rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
8b) Für klärungsbedürftig hält die Klägerin weiter die Fragen, ob eine Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen zeigt,
- wenn sie fordert, dass aktive muslimische Organisationen einen Verzicht hinsichtlich der verfassungswidrigen Bestandteile des Islams erklären sollen,
- wenn sie fordert, dass sich Personen, die den Koran lehren, zur Verfassung bekennen müssen und bekunden müssen, dass die Scharia nicht Anwendung findet,
- wenn Mitglieder der Partei den Koran als gefährlichstes Buch der Welt bezeichnen,
- wenn sie für die Aussage steht: "Um ein Zusammenleben unter einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu gewährleisten, könne der Koran als Grundlage zur Weltanschauung nicht akzeptiert werden, weil er seinem Inhalt nach eine Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt und eine kodifizierte Anleitung zum Töten von Nichtmuslimen darstelle."
9Auch insoweit kommt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Frage, ob tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG bestehen, nach dem irrevisiblen Landesrecht beantwortet. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof bei der Auslegung des im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz selbst nicht definierten Begriffs der Bestrebungen auf die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG zurückgegriffen (UA S. 31 Rn. 94). Hieraus folgt jedoch nicht, dass sich das Berufungsgericht durch Bundesrecht in der Auslegung des Landesrechts gebunden gesehen hat.
10Im Übrigen sind die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen nicht klärungsbedürftig. In Bezug auf die vom Verwaltungsgerichtshof erwähnte Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG hat das Bundesverwaltungsgericht bereits geklärt, dass "Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" nur die in diesem Sinne verfolgten politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen sind. Das Tatbestandsmerkmal einer "politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweise" erfordert über das bloße Vorhandensein bestimmter Bestrebungen hinaus ein aktives, nicht jedoch notwendig kämpferisch-aggressives Vorgehen zu deren Realisierung. Erfasst sind Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sind. Neben der Durchsetzung des politischen Hauptziels müssen die Aktivitäten auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen und somit ein maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein. Die bloße Inkaufnahme einer entsprechenden Gefährdung ist nicht ausreichend. Die verantwortlich Handelnden müssen auf den Erfolg der Rechtsgüterbeeinträchtigung hinarbeiten (vgl. 6 C 22.09 - BVerwGE 137, 275 Rn. 59 f.). Auf der Grundlage dieser allgemeinen Vorgaben beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles, ob eine Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen zeigt.
11Der Verwaltungsgerichtshof hat von den dargelegten Grundsätzen ausgehend unter anderem festgestellt, dass sich die Klägerin mit ihrem politischen Programm, wonach die islamischen Organisationen zunächst auf die nach Auffassung der Klägerin verfassungsfeindlichen Bestandteile ihrer Religion verzichten müssten und im Falle der Weigerung ein Verbot dieser Organisationen und die Schließung von Koranschulen und Gebetsräumen erfolgen würde, aktiv für die Abschaffung der Religionsfreiheit der Muslime einsetze und auch bereits mit der Umsetzung dieses politischen Ziels begonnen habe, indem sie ihre "Verzichtsaufforderung" an die betreffenden Personen und Organisationen versandt habe (UA S. 32 f. Rn. 95). Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin verfassungsschutzrelevante Bestrebungen verfolge, sei darin zu sehen, dass die Klägerin in ihrem Parteiprogramm von den den Koran unterrichtenden Imamen ein schriftliches Bekenntnis fordere, dass alle gültigen Rechtsnormen stets über dem islamischen Recht stünden und dass die Scharia keine Gültigkeit habe (UA S. 22 Rn. 46). Der Koran werde in den Verlautbarungen der Klägerin als "das gefährlichste Buch der Welt" sowie als Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt und eine kodifizierte Anleitung zum Töten von Nichtmuslimen verunglimpft (UA S. 21 Rn. 44, S. 25 Rn. 66 f., S. 26 f. Rn. 81 f.). Diese Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat die Klägerin nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen, so dass sie den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO binden. Bei seiner - unter anderem - auf die genannten Einzelaspekte gestützten Gesamtwürdigung gelangt der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG bestehen, über die der Beklagte gemäß Art. 15 Satz 1 BayVSG die Öffentlichkeit unterrichten darf. Weder diese tatrichterliche Gesamtwürdigung noch ihre einzelnen Elemente kommen als Gegenstand einer fallübergreifenden, rechtsgrundsätzlichen Klärung in Betracht.
12c) Die weitere Frage,
ob bei der Bewertung einer Islamkritik, die nicht stets zwischen der Kritik an den politischen, den gesellschaftlichen oder den religiösen Aspekten trennt, stets die Religionskritik als am weitesten geschützter Bereich zugrunde zu legen ist,
kann ebenfalls nicht rechtsgrundsätzlich geklärt werden. Sie bezieht sich auf die im streitgegenständlichen Verfassungsschutzbericht enthaltene und vom Verwaltungsgerichtshof nicht beanstandete (UA S. 21 Rn. 44, S. 27 Rn. 81) Aussage, die Klägerin differenziere in ihren Verlautbarungen in der Regel nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie. Nach der tatrichterlichen Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich die fehlende Differenzierung zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie aus der auszugsweisen Auflistung der vom Beklagten vorgelegten islamkritischen Veröffentlichungen der Klägerin und ihres Landesvorsitzenden ersehen. Zudem habe der Vorsitzende auch in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bekräftigt, dass eine Aufspaltung des Islam und des Islamismus seiner Ansicht nach gar nicht möglich sei (UA S. 26 f. Rn. 81).
13d) Weiter hält die Klägerin die Frage für klärungsbedürftig,
ob es bei dem unterstellten weiten Anwendungsbereich von Art. 15 Satz 1 BayVSG und ferner unterstellten tatsächlichen Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen zulässig ist, eine Partei gleichwohl als verfassungsfeindlich zu bezeichnen; dies insbesondere dann, wenn gleichzeitig berücksichtigt wird, dass diese tatsächlichen Anhaltspunkte auf der Äußerung von "Islamkritik" beruhen und die Partei stets deutlich macht, auf die politischen und gesellschaftlichen Besonderheiten des Islam abzuzielen und nicht auf die Religion oder die Muslime.
14Diese Frage ist schon nicht entscheidungserheblich, weil sie sich dem Berufungsgericht nicht gestellt hat. Das vorinstanzliche Urteil stützt die Annahme tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Klägerin nicht auf deren "Islamkritik", sondern - wie ausgeführt - vor allem darauf, dass sich die Klägerin aktiv für die Abschaffung der Religionsfreiheit der Muslime einsetze und auch bereits mit der Umsetzung dieses politischen Ziels begonnen habe. Die Behauptung der Klägerin, sie mache stets deutlich, auf die politischen und gesellschaftlichen Besonderheiten des Islam abzuzielen und nicht auf die Religion oder die Muslime, widerspricht zudem den tatrichterlichen Feststellungen, wonach die Klägerin in ihren Verlautbarungen gerade nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie differenziere.
15e) Die Zulassung der Revision kommt schließlich auch nicht mit Blick auf die Frage in Betracht,
ob bei einem unterstellten breiten Anwendungsbereich des Art. 15 Satz 1 BayVSG, der die Information der Öffentlichkeit auch dann erlaubt, wenn verfassungsfeindliche Bestrebungen nicht sicher erwiesen sind, sondern genügend tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen bestehen, die Behörde eine Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht dann unterlassen muss, wenn sie sonst in geübter Praxis eine Aufnahme erst bei sicheren Erkenntnissen über verfassungsfeindliche Bestrebungen in Erwägung zieht und bei den vorliegenden Erkenntnissen eine solche sichere Erkenntnis zu verneinen ist.
16Auch diese Frage wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren weder entscheidungserheblich noch klärungsfähig. Ob der von der Klägerin sinngemäß geltend gemachte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt, lässt sich nicht rechtsgrundsätzlich, sondern nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls klären. Darüber hinaus ist den im Berufungsurteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen kein Anhaltspunkt für die Prämisse der Klägerin zu entnehmen, dass der Beklagte in anderen Fällen eine Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht erst bei sicheren Erkenntnissen über verfassungsfeindliche Bestrebungen in Erwägung ziehe.
172. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Klägerin hat die geltend gemachte Abweichung nicht in der den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt. Die Beschwerdebegründung benennt keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat.
18Die Klägerin macht lediglich geltend, das angegriffene Urteil weiche von dem - (BVerfGE 113, 63) sowie von dem 6 A 3.13 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62) ab. Dem genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts entnimmt die Beschwerdebegründung den Rechtssatz, dass die bloße Kritik an Verfassungswerten nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzustufen sei, sondern es darüber hinausgehender Aktivitäten auf deren Beseitigung bedürfe. Diesen Rechtssatz hat der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung indes ausdrücklich zugrunde gelegt (vgl. UA S. 32 Rn. 94). Ferner referiert die Klägerin, unter welchen Umständen das Bundesverwaltungsgericht in der erwähnten Entscheidung das Verbot einer "Glaubensgemeinschaft" für möglich gehalten habe. Dies sei in der Regel erst dann der Fall, wenn sich die religiöse Gemeinschaft aktiv-kämpferisch gegen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Verfassungsgrundsätze richte, etwa weil sie die konkrete Umsetzung von im Widerspruch zu grundlegenden Verfassungsprinzipien stehenden Glaubensinhalten oder von aus ihnen hergeleiteten Verhaltenspflichten propagiere oder fördere. Auch auf diese höchstrichterlichen Vorgaben hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich Bezug genommen (vgl. UA S. 30 Rn. 92, S. 31 Rn. 93). Soweit die Klägerin sinngemäß die fehlerhafte Anwendung der genannten höchstrichterlichen Rechtssätze im konkreten Fall rügt, genügt dies den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht.
193. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2016:240316B6B4.16.0
Fundstelle(n):
OAAAF-73023