OFD Frankfurt/M. - S 2745a A - 5 - St 51

Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d Absatz 2 Satz 1 und 2 EStG

BStBl 2011 II, 826

Bezug: BStBl I 2011, 974

Der Bundesfinanzhof hat mit ( BStBl 2011 II, 826) entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob die sog. Mindestgewinnbesteuerung gemäß § 10d Absatz 2 Satz 1 EStG 2002 n. F. verfassungsrechtlichen Anforderungen auch dann standhält, wenn eine Verlustverrechnung in späteren Veranlagungszeiträumen aus rechtlichen Gründen (hier: nach § 8c KStG) endgültig ausgeschlossen ist.

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder nehme ich zur Frage der Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO, § 69 Absatz 2 FGO) von Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheiden wie folgt Stellung:

1 Aussetzung der Vollziehung ist auf Antrag in den in dem Beschluss genannten Fällen zu gewähren, in denen es aufgrund des Zusammenwirkens der Anwendung der Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d Absatz 2 Satz 1 und 2 EStG oder § 10a GewStG und eines tatsächlichen oder rechtlichen Grundes, der zum endgültigen Ausschluss einer Verlustnutzungsmöglichkeit führt, zu einem Definitiveffekt kommt.

Im Einzelnen handelt es sich um Fälle

  • des schädlichen Beteiligungserwerbs nach § 8c KStG in den Fassungen vor dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom ( BStBl 2010 I, 2),

  • der Umwandlung beim übertragenden Rechtsträger (§ 12 Absatz 3 i. V. m. § 4 Absatz 2 Satz 2 UmwStG),

  • der Liquidation einer Körperschaft,

  • der Beendigung der persönlichen Steuerpflicht (Tod einer natürlichen Person) bei fehlender Möglichkeit der „Verlustvererbung”.

Die Aussetzung der Vollziehung ist auf die oben genannten Fallgruppen beschränkt.

Keine Aussetzung der Vollziehung ist dementsprechend insbesondere in den Fällen des § 10a GewStG bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Mitunternehmerschaft zu gewähren.

Aussetzung der Vollziehung ist nicht in Missbrauchsfällen (Rz. 19 des BFH-Beschlusses) zu gewähren. Dies gilt insbesondere für den endgültigen Ausschluss der Verlustverrechnung in Fällen des § 8 Absatz 4 KStG 2002 a. F. (sog. Mantelkaufregelung).

2 Kommt es aufgrund eines rechtlichen Grundes (§ 8c KStG – in den Fassungen vor dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz – bzw. § 12 Absatz 3 i. V. m. § 4 Absatz 2 Satz 2 UmwStG) zu einem endgültigen Ausschluss der Verlustverrechnung, ist die Aussetzung der Vollziehung auf Veranlagungszeiträume (VZ) bzw. Erhebungszeiträume (EZ) bis zu dem schädlichen Ereignis beschränkt.

Beispiel 1:

Aufgrund einer Veräußerung von 100 % der Anteile an der X-GmbH zum sind nicht genutzte Verluste nach § 8c KStG [1] (i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom ( BStBl 2007 I, 630)) (bzw. § 10a Satz 10 GewStG) ab dem VZ (bzw. EZ) 2009 endgültig nicht mehr abziehbar. Im Wirtschaftsjahr (Wj. = Kj.) 2009 erzielt die GmbH Gewinne.

Ergebnis: Eine Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids für den VZ 2009 und des Gewerbesteuermessbetragsbescheids für den EZ 2009 ist nicht zu gewähren. Die Aussetzung der Vollziehung ist auf VZ/EZ bis einschließlich 2008 beschränkt.

3 Die Aussetzung der Vollziehung ist bei einem quotalen Verlustuntergang nach § 8c Satz 1 KStG [2] (siehe Fn. 2) bzw. § 8c Absatz 1 Satz 1 KStG [3] (i. d. F. des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung vom ( BGBl. 2009 I, 1959)) (schädlicher Beteiligungserwerb von bis zu 50 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft) wie folgt zu berechnen:

Beispiel 2:

Veräußert werden zum  40 % der Anteile an der Y-GmbH; der Tatbestand des § 8c Satz 1 KStG [4] (siehe Fn. 2) ist erfüllt. Im VZ 2008 wird von dem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 4.000.000 € ein Verlustabzug nach § 10d Absatz 2 Satz 1 EStG in Höhe von 2.800.000 € (= 1.000.000 € + 60 % von 3.000.000 €) vorgenommen. Es ergibt sich ein zu versteuerndes Einkommen von 1.200.000 €. Der verbleibende Verlustabzug zum beträgt

  1. 1.000.000 €,

  2. 1.500.000 €,

  3. 4.000.000 €.

Gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2008 legt die Y-GmbH Einspruch ein und beantragt Aussetzung der Vollziehung.

Ergebnis:

Aussetzung der Vollziehung ist in Höhe von 40 % (= quotaler Verlustuntergang nach § 8c KStG) des aufgrund der Mindestgewinnbesteuerung nicht gewährten Verlustabzugs, max. in Höhe von 40 % des verbleibenden Verlustabzugs, zu gewähren. Danach kann die Steuer auf folgende Beträge von der Vollziehung ausgesetzt werden:

  1. 40 % von 1.000.000 € = 400.000 €,

  2. 40 % von 1.200.000 € = 480.000 €,

  3. 40 % von 1.200.000 € = 480.000 €.

4 Kommt bei einem unterjährigem Beteiligungserwerb in einem VZ (bzw. EZ) sowohl § 8c Satz 1 KStG [5] (siehe Fn. 2) bzw. § 8c Absatz 1 Satz 1 KStG [6] (siehe Fn. 3) als auch die Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d Absatz 2 Satz 1 EStG zur Anwendung, kann Aussetzung der Vollziehung für diesen VZ/EZ nicht gewährt werden (Rz. 31 des ( BStBl 2008 I S. 736).

Beispiel 3:

Wie Beispiel 2. Die Veräußerung der Anteile erfolgt aber zum .

Ergebnis:

Eine Aussetzung der Vollziehung für den VZ 2008 ist abzulehnen.

5 Die allgemeinen Grundsätze für die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung sind zu beachten. Eine Aussetzung der Vollziehung setzt insbesondere die Vollziehbarkeit eines Steuerbescheids voraus (AEAO zu § 361, Nr. 2.3).

Beispiel 4:

Aufgrund der in Beispiel 1 dargestellten Anteilsveräußerung zum wendet sich die X-GmbH gegen die Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d Absatz 2 Satz 1 EStG und beantragt die Änderung des formell bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheids 2007 nach § 164 Absatz 2 AO bzw. § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO. Gegen die Ablehnung der Änderung des Bescheids legt die X-GmbH Einspruch ein und beantragt Aussetzung der Vollziehung.

Ergebnis:

Eine Aussetzung der Vollziehung ist abzulehnen (AEAO zu § 361, Nr. 2.3.2,3. Spiegelstrich).

Zusatz der OFD:

Mit hat der BFH entschieden, dass die sog. Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG in ihrer Grundkonzeption nicht verfassungswidrig ist, da die zeitliche Streckung des Verlustvortrags den vom Gesetzgeber zu gewährleistenden Kernbereich eines Verlustausgleichs nicht beeinträchtigt. Hierzu ist mittlerweile unter dem Az. 2 BvR 2998/12 beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde anhängig.

Im Hinblick auf die Gewerbesteuer bleibt die Anwendung der Mindestbesteuerung auch in sog. Definitivsituationen, in denen der vom Gesetzgeber lediglich beabsichtigte zeitliche Aufschub der Verlustverrechnung in einen endgültigen Ausschluss der Verlustverrechnung hinein zu wachsen droht, verfassungsgemäß (vgl. ; und , BFH/NV 2013, 408–410). Allerdings geht der BFH in den beiden vorgenannten Urteilen und einem weiteren nur deshalb von der Verfassungsmäßigkeit aus, weil in besonderen Härtefällen gewerbesteuerrechtliche Billigkeitsmaßnahmen möglich sind. Diese sind aber nicht geboten, wenn der Unternehmer die Besteuerung und den endgültigen Wegfall der gestreckten Verlustvorträge selbst veranlasst hat.

In dem Verfahren I R 59/12 hat der BFH dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG und § 10a Satz 2 GewStG in einer sog. Definitivsituation (innerer Zusammenhang zwischen die Mindestgewinnbesteuerung auslösendem Verlust und Gewinn und Wegfall der Verlustverrechnungsmöglichkeit aufgrund Insolvenz) verfassungskonform ist (Az.: 2 BvL 19/14). Der I. Senat folgt dem IV. Senat des BFH (in dessen , BStBl 2013 II, 498) für Körperschaften als Gewerbebetriebe kraft Rechtsform (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG 2002) nicht darin, dass die Besonderheiten der Gewerbesteuer eine weitere und zugleich ausreichende Rechtfertigung für die Mindestbesteuerung in § 10a Satz 2 GewStG 2002 n. F. rechtfertigen können.

OFD Frankfurt/M. v. - S 2745a A - 5 - St 51

Fundstelle(n):
PAAAF-71579

1i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom ( BStBl 2007 I, 630)

2siehe Fn. 2

3i. d. F. des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung vom ( BGBl. 2009 I, 1959)

4siehe Fn. 2

5siehe Fn. 2

6siehe Fn. 3