Instanzenzug: S 1 R 531/11
Gründe:
1Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Fahrlehrer ohne Fahrschulerlaubnis für die beigeladene Fahrschule von September 2009 bis Mai 2010 wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.
2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
4Mit der Behauptung, die Beschwerdeentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Zulassung der Revision demgegenüber - der Struktur des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entsprechend - nicht erreichen.
5Der Kläger macht in seiner Beschwerdebegründung vom den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG; S 2 - 8) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG; S 8 - 10) geltend.
61. Auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) kann sich ein Beschwerdeführer nur stützen, wenn er in der Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
7Der Kläger wirft auf S 2 seiner Beschwerdebegründung die Frage auf,
"ob aufgrund § 1 Abs. 4 FahrlG nur ein unselbständiges Beschäftigungsverhältnis für Fahrlehrer ohne Fahrschulerlaubnis möglich ist, auch wenn alle anderen Umstände für eine selbständige Tätigkeit sprechen und somit die Gesamtwürdigung einschließlich der tatsächlichen Umstände völlig außer Acht gelassen werden können."
Er hält in concreto für klärungsbedürftig,
"wie der Beschäftigungsbegriff als solcher überhaupt zu verstehen ist" (S 3), "inwieweit nach der Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles eine selbständige bzw. nichtselbständige Tätigkeit vorliegt" (S 5) Ferner
"das Festhalten des LSG an der Begründung des unselbständigen Beschäftigungsverhältnisses durch § 2 Abs. 3 Satz 2 der Durchführungsverordnung zum FahrlG" (S 6).
8Zur Begründung befasst sich der Kläger mit der Argumentationstruktur des berufungsgerichtlichen Urteils und legt dar, dass § 1 Abs 4 Fahrlehrergesetz (FahrlG) der Annahme von Selbstständigkeit bei Fahrlehrern ohne Fahrschulerlaubnis nach Auffassung des LSG stets entgegenstehe, so dass es auf eine Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalles (gar) nicht ankomme; auch wenn alle anderen Umstände für eine selbstständige Tätigkeit sprächen, wie vom LSG konzediert, würden nur wegen § 1 Abs 4 FahrlG die Gesamtwürdigung und die tatsächlichen Umstände völlig außer Acht gelassen und die Sozialversicherungspflicht bejaht (vgl S 8 der Beschwerdebegründung). Der Kläger beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit dem Begriff des Beschäftigungsverhältnisses iS von § 1 Abs 4 FahrlG sowie der hierzu erlassenen Durchführungsverordnung und trägt vor, das LSG habe diesen Begriff unter Hinweis auf den "Fachbegriff des Sozialrechts" anders ausgelegt als der -); eine identische Übernahme des Begriffs aus § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV sei indessen "nicht gegeben", vielmehr werde der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses - wie ein Blick in die Rechtsprechung des BAG, des BFH und des BVerwG zeige - je nach Rechtsgebiet inhaltlich unterschiedlich verwendet (S 3 - 5 der Beschwerdebegründung). Der Kläger schließt sich sodann der Rechtsauffassung erster Instanz an, wonach § 1 Abs 4 FahrlG "kein neues, absolut geltendes Ausschlusskriterium" für eine selbstständige Tätigkeit eines Fahrlehrers ohne Fahrschulerlaubnis schaffen könne, und ergänzt, dass keine Regelung im FahrlG dem Typus "freie Mitarbeiterstellung" widerspreche (S 5 f der Beschwerdebegründung). Schließlich hält der Kläger § 2 Abs 3 S 2 der Durchführungsverordnung zum FahrlG mangels hinreichender Verordnungsermächtigung für verfassungswidrig und damit unbeachtlich und kritisiert, dass das Berufungsgericht diesen Umstand außer Acht gelassen habe (S 6 - 7 der Beschwerdebegründung). Die aufgeworfenen Fragen beträfen alle Fahrlehrer ohne Fahrschulerlaubnis, die mit eigenem Schulungsfahrzeug als Dienstleister in einem freien Mitarbeiterverhältnis für in der Regel mehrere Fahrschulen als Fahrlehrer tätig seien.
9Mit diesem Vorbringen genügt der Kläger den an die Begründung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu stellenden Anforderungen nicht. Der Senat kann offenlassen, ob der Kläger mit den aufgeworfenen Fragen überhaupt hinreichend konkrete Rechtsfragen klar bezeichnet, über die in einem späteren Revisionsverfahren zu entscheiden wäre, oder vielmehr nur - verdeckte - Tatsachenfragen, also solche der Subsumtion seines konkreten Falls (Fahrlehrer ohne Fahrschulerlaubnis mit eigenem Schulungsfahrzeug und angestellten Hilfskräften als Dienstleister in einem Mitarbeiterverhältnis für mehrere Fahrschulen) unter die Norm des § 7 Abs 1 SGB IV. Jedenfalls hat er die Klärungsbedürftigkeit der gestellten Fragen - ihre Qualität als Rechtsfragen unterstellt - nicht in der gebotenen Weise dargelegt.
10Grundsätzlich gilt, dass eine Rechtsfrage auch dann als höchstrichterlich geklärt angesehen werden muss, wenn das Revisionsgericht sie zwar - für einzelne Berufsgruppen oder bestimmte Tätigkeitsfelder - noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften - hier des § 7 Abs 1 SGB IV - jedoch schon viele höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Rechtsfrage ergeben; hier kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt - eine bestimmte Berufsgruppe oder ein bestimmtes Tätigkeitsfeld - an, was die Klärungsbedürftigkeit aber nicht zu begründen vermag (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22; BSG Beschlüsse vom - B 12 R 4/12 B - und - B 12 R 31/15 B - Juris). Dass die von ihm gestellten Fragen nicht ausnahmsweise doch (noch) höchstrichterlich zu klären seien, kann der Kläger nicht mit dem Hinweis darauf darlegen, für die von ihm repräsentierte Berufsgruppe sei ua § 1 Abs 4 FahrlG zu beachten und das LSG habe in dieser Vorschrift ein zwingendes Hindernis gesehen, das die Annahme von Selbstständigkeit von vornherein ausschließe. Er geht nämlich - was aber geboten gewesen wäre - der Frage nicht hinreichend weiter nach, ob das Berufungsgericht § 1 Abs 4 FahrlG tatsächlich ein "absolut geltendes Ausschlusskriterium" entnommen hat, das eine (Gesamt)Abwägung bzw Einstellung weiterer - für eine Selbstständigkeit sprechender - Umstände erübrigte, oder mit § 1 Abs 4 FahrlG nicht vielmehr nur die rechtlichen Grenzen dessen aufgezeigt hat, was aus den getroffenen Vereinbarungen im Rahmen einer - von ihm vorgenommenen - Gesamtabwägung berücksichtigt werden durfte: Für die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist zwar im Rahmen der Gesamtabwägung regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Maßgebend ist nach der Rechtsprechung des BSG die Rechtsbeziehung allerdings nur so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung nur so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN; zuletzt - Juris RdNr 17).
11Das LSG hat auf S 7 seines Urteils eine "Abwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles" vorgenommen und im "Ausgangspunkt der Prüfung" mit § 1 Abs 4 FahrlG zunächst den "rechtlichen Rahmen" bestimmt, in dem die Tätigkeit ausgeübt wurde. Es hat sich sodann auf S 10 und 11 seines Urteils mit für und gegen die Annahme einer Beschäftigung sprechenden Merkmalen befasst und schließlich - auf S 11 seines Urteils - die für eine Selbstständigkeit sprechenden Gesichtspunkte im Rahmen der vorzunehmenden (!) Gesamtabwägung zurücktreten lassen, weil "die Rechtsbeziehung wie sie praktiziert wurde nur soweit maßgeblich ist, wie diese (hier: verwaltungs-) rechtlich zulässig ist". Der Kläger hätte sich in seiner Beschwerde mit dem Urteil befassen und Gründe für seine Auffassung benennen müssen, warum das Berufungsgericht (überhaupt) keine Abwägung vorgenommen haben sollte. Sollten seine Ausführungen in der Beschwerdebegründung dahin zu lesen sein, das LSG habe (nur) die rechtlichen Grenzen des Berücksichtigungsfähigen bestimmt, dies durch unzutreffende Auslegung des § 1 Abs 4 FahrlG aber fehlerhaft, richteten sich seine Einwände lediglich gegen die Richtigkeit der (materiellen) Rechtsauffassung der Vorinstanz. Hierauf könnte eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht gestützt werden.
122. Der Kläger beruft sich sodann auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG); er behauptet eine Abweichung der Berufungsentscheidung von dem - NZS 2014, 436, ferner von dem - Juris.
13Die in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG verlangte Abweichung ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht und diese zu der in einer Entscheidung der in der Bestimmung genannten Gerichte zugrunde gelegten Rechtsansicht im Widerspruch steht. Das muss unter Heranziehung der jeweiligen Rechtssätze und nach deren Gegenüberstellung unter Hervorhebung ihrer Unvereinbarkeit begründet werden. Die unrichtige Anwendung eines von dem Revisionsgericht entwickelten und in der Berufungsentscheidung nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall bedeutet indessen keine Abweichung im Sinne der Zulassungsvorschriften.
14Den an die Begründung des Zulassungsgrundes der Divergenz zu stellenden Anforderungen genügt der Kläger in der Beschwerde nicht. Er legt insgesamt im Kern lediglich dar, das LSG habe den Rechtsstreit fehlerhaft entschieden. Soweit es die behauptete Abweichung von dem (aaO) betrifft, führt der Kläger allein aus, das Berufungsgericht habe bei Anlegung des vom BSG in dem beschriebenen Fall für einen Mitarbeiter beim ZDF zugrunde gelegten Maßstabs in seinem Fall zur Annahme von Selbstständigkeit gelangen müssen. Hinsichtlich der Abweichung vom (aaO) legt der Kläger nur dar, dass das LSG den dort mit indizieller Bedeutung ausgestatteten "Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen", überhaupt nicht beachtet habe.
153. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
164. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DAAAF-70384