„Auch ein Nutzungszeitenbuch ist kein geeignetes Mittel“
Entwicklung neuer literarischer Formen – Finanzrechtsprechung als Literaturwerkstatt?
Die Geltendmachung von gemischten Aufwendungen ist ein steter Streitpunkt mit der Finanzverwaltung. So verwundert es nicht, dass Verfahren betreffend die Abzugsfähigkeit von Kosten, die sowohl die private als auch die berufliche bzw. betriebliche Sphäre eines Steuerpflichtigen betreffen (können) — beispielsweise Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer — die Rechtsprechung in schöner Regelmäßigkeit beschäftigen. Die von den Finanzgerichten in der Vergangenheit zu beurteilenden Sachverhalte decken dabei ein breites Spektrum ab. Sei es der Fall einer Richterin, die ihre Arbeit in dem ihr zur Verfügung stehenden Dienstzimmer nicht erledigen konnte, weil dieses viel zu klein sei und ihre Arbeit durch den Lärm einer benachbarten Bahntrasse erheblich gestört werde. Oder die Klage eines Betriebsprüfers, dessen Begründung, dass es sich bei den Aufwendungen für die Renovierung eines während der Dienstzeit genutzten Gäste-WC um Werbungskosten handele — und für dessen berufliche Nutzung sogar ein „Toilettentagebuch“ vorlegen konnte — vor dem Finanzgericht nicht standhielt.
Mit der Idee eines sog. Nutzungszeitenbuchs, in dem der Steuerpflichtige seine Anwesenheit im häuslichen Arbeitszimmer dokumentiere könne, hat sich kürzlich auch der Große Senat des Bundesfinanzhofs auseinandergesetzt – diese zugleich aber wieder verworfen. Geklagt hatte ein Steuerpflichtiger, der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend gemacht hatte, da dieses den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde. Hierfür verwies der Kläger auf seinen „Tätigkeitsbericht“ über die Arbeiten, die er in diesem Raum verrichtet habe. Während der zuständige IX. Senat in seinem Vorlagebeschluss – unter Hinweis auf den sog. Las-Vegas-Beschluss — für eine Aufteilung der gemischten Aufwendungen plädiert hat, hat dies der Große Senat mit Beschluss vom abgelehnt. Nach seiner Ansicht lasse sich kaum überprüfen, wie viel Zeit der Arbeitnehmer tatsächlich in dem Raum arbeitet. Eine kritische Analyse der Entscheidungsgründe von Kanzler lesen Sie auf .
Der Zeitfaktor spielt auch bei der Besteuerung von Immobiliengesellschaften eine entscheidende Rolle. Leider hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom erneut eine Gelegenheit verstreichen lassen, die rechtliche Bewertung von sog. Mischfällen höchstrichterlich zu klären. Umstritten ist, ob diese den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts erfüllen. Mit der Steuerbarkeit von Mischfällen setzt sich Windeknecht auf der auseinander.
Beste Grüße
Claudia Kehrein
Fundstelle(n):
NWB 2016 Seite 1049
NWB WAAAF-70570