BGH Beschluss v. - XII ZB 307/15

Leitsatz

Leitsatz:

Zur Einrichtung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Grundstücksveräußerung, wenn dem Vorsorgebevollmächtigten nur eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht erteilt ist.

Gesetze: BGB § 1896 Abs. 1 und 3

Instanzenzug:

Gründe

I.

1Die 88jährige Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen senilen Demenz, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Sie hatte ihrer Tochter, der Beteiligten zu 3 (im Folgenden: Bevollmächtigte), eine privatschriftliche General- und Vorsorgevollmacht erteilt, deren Wirksamkeit nicht im Zweifel steht.

2Um die aus laufenden Einnahmen nicht gedeckten Pflege- und Heimkosten sowie andere finanzielle Bedürfnisse der Betroffenen abzudecken, beabsichtigt die Bevollmächtigte die Veräußerung eines Hausgrundstücks der Betroffenen. Da sie hierzu aufgrund fehlender notarieller Beglaubigung nicht in Ausübung ihrer Vollmacht imstande ist, hat sie die Einrichtung einer Betreuung für den Zweck der Veräußerung des Hausgrundstücks angeregt. Die Beteiligte zu 4, eine weitere Tochter der Betroffenen, hat sich gegen die beabsichtigte Grundstücksveräußerung gewandt und angeboten, durch "Schuldübernahmeerklärung" den Eigenanteil der Heimunterbringungskosten unter Vorwegabzug der monatlichen Altersrente und zusätzlich ein monatliches Taschengeld der Betroffenen von 160 € für den Fall zu übernehmen, dass eine finanzielle Unterversorgung besteht.

3Das eine Betreuung für den Aufgabenkreis der "Prüfung und Entscheidung über Verkauf oder Vermietung und Verwaltung der Immobilie ... sowie Durchführung der gefundenen Entscheidung" eingerichtet und den Beteiligten zu 1 als Berufsbetreuer bestellt. Mit weiterem Beschluss vom hat das Amtsgericht den Aufgabenkreis um die Geltendmachung von Rechten der Betreuten gegenüber ihrer Bevollmächtigten erweitert.

4Gegen beide Beschlüsse hat die Beteiligte zu 4 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht jeweils zurückgewiesen hat. Hiergegen richten sich ihre Rechtsbeschwerden.

II.

5Die Rechtsbeschwerden sind nicht begründet.

61. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidungen ausgeführt: Die privatschriftliche Generalvollmacht reiche zur wirksamen Vertretung der Betroffenen in dem Aufgabenkreis des Grundstücksverkaufs wegen § 29 GBO nicht aus. Daher könnten die Angelegenheiten der Betroffenen durch die Bevollmächtigte oder durch andere Hilfen nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden. Auch die Zusage der Beteiligten zu 4, für die monatlichen Heim- und Pflegekosten aufzukommen, soweit sie aus dem Barvermögen der Betroffenen nicht gedeckt werden könnten, mache die Anordnung einer Betreuung nicht entbehrlich. Denn angesichts der offenbar unüberbrückbaren innerfamiliären Differenzen erscheine die Umsetzung eines Zusammenwirkens zum Wohle der Betroffenen nicht realisierbar. Selbst wenn bezüglich der Heimkosten ein Schuldübernahmevertrag zustande käme, wären hiervon weitere Verbindlichkeiten der Betroffenen, etwa im Zusammenhang mit laufenden Kosten für die Immobilie, nicht erfasst.

7Es sei auch nicht abschließend bereits vor der Bestellung eines Betreuers zu klären, ob und in welchem Umfang tatsächlich eine den Verkauf notwendig machende Finanzierungslücke bestehe. Die Prüfung dieser Frage solle gerade in die Hände eines berufsmäßigen Betreuers gelegt werden. Eine Bestellung der Bevollmächtigten oder der Beteiligten zu 4 oder deren Sohnes als Betreuer komme wegen bestehender Interessenkonflikte nicht in Betracht.

8Erforderlich sei auch der Aufgabenkreis einer Kontrollbetreuung, da die Betroffene nicht mehr in der Lage sei, die Bevollmächtigte zu überwachen und die bestehenden Rechte ihr gegenüber wahrzunehmen. Der Bitte des Betreuers um Auskunft über das Vermögen und die Einnahmen der Betroffenen sei die Bevollmächtigte nicht nachgekommen. Der Betreuer bedürfe der Auskünfte, um seinen Prüfungsauftrag hinsichtlich der Grundstücksveräußerung wahrnehmen zu können. Aus der mangelnden Kooperation mit dem Betreuer ergäben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Bevollmächtigte ihre Generalvollmacht nicht ordnungsgemäß im Interesse der Betroffenen ausübe.

92. Die angefochtenen Entscheidungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

10a) Das Landgericht hat die Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB rechtsfehlerfrei festgestellt. Dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

11b) Gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB ist die Betreuung zwar nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Das Landgericht hat jedoch zutreffend erkannt, dass ein Betreuungsbedarf besteht, soweit es um die Veräußerung des Hausgrundstücks der Betroffenen geht.

12Zwar wäre die Bevollmächtigte auch selbst imstande, das Hausgrundstück rechtswirksam im Namen der Betroffenen zu verkaufen und aufzulassen. Denn gemäß § 167 Abs. 2 BGB bedarf die Vollmachterklärung nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht. Jedoch soll gemäß § 29 Abs. 1 GBO eine Eintragung in das Grundbuch nur vorgenommen werden, wenn die zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Das gilt auch für die Auflassungsvollmacht, so dass die Bevollmächtigte ihre Vertretungsmacht nicht in grundbuchrechtlicher Form durch Urkunden nachweisen könnte. Ohne die Eintragung in das Grundbuch könnte eine Eigentumsübertragung aber nicht wirksam werden (§ 873 Abs. 1 BGB).

13c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der Betreuungsbedarf auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil die Notwendigkeit einer Grundstücksveräußerung noch nicht endgültig feststeht. Zwar darf eine Betreuung nur für solche Aufgabenkreise angeordnet werden, bezüglich derer ein konkreter Bedarf besteht, was aufgrund der konkreten gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen ist. Dabei ist das Vorliegen eines aktuellen Handlungsbedarfs aber nicht zwingend erforderlich; es genügt, dass dieser Bedarf jederzeit auftreten kann und für diesen Fall die begründete Besorgnis besteht, dass ohne die Einrichtung einer Betreuung nicht das Notwendige veranlasst wird (Senatsbeschluss vom - XII ZB 96/15 - FamRZ 2015, 1378 Rn. 10 mwN).

14Im vorliegenden Fall hat das Landgericht ohne Rechtsfehler festgestellt, dass es einer näheren und gegebenenfalls fortlaufenden Überprüfung bedarf, wie das Hausgrundstück der Betroffenen zu deren Wohl zu verwalten oder ob es zu veräußern ist. Dazu gehört auch die Prüfung und Abwägung des Angebots der Beteiligten zu 4, Beiträge zur Deckung laufender Kosten der Betroffenen zu übernehmen. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass die Bevollmächtigte diese Prüfung nicht unbefangen von Interessengegensätzen zu der mit ihr zerstrittenen Schwester, der Beteiligten zu 4, zum Wohl der Betroffenen auszuüben vermag, und dem Betreuungsbedarf insoweit nicht bereits durch die bestehende Vollmacht Genüge getan ist.

15d) Kann ein Bevollmächtigter seine Vertretungsmacht in einzelnen Angelegenheiten nicht zum Wohle des Betroffenen ausüben, erfordert das zwar grundsätzlich zunächst nur die Einrichtung einer Kontrollbetreuung (§ 1896 Abs. 3 BGB), um durch die Ausübung von Kontroll- und Weisungsrechten auf den Bevollmächtigten einzuwirken (vgl. auch Senatsbeschluss vom - XII ZB 674/14 - FamRZ 2015, 1702 Rn. 36, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Steht aber wie hier die außerhalb der Rechtsmacht des Bevollmächtigten stehende und von diesem bereits befürwortete Veräußerung eines Grundstücks im Raum und hat der Bevollmächtigte die Regelbetreuung für diesen Aufgabenkreis selbst angeregt, bedeutet es keine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wenn die Betreuungsanordnung den Aufgabenkreis der "Prüfung und Entscheidung über Verkauf (richtig: Veräußerung) oder Vermietung und Verwaltung der Immobilie sowie Durchführung der gefundenen Entscheidung" bereits als Regelbetreuung (§ 1896 Abs. 1 BGB) vollständig umfasst.

16e) Ebenso bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Anordnung darüber hinaus gehender Kontrollbefugnisse des Betreuers gegenüber der Bevollmächtigten. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist die Geltendmachung zusätzlicher Auskunfts- und Weisungsrechte durch den Betreuer erforderlich, um sich den für die Wahrnehmung der grundstücksbezogenen Entscheidungen nötigen Überblick über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Betroffenen zu verschaffen.

17f) Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
ErbBstg 2016 S. 170 Nr. 7
MAAAF-69403