Instanzenzug:
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zur Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen verpflichtet ist.
Der Kläger war vom bis bei der Beklagten, einem Unternehmen der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie, als "Maschinenhelfer" beschäftigt. Er war verantwortlich für die Inbetriebnahme, Bedienung und Wartung von Abfüllmaschinen, der dazugehörenden Packautomaten, der Erhitzungsanlagen und des angeschlossenen Palettierers. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom heißt es in § 1 ua., dem Arbeitnehmer sei bekannt, daß das Unternehmen nicht tarifgebunden ist und auf das Arbeitsverhältnis keine Tarifverträge anzuwenden sind (§ 1 Abs. 4 Arbeitsvertrag). Nach § 2 erfolgte die Beschäftigung entsprechend den jeweiligen Betriebserfordernissen im Ein-, Zwei- oder Drei-Schicht-System. In § 3 des Arbeitsvertrags ist bestimmt:
"Für seine Tätigkeit erhält der Arbeitnehmer einen Brutto-Stundenlohn in Höhe von DM 18,40.
Neben dem festgelegten Bruttostundenlohn werden seitens des Arbeitgebers keinerlei weitere Sonderleistungen wie zum Beispiel in Form von Zuschlägen für Mehrarbeit, Sonntags-, Feiertags-, Nacht- und Schichtarbeit gewährt.
Durch die Höhe des festgelegten Bruttostundenlohnes sind Zuschläge für geleistete Nachtarbeit sowie für Schichtarbeit in der Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr mitumfaßt und abgegolten."
Der Kläger wurde im Drei-Schicht-System eingesetzt. Er arbeitete jede dritte Woche in der Spätschicht, und zwar montags bis donnerstags von 22.30 Uhr bis 6.00 Uhr morgens und freitags von 22.30 Uhr bis 8.30 Uhr morgens, jeweils mit einer 45-minütigen Pause.
Mit seiner am erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte schulde nach § 6 Abs. 5 ArbZG einen angemessenen Nachtzuschlag auf das ihm zustehende Bruttoarbeitsentgelt. Angemessen sei der in § 5 Nr. 2 b des Manteltarifvertrags für die obst- und gemüseverarbeitende Industrie (MTV) bestimmte Zuschlag von 50 %. Unter Berücksichtigung von Urlaub und Feiertagen ergebe sich ein wöchentlicher Entgeltanspruch von 287,56 DM, für die Jahre 1999 und 2000 jeweils 4.025,00 DM und für das Jahr 2001 287,56 DM.
Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der Jahre 1997 und 1998 rechtskräftig abgewiesen; diese Ansprüche seien verjährt. Im übrigen hat es der Klage stattgegeben.
Der Kläger hat insoweit zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 8.337,56 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat im wesentlichen geltend gemacht, ein Anspruch des Klägers sei nach § 3 des Arbeitsvertrags ausgeschlossen. Allenfalls sei ein Nachtarbeitszuschlag von 25 % angemessen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.168,78 DM nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen wenden sich beide Parteien mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revisionen beider Parteien sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags von 25 vH des klägerischen Stundenlohnes für die in den Jahren 1999, 2000 und 2001 geleistete Nachtarbeitsstunde verurteilt. Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu.
I. Der Anspruch des Klägers folgt aus § 6 Abs. 5 ArbZG iVm. § 611 BGB.
1. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Fehlen einer tariflichen Regelung für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beendet ist, kommt ausschließlich die Zahlung eines Zuschlags in Betracht (vgl. - BAGE 91, 63).
2. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 ArbZG sind erfüllt. Der Kläger ist Nachtarbeitnehmer iSd. ArbZG. Hierzu gehören nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 ArbZG Arbeitnehmer, die auf Grund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben. Nachtarbeit ist nach § 2 Abs. 4 ArbZG jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit iSv. § 2 Abs. 3 ArbZG umfaßt, das ist die Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO aF) hat der Kläger entsprechend seinen Berechnungsgrundlagen, in der Zeit vom bis einschließlich in 29 Wochen je 31,25 Nachtarbeitsstunden geleistet. Das ergibt rechnerisch den vom Landesarbeitsgericht zuerkannten Betrag.
3. Diesen Anspruch hat die Beklagte bisher nicht erfüllt. Der arbeitsvertraglich vereinbarte und gezahlte Stundenlohn von 18,40 DM enthält keinen Zuschlag für die vom Kläger geleistete Nachtarbeit.
a) Für die Beurteilung, ob ein Entgelt bereits einen angemessenen Zuschlag iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG enthält, kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf an, daß die Zahlungspflicht des Arbeitgebers im Arbeitszeitgesetz geregelt ist. Das hat der Senat bereits in dem ebenfalls gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit entschieden (Senat - 9 AZR 202/01- DB 2003, 1175). Der vom Arbeitgeber zu gewährende Nachtarbeitszuschlag steht nicht als "rein" öffentlich-rechtlicher Anspruch außerhalb der vertraglichen Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien. Auch auf gesetzlich bestimmte Ansprüche hat der Arbeitnehmer auf der Grundlage des geschlossenen Arbeitsvertrags einen schuldrechtlichen Anspruch.
Nach dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dem Arbeitgeber zunächst überlassen, in welcher Weise die Ausgleichsleistung Inhalt des Arbeitsvertrags wird. Das Gesetz enthält insoweit keine Vorgaben. Regelmäßig werden Art und Höhe der Ausgleichsleistung im Arbeitsvertrag vereinbart. Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß die Arbeitsvertragsparteien auf eine gesonderte Zuschlagsregelung in Form eines vom Hundertsatzes des Stundenlohnes verzichten und statt dessen den Grundlohn wegen der vereinbarten Nachtarbeit entsprechend erhöhen (vgl. - aaO.). Von einer derartigen pauschalen Abgeltung des Nachtarbeitszuschlags kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitsvertrag konkrete Anhalte hierfür enthält (zur tariflichen Ausgleichsleistung - BAGE 86, 249). Hierfür ist regelmäßig erforderlich, daß in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und dem (zusätzlichen) Nachtarbeitszuschlag unterschieden wird; jedenfalls muß ein Bezug zwischen der zu leistenden Nachtarbeit und der Lohnhöhe hergestellt sein. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 ArbZG. Der für geleistete Nachtarbeit geschuldete angemessene Zuschlag ist danach "auf" das dem Arbeitnehmer hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.
b) Einen solchen Zuschlag haben die Parteien nicht vereinbart. Der mit 18,40 DM vereinbarte Stundenlohn des Klägers gilt für alle Arbeitszeitmodelle, die im Betrieb der Beklagten gefahren werden. Er ist ohne Rücksicht auf einen Einsatz im Einschicht- oder Mehrschichtsystem und ungeachtet der Einteilung zur Tag- und Nachtarbeit stets gleich hoch. Dementsprechend heißt es in § 3 des Arbeitsvertrags lediglich, durch die Höhe des Stundenlohnes seien ua. Zuschläge für geleistete Nachtarbeit "umfaßt und abgegolten". Das genügt nicht. Der vereinbarte Stundenlohn ist wegen der besonderen Erschwernisse von Nachtarbeit zu erhöhen.
4. Entgegen der Auffassung beider Parteien ist die Bemessung des Nachtzuschlags mit 25 vH des Stundenlohnes durch das Landesarbeitsgericht im Ergebnis nicht zu beanstanden.
a) Zur Ausfüllung des Begriffs "angemessen" ist nicht auf § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG oder § 850 h Abs. 2 ZPO zurückzugreifen. Sein Inhalt ist vielmehr dem jeweiligen gesetzlichen Zusammenhang zu entnehmen (Senat - 9 AZR 202/01 - aaO.). Ebensowenig sind tarifvertragliche Regelungen ohne weiteres anzuwenden. Die im Wirtschaftszweig des Arbeitgebers bestehenden Tarifverträge können aber Orientierung bieten.
b) Danach schuldet die Beklagte weder einen höheren Satz, wie der Kläger geltend macht, noch ist er herabzusetzen, wie die Beklagte meint.
aa) Anders als in der Rechtssache - 9 AZR 202/01 - (aaO.), in der der Senat den Nachtzuschlag mit 30 vH bemessen hat, arbeitet der Kläger nicht in Dauernachtschicht, sondern in Wechselschicht. Hierfür haben die Tarifvertragsparteien einen Zuschlag von 25 vH festgelegt (§ 5 Nr. 2 c MTV). Dieser Satz ist regelmäßig angemessen, um die mit Nachtarbeit verbundenen Erschwernisse auszugleichen. Durch den Wechsel zwischen Nacht- und Tagarbeit wird der biologische Rhythmus zwar ebenfalls belastet. Nach den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen ist ein solcher Wechsel aber weniger gesundheitsgefährdend als ein ständiger Einsatz in Nachtarbeit, auch wenn Arbeitnehmer subjektiv Dauernachtarbeit oft als weniger belastend empfinden (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit S. 12 f.). Im Gegensatz zum Dauernachtarbeitnehmer hat der in Wechselschicht tätige Arbeitnehmer während der Zeiten mit Tagschicht Gelegenheit am sozialen Leben teilzuhaben. Das fördert jedenfalls mittelbar seine gesundheitliche Befindlichkeit.
bb) Der mit dem gesetzlichen Nachtarbeitszuschlag verfolgte Zweck steht der von der Beklagten verlangten Minderung entgegen. Der Geldzuschlag dient nur mittelbar dem Gesundheitsschutz. Der Arbeitgeber soll angehalten werden, Nachtarbeit zu vermeiden. Dieser Zweck wird verfehlt, wenn die Leistung von Nachtarbeit für den Arbeitgeber ohne deutliche finanzielle Folgen bleibt. Der Satz von 25 vH trägt dem Rechnung. Er entspricht auch dem, was weitgehend üblich ist.
II. Die Kosten der Revision sind nach § 92 ZPO gegeneinander aufzuheben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2003 S. 2181 Nr. 40
BAAAF-69330