Instanzenzug: S 36 SB 1154/12
Gründe:
I
1Die Klägerin begehrt das Merkzeichen aG.
2Bei der Klägerin war zuletzt ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 festgestellt. Auf ihren Änderungsantrag erhöhte der Beklagte den GdB auf 100, stellte die Voraussetzungen für die Merkzeichen B und G fest, lehnte das von der Klägerin ebenfalls beanspruchte Merkzeichen aG indes ab (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ).
3Klage und Berufung blieben nach medizinischen Ermittlungen ohne Erfolg ( ). Das LSG hat ausgeführt, zwar beeinträchtigten die orthopädischen Gesundheitsstörungen, die diabetische Polyneuropathie und das Schmerzzentrum der Klägerin ihr Gehvermögen deutlich. Ausweislich der überzeugenden Feststellung der Sachverständigen könne aber nicht festgestellt werden, dass die Klägerin sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengung oder Schmerzen fortbewegen könne wie die in Abschnitt II Nr 1 S 2 Halbs 1 zu § 46 Abs 1 Nr 11 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) einzeln aufgeführten Gruppen.
4Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin, das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt, sei von der Rechtsprechung des BSG zum Merkzeichen aG abgewichen und habe zudem die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.
II
5Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder der behauptete Verfahrensmangel (1.), noch die angebliche Divergenz (2.) oder eine grundsätzliche Bedeutung (3.) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
61. Die behauptete Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes hat die Beschwerde nicht hinreichend substantiiert dargetan.
7Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Einen solchen Beweisantrag hat die Beschwerde nicht bezeichnet. Mit ihrem Vorwurf, das Gericht habe sich nur auf Vermutungen des Sachverständigen gestützt, kann sie deshalb nicht gehört werden.
82. Ebenso wenig hat die Beschwerde substantiiert die Voraussetzungen einer Divergenz dargelegt.
9Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB - RdNr 4; - RdNr 4; - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).
10Solche Darlegungen enthält die Beschwerde nicht. Das LSG hat sich bei seinem Urteil ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BSG gestützt. Soweit die Beschwerde aus dieser Rechtsprechung andere Vorgaben für den Einzelfall der Klägerin ableiten will als das LSG, legt sie keine dar, sondern rügt die Rechtsanwendung im Einzelfall. Diese Divergenz ist indessen nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
113. Auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht hinreichend substantiiert dargetan.
12Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 160a RdNr 41).
13Daran fehlt es hier. Soweit die Beschwerde der Rechtsprechung den Grundsatz entnehmen und als grundsätzlich klärungsbedürftig ansehen will, nur beidseitig Oberschenkelamputierte hätten einen Anspruch auf das Merkmal aG, so verkennt sie den vom LSG zutreffend weiter gezogenen Kreis der Anspruchsberechtigten für das Merkmal aG. Er umfasst neben den von der Beschwerde erwähnten beidseitig Oberschenkelamputierten gerade auch andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind, so genannte Gleichstellungsfälle. Warum sich trotz der von der Rechtsprechung des BSG insoweit auch in jüngster Zeit noch präzisierten Voraussetzungen dieser Gleichstellung (vgl zuletzt - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; B 9/9a SB 5/06 R - Juris RdNr 13 mwN) weiterer Klärungsbedarf ergeben sollte, hat die Beschwerde nicht substantiiert ausgeführt. Ihr rechtspolitisch anmutender Hinweis auf den demographischen Wandel und die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung vermag die erforderlichen rechtlichen Darlegungen nicht zu ersetzen.
14Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
15Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
164. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstelle(n):
AAAAF-72595