Heilpädagogische Förderlehrerin - allgemeinbildende Schule
Gesetze: Art 6 Abs 1 S 1 EUG BY 2000, Art 6 Abs 2 Nr 3 EUG BY 2000, Art 19 EUG BY 2000, Art 59 EUG BY 2000, Art 60 EUG BY 2000, Art 91 EUG BY 2000, Art 100 EUG BY 2000, Anl D.7 Nr 1 S 1 TVöD-V, Anl D.7 Nr 3 TVöD-V
Instanzenzug: ArbG Bamberg Az: 2 Ca 245/12 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 7 Sa 386/13 Urteilnachgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 7 Sa 108/16 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über den Umfang der Leistungspflicht der Klägerin in den Schulferien.
2Der Beklagte ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der für und mit Menschen mit geistiger Behinderung arbeitet. Er betreibt ua. die H, ein privates Förderzentrum mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, und eine Tagesstätte. Bei der H handelt es sich um eine staatlich anerkannte Ersatzschule iSd. Art. 91, 100 BayEUG, mit deren Besuch die Schüler die gesetzliche Schulpflicht erfüllen. Zur Schule sind verbeamtete Sonderschullehrer abgestellt, die dort Unterricht erteilen und als Beamte vom Freistaat Bayern bezahlt werden. Daneben sind an der Schule im Rahmen von Arbeitsverhältnissen Pflegekräfte, Schulassistenten und heilpädagogische Förderlehrer/innen tätig.
3Die Klägerin ist auf Grundlage des Arbeitsvertrags vom bei dem beklagten Verein beschäftigt. Sie verfügt über die Qualifikation als heilpädagogische Förderlehrerin und wird als solche in der H eingesetzt. Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) vom (durchgeschriebene Fassung - TVöD-V [VKA]) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.
4Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
5Die Anlage D.7 zum TVöD-V (VKA) (Anlage D.7 = § 51 TVöD-BT-V [VKA]) lautet auszugsweise:
6Nach Art. 59 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen vom (BayEUG) tragen die Lehrkräfte die unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht und die Erziehung der Schülerinnen und Schüler. Gegenüber dem ihnen zugeordneten sonstigen pädagogischen Personal sind sie weisungsberechtigt. Heilpädagogische Förderlehrerinnen und Förderlehrer unterstützen ua. gemäß Art. 60 Abs. 2 Satz 1 BayEUG die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrkraft an Schulen mit dem Profil „Inklusion“ und an Förderschulen. Sie wirken dabei im Rahmen eines mit den Lehrkräften für Sonderpädagogik gemeinsam erstellten Gesamtplans bei Erziehung, Unterrichtung und Beratung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit. Diese Aufgaben nehmen sie gemäß Art. 60 Abs. 2 Satz 2 BayEUG selbständig und eigenverantwortlich wahr und wirken bei sonstigen Schulveranstaltungen und bei Verwaltungstätigkeiten mit.
7Die Dienstordnung für Lehrkräfte an staatlichen Schulen in Bayern vom in der ab dem geltenden Fassung (Lehrerdienstordnung - LDO) lautet auszugsweise:
8Neben der Tätigkeit in der H wurde die Klägerin in den gesetzlichen Schulferien im Rahmen der dort stattfindenden Ferienbetreuung zur Arbeitsleistung in der Tagesstätte eingeteilt. Die Klägerin kam der Anweisung zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen nach.
9Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie sei zu einer solchen Tätigkeit nicht verpflichtet. Bei der H handle es sich um eine allgemeinbildende Schule iSd. Anlage D.7. Sie sei dort als Lehrkraft im Tarifsinn tätig und mit mehr als der Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Unterrichtstätigkeiten befasst. Ihre Tätigkeit sei durch die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten geprägt. Für sie würden daher die Bestimmungen für entsprechende Beamte gelten. Nach der LDO dürfe sie in den gesetzlichen Schulferien nicht außerhalb der mit dem Schuldienst zusammenhängenden Tätigkeiten eingesetzt werden.
10Die Klägerin hat zuletzt beantragt
11Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, bei der H handle es sich nicht um eine allgemeinbildende Schule. Im Übrigen sei die Klägerin keine Lehrkraft im Tarifsinn, so dass sie zur Erfüllung ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitspflicht in den Schulferien weiter gehend eingesetzt werden dürfe.
12Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.
Gründe
13Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Mangels entsprechender Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das angegriffene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
14I. Der Klageantrag ist in der zuletzt in der Revision zur Entscheidung gestellten Fassung zulässig.
151. Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und auf die Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet, nämlich den Umfang der Leistungspflicht der Klägerin in den Schulferien. Die Feststellungsklage kann sich nach § 256 Abs. 1 ZPO auf einzelne Ansprüche beschränken (vgl. zuletzt - Rn. 18). Gegenstand des Feststellungsantrags ist nicht die Überprüfung einer abstrakten Rechtsfrage (dazu - Rn. 15, BAGE 122, 121).
162. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Zwischen den Parteien steht im Streit, ob der Beklagte berechtigt ist, die Klägerin über die Verpflichtung einer Lehrkraft iSd. Anlage D.7 TVöD-V (VKA) iVm. den Regelungen der LDO hinaus zur Ferienbetreuung in der von ihm betriebenen Tagesstätte einzusetzen. Der Umfang der Leistungsverpflichtung der Klägerin wird durch die begehrte Feststellung abschließend geklärt, soweit sie zwischen den Parteien umstritten ist.
17II. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der H um eine allgemeinbildende Schule iSd. Nr. 1 Satz 1 Anlage D.7 zum TVöD-V (VKA). Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Mangels Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum genauen Inhalt der Tätigkeit der Klägerin kann der Senat nicht selbst entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
181. Das Landesarbeitsgericht geht im Ansatzpunkt zutreffend davon aus, dass die Klage nur Erfolg haben kann, wenn es sich bei der Klägerin um eine Lehrkraft an einer allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schule handelt und sie damit in den Anwendungsbereich der Anlage D.7 TVöD-V (VKA) fällt.
19a) Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des TVöD-V (VKA) Anwendung, dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Sonderregelungen der Anlage D sind nach Satz 2 der Protokollnotiz zu § 1 Abs. 1 TVöD-V (VKA) Bestandteil des Tarifvertrags. Die Anlage D.7 hat die „Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte“ (SR 2l I BAT) ersetzt, ohne Geltungsbereich oder Inhalt - soweit hier von Interesse - zu verändern.
20b) Nach Nr. 2 Satz 1 Anlage D.7 finden die Arbeitszeitregelungen der §§ 6 bis 10 TVöD-V (VKA) auf die dieser Anlage unterfallenden Lehrkräfte keine Anwendung. Vielmehr gelten - soweit vorhanden - die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten (Satz 2). Gemäß Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 Anlage D.7 gilt dasselbe im Hinblick auf den Umfang der Inanspruchnahme einer Lehrkraft in den gesetzlichen Schulferien während der den tariflichen Urlaub übersteigenden Zeit.
21c) Mit der Verweisung auf die Bestimmungen für entsprechende Beamte wird nicht nur auf Gesetze oder Rechtsverordnungen für Beamte Bezug genommen, sondern auch auf die einschlägigen Verwaltungsvorschriften, Anordnungen und Erlasse ( - Rn. 17 mwN, BAGE 116, 346). Die Verweisung zielt auf die Bestimmungen für einen Beamten desselben Berufsbildes ab. Denn der Begriff des entsprechenden Beamten verlangt die Prüfung, ob der Angestellte, wäre er Beamter, die Tätigkeit des von ihm herangezogenen Berufsbildes mit der von ihm erworbenen Qualifikation ausüben könnte (vgl. - zu III 2 a der Gründe; - 4 AZR 247/80 - BAGE 39, 124).
22d) Maßgeblich kommt es im vorliegenden Fall - soweit die Klägerin unter die Anlage D.7 fällt - deshalb auf die für verbeamtete heilpädagogische Förderlehrerinnen und Förderlehrer (zum Begriff Dirnaichner/Wachsmuth BayEUG Art. 60 Erl. 5 Stand September 2015) geltenden Bestimmungen an. Gemäß Ziff. 2.1.4 der Bekanntmachung über die Unterrichtspflichtzeit an Förderschulen vom (KWMBl. I S. 138) idF vom (KWMBl. S. 129) beträgt deren Unterrichtspflichtzeit 29 Wochenstunden. Der Umfang der Inanspruchnahme während der Schulferien ergibt sich für verbeamtete Förderlehrerinnen und Förderlehrer aus § 9a Abs. 3 Satz 2 LDO, die gemäß § 1 Abs. 3 LDO auf Förderlehrerinnen und Förderlehrer entsprechend anzuwenden ist. Danach sind Lehrkräfte verpflichtet, in den Ferien aus dienstlichen Gründen in zumutbarem Umfang zur Verfügung zu stehen, wobei die Anwesenheit in der Schule angeordnet werden kann. Nach § 9b Satz 1 LDO ist die Lehrkraft in außerunterrichtlichen Zeiten zur Wahrnehmung des Bildungs- und Erziehungsauftrags verpflichtet, über den planmäßigen Unterricht und die damit in Zusammenhang stehenden dienstlichen Verpflichtungen hinaus in angemessenem Umfang außerunterrichtliche Aufgaben wahrzunehmen. Hierzu zählen neben der Verpflichtung zur Teilnahme an Schülerfahrten und sonstigen schulischen Veranstaltungen gemäß § 4 Abs. 1 LDO insbesondere die in § 9b Satz 2 LDO aufgezählten Aufgaben, ua. die Vorbereitung des neuen Schuljahrs und Verwaltungsaufgaben. Hierbei handelt es sich um Tätigkeiten, die sich vor allem aus der Stellung einer Lehrkraft als Mitglied des Lehrerkollegiums und Teil der Schulorganisation ergeben. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben gehört ebenfalls zum Berufsbild einer Lehrkraft (vgl. dazu - Rn. 47).
23e) Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte die Klage Erfolg, wenn die Klägerin in den Anwendungsbereich der Anlage D.7 fallen würde. Der Einsatz in der Tagesstätte zur Ferienbetreuung ist nicht Teil des Schulbetriebs und wäre von den Bestimmungen der LDO nicht umfasst. Angestellten Lehrkräften iSd. Anlage D.7 könnte der tarifliche Status als Lehrkraft auch nicht durch Ausübung des Weisungsrechts für die Dauer der gesetzlichen Schulferien entzogen werden. Einer auf die Ferienzeit befristeten Zuweisung von Tätigkeiten außerhalb des Schulbetriebs, selbst wenn diese gleichwertig wären, stünde die Regelung in Nr. 3 Abs. 2 Anlage D.7 entgegen, die iVm. den einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen abschließend den Umfang des Weisungsrechts des Arbeitgebers festlegt.
242. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Anwendungsbereich der Anlage D.7 sei schon deshalb nicht gegeben, weil es sich bei der H nicht um eine allgemeinbildende Schule nach Nr. 1 Satz 1 Anlage D.7 handle. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO).
25a) Nach Nr. 1 Satz 1 Anlage D.7 gilt diese Sonderregelung für Beschäftigte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit keinen eigenen Schulbegriff geprägt, sondern sich auf den Schulbetrieb nach den Schulgesetzen der Länder bezogen und die dort verwendeten Begriffe zugrunde gelegt ( -; vgl. zum Begriff der berufsbildenden Schulen in der SR 2l I BAT - zu II 2 der Gründe). Hieran hat sich durch die Einführung des TVöD nichts geändert (vgl. zB Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand September 2015 BT-V § 51 (VKA) Rn. 7 ff.; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand November 2015 TVöD-V Anlage D D.7 Vorbemerkungen Rn. 1). Die Begriffe „allgemeinbildende Schule“ und „berufsbildende Schule“ dienen der Abgrenzung zu Lehrkräften an Schulen und Einrichtungen der Verwaltung oder Krankenpflegeschulen (vgl. Nr. 1 Satz 2 Anlage D.7) sowie zur Abgrenzung gegenüber Unterrichtspersonal an Hochschulen oder anderen Weiterbildungseinrichtungen wie zB Volkshochschulen (Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD TVöD-V Anlage D D.7 Zu Abschnitt I Rn. 5).
26b) Das Bundesarbeitsgericht ist in ständiger Rechtsprechung zur Sonderregelung SR 2l I BAT zu Schulgesetzen verschiedener Bundesländer davon ausgegangen, dass es sich bei Sonderschulen, Schulen für geistig Behinderte oder Förderschulen um allgemeinbildende Schulen im Tarifsinn handelt (vgl. zB - zu II 2 b der Gründe; - 10 AZR 37/98 - zu II der Gründe). Dementsprechend ist es auch allgemeine Auffassung in der Kommentarliteratur zum TVöD und dem TV-L, dass diejenigen Teile der Förderschulen, die nicht berufliche Bildung leisten, zu den allgemeinbildenden Schulen gehören (zB Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD BT-V § 51 (VKA) Rn. 4 [Sonder- oder Förderschulen]; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD TVöD-V Anlage D D.7 Zu Abschnitt I Rn. 2 [Sonderschulen]; Sponer/Steinherr TV-L Stand Mai 2015 § 44 Rn. 32).
27c) Auch bei den Förderschulen in Bayern handelt es sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 3 BayEUG um allgemeinbildende oder berufsbildende Schulen.
28aa) Der Begriff der Förderschule hat - auch in Bayern - den Begriff der Sonderschule ersetzt (Dirnaichner/Wachsmuth BayEUG Art. 6 Erl. 4.1). Die Förderschule besuchen Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf, der nicht durch andere Schulen erfüllt werden kann. Sie umfasst alle Schularten (Dirnaichner/Wachsmuth BayEUG Art. 6 Erl. 8.1).
29bb) Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayEUG ist das Schulwesen in Bayern in allgemeinbildende und berufliche Schularten gegliedert. Eine dritte Kategorie gibt es nicht. Zu den Schularten iSd. Art. 6 Abs. 1 BayEUG gehören, wie sich aus dem nachfolgenden Absatz 2 ergibt, zunächst die „klassischen“ allgemeinbildenden und beruflichen Schulen (Art. 6 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BayEUG), dh. solche für Schüler ohne besonderen Förderbedarf. Für Schüler, die der sonderpädagogischen Förderung bedürfen und deshalb an einer allgemeinen Schule nach Art. 6 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BayEUG nicht oder nicht ausreichend gefördert und unterrichtet werden können, gibt es besondere Förderschulen (Art. 19 Abs. 1 BayEUG). Diese wiederum gliedern sich in „allgemein bildende Förderschulen“ (Art. 6 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a BayEUG) und „berufliche Förderschulen“ (Art. 6 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b BayEUG). Bereits der Wortlaut dieser Norm, die das Landesarbeitsgericht nicht vollständig in den Blick genommen hat, zeigt hinreichend deutlich, dass es sich bei den bayerischen Förderschulen um allgemeinbildende oder berufsbildende Schulen im landesschulrechtlichen Sinn handelt (Dirnaichner/Wachsmuth BayEUG Art. 6 Erl. 4.1, 8.1). Durch die Aufteilung der Förderschulen in allgemeinbildende oder berufliche Schulen soll dabei den Bedürfnissen behinderter Schüler Rechnung getragen werden (vgl. Dirnaichner/Wachsmuth BayEUG Art. 6 Erl. 4.1).
30d) Nach diesen Grundsätzen ist die H als allgemeinbildende Schule iSd. Anlage D.7 anzusehen. Sie ist eine staatlich anerkannte private Ersatzschule iSd. Art. 91, 100 BayEUG, die einer Förderschule gemäß Art. 6 Abs. 2 Nr. 3, Art. 19 ff. BayEUG entspricht. Mit dem Besuch einer solchen Schule erfüllen die Schüler nach Art. 36 Abs. 1 Nr. 1 BayEUG ihre Schulpflicht (Dirnaichner/Wachsmuth BayEUG Art. 36 Erl. 1.1).
31e) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
32aa) Weitere Voraussetzung für die Anwendung der Anlage D.7 auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist, dass der persönliche Anwendungsbereich der Tarifnorm eröffnet ist, es sich also bei ihr um eine Lehrkraft im Tarifsinn handelt. Dies kann - bei entsprechendem Einsatz - bei heilpädagogischen Förderlehrern der Fall sein. Entgegen der Auffassung des Beklagten steht einer solchen Annahme nicht bereits Art. 60 Abs. 2 BayEUG entgegen, sondern es kommt auf die jeweils konkret ausgeübte Tätigkeit an.
33bb) Nach der zur SR 2l I BAT ergangenen Rechtsprechung, auf die im Hinblick auf die Inhaltsgleichheit zurückgegriffen werden kann, sind als Lehrkräfte Personen anzusehen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen iSv. theoretischem Wissen und Fertigkeiten iSd. praktischen Handhabung des Erlernten im Rahmen eines Schulbetriebs der Tätigkeit das Gepräge gibt (vgl. zuletzt - Rn. 18 mwN).
34(1) Zu den typischen Aufgaben der Lehrkräfte im öffentlichen Schuldienst gehört die Erteilung des Unterrichts. Dann ist das von den Tarifvertragsparteien vorgegebene Merkmal „Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten“ gegeben. Auch die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten bei der Durchführung von praktischen Übungen ist Unterricht. Ein Unterricht im Sinne der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten setzt aber eine eigenverantwortliche Unterrichtung voraus und nicht nur unterrichtsbegleitende Unterstützung unter Anleitung des zuständigen Lehrers. Die Vermittlung schulbezogener Arbeitsinhalte ist dabei von erzieherischen und betreuenden Tätigkeiten abzugrenzen ( - Rn. 18 mwN [pädagogische Mitarbeiterin an einer Grundschule]; - 4 AZR 555/05 - [pädagogische Unterrichtshilfe an einer Schule für geistig Behinderte]; - 8 AZR 647/00 - [pädagogische Unterrichtshilfe an einer Schule für geistig Behinderte]; - 4 AZR 88/98 - BAGE 91, 8 [pädagogische Unterrichtshilfe an einer Blindenschule]; - 4 AZR 476/97 - zu II 2 b cc der Gründe [pädagogische Unterrichtshilfe an einer Förderschule]; - 6 AZR 74/86 - [pädagogische Mitarbeiterin]; - 6 AZR 446/83 - [Erzieherin an einer Sonderschule]; - 7 AZR 334/83 - [Sozialpädagogin an einer Sonderschule]; - 4 AZR 42/82 - BAGE 45, 233 [Lehrmeister]).
35(2) Die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten gibt einer Tätigkeit das Gepräge, wenn sie für die Tätigkeit maßgebend ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die unmittelbare Unterrichtstätigkeit mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Angestellten einnimmt, wobei Zusammenhangstätigkeiten hinzuzurechnen sind ( - BAGE 45, 233).
36(3) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es für die Annahme der Eigenschaft als Lehrkraft iSd. Anlage D.7 nicht erforderlich, dass der Beschäftigte über eine „universitäre Ausbildung“ wie Lehrer ieS verfügt (vgl. für einen Lehrmeister - BAGE 45, 233).
37(4) Nach diesen Grundsätzen können auch heilpädagogische Förderlehrer grundsätzlich Lehrkräfte im Tarifsinn sein, wenn sie nicht nur eine unterrichtsbegleitende Unterstützung für die eigentliche Lehrkraft leisten, sondern eine selbständige und eigenverantwortliche Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen des Schulbetriebs vornehmen und dies ihrer Tätigkeit das Gepräge gibt. Dem steht Art. 60 Abs. 2 BayEUG nicht entgegen. Nach dieser Norm unterstützen heilpädagogische Förderlehrerinnen und Förderlehrer die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrkraft an Schulen mit dem Profil „Inklusion“ und an Förderschulen und wirken im Rahmen eines mit den Lehrkräften für Sonderpädagogik gemeinsam erstellten Gesamtplans bei Erziehung, Unterrichtung und Beratung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit. Diese Aufgaben nehmen sie selbständig und eigenverantwortlich wahr. Dies deutet zwar auf eine eher unterstützende Tätigkeit hin. Aus dem gesetzlichen Leitbild folgt aber nicht, dass heilpädagogische Förderlehrer keine Lehrkräfte im Tarifsinn sein können. Vielmehr kommt es darauf an, welche Tätigkeit im konkreten Einzelfall prägend ausgeübt wird. Sind einer heilpädagogischen Förderlehrerin oder einem heilpädagogischen Förderlehrer überwiegend eigenverantwortliche Unterrichtstätigkeiten übertragen, handelt es sich um Lehrkräfte im Tarifsinn (vgl. zu einer solchen Situation zB -; - 8 AZR 647/00 - [pädagogische Unterrichtshilfen]; - 7 AZR 334/83 - [Sozialpädagogin als Klassenleiterin an einer Sonderschule]; - 4 AZR 42/82 - BAGE 45, 233 [Lehrmeister]).
383. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - keine Feststellungen zum konkreten Inhalt der der Klägerin im Rahmen des Schulbetriebs übertragenen und von ihr ausgeübten Tätigkeit getroffen. Der Senat kann deshalb nicht abschließend entscheiden. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). Für das weitere Verfahren ist auf Folgendes hinzuweisen:
39a) Der Vortrag der Klägerin und die von ihr vorgelegten Einsatzpläne könnten darauf hindeuten, dass sie im Rahmen des für das jeweilige Schuljahr geltenden Stundenplans überwiegend selbständig Unterricht erteilt. Sie hat ua. vorgetragen, dass sie Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten halte und derzeit in der Grund- und Hauptschulstufe in den Fächern Deutsch, Mathematik, Kunst, Werken, Textilarbeit, Hauswirtschaft, Musik, Religion, Sport unterrichte und Sachunterricht und berufsvorbereitenden Unterricht halte. Der Unterricht werde dabei im Klassen- oder Gruppenverband erteilt. Sie erstelle Rahmenpläne über einen Zeitraum von mehreren Wochen in verschiedenen Bereichen, zB lebenspraktische Erziehung, Umwelt- und Sachbegegnung, Sinneserziehung, Sprache, Lesevorbereitung, Schreibentwicklung, Rechenvorbereitung oder Spiel- und Denkerziehung, Motorik, Bewegungserziehung, Schwimmen, bildnerisches Gestalten, religiöse und musikalische Erziehung. Zudem erstelle sie Wochenpläne, individuelle Förderpläne und Entwicklungsberichte. Die Ergebnisse der Schüler würden für die durchzuführenden Elterngespräche und Elternabende aufbereitet. Der Unterricht werde nicht im Frontalunterricht gehalten, sondern in verschiedenen Unterrichtsformen, zB Freiarbeit, projektorientierter Unterricht, Wochenplanarbeit, Stationen lernen, Lernwerkstatt, Experimentunterricht oder Erkundung. Dabei handle es sich um normale Unterrichtsformen, wie sie auch verbeamtete Sonderschullehrer hielten. Sie hat weiter die Auffassung vertreten, dass sie Kenntnisse und Fertigkeiten nach dem gemäß Art. 45 Abs. 2 BayEUG vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus erlassenen Lehrplan für den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung vermittle.
40b) Bei den Begriffen „Kenntnisse und Fertigkeiten“ und „Gepräge“ handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, bei deren Ausfüllung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zusteht ( - zu B III 2 a aa der Gründe; - 4 AZR 88/98 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 91, 8). Das Landesarbeitsgericht wird in diesem Rahmen zu prüfen haben, ob es den Sachvortrag der Klägerin nach den og. Maßstäben als schlüssige Darlegung der Eigenschaft als Lehrkraft iSv. Anlage D.7 ansieht. Der Senat sieht hierzu von weiteren Hinweisen ab. Sollte das Landesarbeitsgericht zu der Auffassung gelangen, dass weiterer Vortrag erforderlich ist, wird es der Klägerin in Ausübung seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO im Rahmen einer konkreten Auflage Gelegenheit zu geben haben, ihren Vortrag zu präzisieren. Sieht das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Klägerin hingegen als schlüssig an, wird es zunächst dem Beklagten im Rahmen einer konkreten Auflage Gelegenheit zu geben haben, sich zu dem klägerischen Tatsachenvortrag nach § 138 Abs. 2 ZPO substanziiert zu erklären, was bisher noch nicht geschehen ist. Bleiben danach entscheidungserhebliche Tatsachen streitig, ist ggf. Beweis zu erheben.
41c) Soweit das Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung überprüft hat, ob der Beklagte „sein Ermessen in billiger Weise ausgeübt hat“, scheint sich dies auf die Überprüfung einer Weisung im Rahmen des nach § 106 GewO bestehenden Direktionsrechts zu beziehen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin keine konkrete Weisung zum Verfahrensgegenstand gemacht hat, so dass eine solche Prüfung nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht in Betracht kommt. Findet die Anlage D.7 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, kommt es - wie dargelegt - hierauf nicht an.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:130116.U.10AZR672.14.0
Fundstelle(n):
BB 2016 S. 756 Nr. 12
NAAAF-69339