Mord: Subjektive Voraussetzungen der Mittäterschaft
Gesetze: § 25 Abs 2 StGB, § 211 StGB
Instanzenzug: Az: 3 KLs (a) 115 Js 35416/13 Hw
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die weiteren Mitangeklagten hat es jeweils wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen und in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zu mehrjährigen Jugendstrafen verurteilt.
2Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
3Nach den Feststellungen des Landgerichts war der damals 20 Jahre und elf Monate alte Angeklagte Mitglied der Gruppierung "Red Legion", die am Tatabend aus mindestens 26 Personen bestand. Diese der "Red Legion" zugehörigen Personen hatten elf Angehörige der gegnerischen Gruppierung "Black Jackets" aus einer Bar gelockt und umstellt, um sie ohne Vorwarnung in Überzahl plötzlich und brutal anzugreifen und erheblich zu verletzen. Zu Beginn der Auseinandersetzung zog der Angeklagte unvermittelt ein Messer, stach zweimal gezielt in die Bauchregion des hierdurch überraschten Anführers der gegnerischen Gruppierung und fügte diesem u.a. eine stark blutende Stichverletzung zu. Der Angegriffene schlug dem Angeklagten mit der Faust in das Gesicht, um den Angriff zu beenden. Ein weitergehender Tatplan der Angreifer, der das Mitführen von Waffen oder gefährlichen Werkzeugen umfasste und sich darauf erstreckte, mit diesen die Gegner lebensgefährlich zu verletzen oder zu töten, konnte nicht festgestellt werden. Jedem Angreifer war aber bewusst, dass es bei den Angegriffenen auch zu tödlichen Verletzungen kommen könnte.
4Der Angeklagte setzte mit dem Einsatz seines Messers als Startsignal bewusst das Niveau der Intensität des Angriffsgeschehens und nahm billigend in Kauf, dass auch andere Angreifer Messer in lebensgefährlicher Weise verwenden und dabei zum Tode führende Verletzungen auf Seiten der "Black Jackets" verursachen könnten. Nach dem Messerangriff des Angeklagten begann "explosionsartig" der Angriff. Für jeden Angreifer war vorhersehbar, dass es bei den Gegnern zu tödlichen Verletzungen kommen konnte. Tatsächlich wurde im Rahmen des Kampfgeschehens ein Mitglied der "Black Jackets" durch Stiche mit einem Messer getötet. Wer das Messer auf diese Weise eingesetzt hatte, der genaue Zeitpunkt im Kampfgeschehen, die zeitliche Abfolge und die sonstigen Umstände der Messerstiche konnten nicht aufgeklärt werden. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, ob der Angreifer, der die tödlichen Messerstiche gesetzt hatte, zuvor den Messerangriff des Angeklagten beobachtet hatte.
5Die Strafkammer hat in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, der Angeklagte müsse sich die tödlichen Messerstiche nach den Regeln der Mittäterschaft aufgrund seiner Tatherrschaft und seines Tatinteresses zurechnen lassen. Mit seiner den Angriff einleitenden Messerattacke auf den Anführer der gegnerischen Gruppierung habe er auch die potentiell tödliche Verwendung von Messern durch andere Angreifer gebilligt.
II.
6Der zu der rechtsfehlerfreien Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen tateinheitlich hinzutretende Schuldspruch wegen Mordes hat keinen Bestand.
71. Die tödlichen Stiche können dem Angeklagten auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden.
8Die subjektiven Voraussetzungen der Mittäterschaft sind erst gegeben, wenn ein Tatbeteiligter mit seinem Beitrag nicht bloß fremdes tatbestandsverwirklichendes Tun fördern will, sondern dieser Beitrag im Sinne arbeitsteiligen Vorgehens Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Dabei muss der Beteiligte seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6 f. und vom - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; Urteil vom - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254). Voraussetzung für die Zurechnung späteren fremden Handelns als eigenes mittäterschaftliches Tun ist ein zumindest konkludentes Einvernehmen der Mittäter.
9An dieser Zurechnungsgrundlage fehlt es. Die Tathandlung des Angeklagten wurde nach den Feststellungen nicht von einem gemeinsamen Tatplan hinsichtlich des Mitführens von Waffen und der Tötung eines Gegners getragen. Sie ist auch nicht Teil einer späteren konkludenten Erweiterung des Tatplans durch bewusstes und gewolltes Zusammenwirken des Angeklagten mit dem für die tödlichen Stiche verantwortlichen Angreifer.
10Der vor Beginn des Kampfgeschehens gefasste gemeinsame Tatplan sah keine Bewaffnung und keine Tötung der Gegner vor. Der Angeklagte selbst beging mit dem Einsatz seines Messers einen Exzess. Feststellungen über eine Erweiterung des Tatplans unter Einbindung des die tödlichen Stiche setzenden Angreifers sind nicht getroffen worden. Die einseitige Zustimmung des Angeklagten zur todbringenden Verwendung mitgeführter Messer durch andere Angreifer genügt nicht. Ein zumindest konkludentes wechselseitiges Einvernehmen hätte zunächst vorausgesetzt, dass der die Tat unmittelbar Ausführende die Messerattacke des Angeklagten überhaupt wahrgenommen hat. Das ist gerade nicht festgestellt. Damit entbehrt der Schluss des Landgerichts, auch der tödliche Messerstich sei aufgrund einer konkludenten Erweiterung des ursprünglichen Tatplans dem Angeklagten zuzurechnen, einer tragfähigen Grundlage.
112. Eine Verurteilung des Angeklagten wegen Anstiftung zum vollendeten Tötungsdelikt kommt nicht in Betracht, weil nach den Feststellungen des Landgerichts gerade nicht feststeht, dass der Angeklagte bei dem anderen durch seine Messerattacke den Tatentschluss zur Tötung hervorgerufen hat. Dies hätte zumindest vorausgesetzt, dass dieser das Messer in der Hand des Angeklagten überhaupt wahrgenommen hat und zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Begehung eines Tötungsdelikts entschlossen war. Daran fehlt es indes.
123. Eine Verurteilung wegen Beihilfe scheidet nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ebenfalls aus.
13Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; , NStZ-RR 2015, 343, 344; Urteil vom - 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Dies belegen die Feststellungen nicht.
14Auch eine psychische Beihilfe scheidet aus, da diese vorausgesetzt hätte, dass der die Tat unmittelbar Ausführende die Messerattacke des Angeklagten wahrgenommen hat und dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt oder ihm ein erhöhtes Sicherheitsgefühl vermittelt wurde.
154. Der Angeklagte war nach der rechtsfehlerfreien Wertung der Strafkammer Mittäter der begangenen gefährlichen Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen.
16Die rechtsfehlerfreien Feststellungen tragen auch einen Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB), der nach dem Wegfall der Verurteilung wegen Mordes nicht mehr zurücktritt.
17Die tödlichen Messerstiche wurden durch die vorsätzlich begangene, gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung verursacht. Nach den Feststellungen erfolgten sie im Rahmen des Kampfgeschehens, das durch einen plötzlichen Angriff der äußerst aggressiv gestimmten und sich in Überzahl befindenden Angreifer auf den Signalwirkung entfaltenden Messerangriff des Angeklagten eröffnet worden war, nachdem der Gegner umzingelt worden war. Darin war die spezifische Gefahr einer Eskalation mit tödlichem Ausgang angelegt. Der hinsichtlich der qualifizierenden Tatfolge erforderlichen Vorhersehbarkeit steht dabei nicht entgegen, dass der Angeklagte vor dem Beginn des Kampfgeschehens nichts von dem Mitführen eines Messers durch andere Gruppenmitglieder gewusst hatte. Denn es reicht für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente aus, wenn der Täter die Möglichkeit des Todeserfolgs im Ergebnis hätte voraussehen können. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (, NStZ-RR 2009, 309, 310).
18Der Angeklagte hat sich darüber hinaus auch wegen Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
195. Der Senat konnte den Schuldspruch entsprechend ändern (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Raum Radtke Mosbacher
Fischer Bär
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:040216B1STR424.15.0
Fundstelle(n):
DAAAF-70306