Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur bei nahezu ausschließlicher betrieblicher/beruflicher Nutzung
Leitsatz
Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.
Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, EStG § 9 Abs. 1, EStG § 9 Abs. 5
Instanzenzug:
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bewohnte im Streitjahr 2006 mit seiner Ehefrau ein beiden Ehegatten gehörendes Einfamilienhaus. Er erklärte für das Streitjahr aus der Vermietung mehrerer Objekte Mieteinnahmen in Höhe von insgesamt 94.047 € und Werbungskosten in Höhe von insgesamt 99.852 €.
2 Mit seinem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 machte der Kläger erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in dem Einfamilienhaus in Höhe von 804 € bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, weil das Zimmer den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Tätigkeit —der Vermietung von Immobilienobjekten— bilde. Dabei verwies der Kläger auf einen „Tätigkeitsbericht“ über die Arbeiten, die er in diesem Raum verrichtet habe, sowie auf Fotos u.a. eines Schreibtisches, diverser Büroschränke und Regale sowie diverser Leitzordner. Im Arbeitszimmer steht ein Computer.
3 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu.
4 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage überwiegend statt und berücksichtigte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2100 veröffentlichten Urteil die geltend gemachten Aufwendungen für das Zimmer in Höhe von 60 % der entstandenen Raumkosten als gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbare Werbungskosten. Der Kläger könne 60 % seiner Aufwendungen (804 € x 60 % = 482 €) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung absetzen, obwohl er den Raum zur Überzeugung des Senats nicht (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern jedenfalls auch zu 40 % privat genutzt habe. Eine berufliche Nutzung im Umfang von 60 % habe er indes nachgewiesen.
5 Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung von § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG rügt. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG sei eine Spezialnorm zur Abziehbarkeit der Raumkosten für ein „häusliches Arbeitszimmer“. Insoweit unterscheide sich der Fall des Arbeitszimmers von dem durch den Großen Senat des (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) entschiedenen Fall, in dem der Abzug von Kosten (Reisekosten) zu beurteilen gewesen sei, für die das Einkommensteuergesetz keine besondere Regelung vorsehe. Eine Aufteilung gemischter Aufwendungen, wie sie die Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 ermögliche, sei ausgeschlossen.
6 Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2006 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Einkommensteuer 2006 1.082 € betrage.
7 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8 Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Es ist der Auffassung, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG sei eine von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG unabhängige, abschließende Regelung zur Abzugsmöglichkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer. Nur durch das Merkmal der ausschließlichen betrieblichen/beruflichen Nutzung sei gewährleistet, dass das Arbeitszimmer vom privaten Bereich der Lebensführung hinreichend abgegrenzt werde. Auch Praktikabilitätserwägungen sprächen gegen eine Aufteilung der Aufwendungen.
9 Der Senat hat die Rechtsfragen, ob der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraussetzt, dass der jeweilige Raum (nahezu) ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird und ob die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer entsprechend den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 aufzuteilen sind, durch Beschluss vom IX R 23/12 (BFHE 243, 563, BStBl II 2014, 312) dem Großen Senat des BFH gemäß § 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat durch Beschluss vom GrS 1/14 (BFHE 251, 408) entschieden, der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setze voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.
Gründe
10 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
11 1. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Das gilt nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG). Dies gilt gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG entsprechend für den Werbungskostenabzug.
12 Häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird (, BFHE 251, 408, Rz 62 ff., 81). Auf die dortigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
13 2. Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht —auch nicht anteilig— als Werbungskosten abziehbar.
14 Unstreitig liegt zwar ein seiner Ausstattung nach der Einkünfteerzielung dienender Raum vor. Auch stand dem Kläger jedenfalls kein anderer Arbeitsplatz für seine Tätigkeit im Rahmen der Vermietung und Verpachtung zur Verfügung. Jedoch nutzte der Kläger den streitbefangenen Raum nicht (nahezu) ausschließlich für Vermietungszwecke, sondern auch zu 40 % zu privaten Zwecken.
15 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 912 Nr. 6
DStR 2016 S. 6 Nr. 16
DStR 2016 S. 959 Nr. 17
DStRE 2016 S. 634 Nr. 10
EStB 2016 S. 218 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2016 S. 358
QAAAF-71544