Instanzenzug: S 10 KR 1996/12
Gründe:
1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit von Bescheiden über die Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung auf Leistungen aus einer KapitalLebensversicherung. Diese Leistungen qualifizierten die Beklagten zunächst vollständig, später teilweise als solche der betrieblichen Altersversorgung und setzten die Beiträge in Anwendung des § 229 Abs 1 S 3 SGB V monatlich nach einem Einhundertzwanzigstel des Zahlbetrags fest.
2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2)
oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
41. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob mit dem Schriftsatz vom überhaupt eine formgerechte Beschwerdebegründung eingereicht wurde. Nach § 73 Abs 4 SGG muss die Beschwerdebegründung von einem vor dem BSG postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten gefertigt sein. Auch für die Nichtzulassungsbeschwerde gilt, dass mit der bloßen Vorlage eines von dem prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt unterzeichneten Schriftsatzes, den der Vertretene selbst entworfen hatte, im Regelfall dem Begründungserfordernis nicht genügt wird (BSG SozR 3-1500 § 166 Nr 4).
5Die Begründung vom entspricht in Diktion und Darstellungsweise auffällig den in den Akten befindlichen vom Kläger selbst gefertigten Schreiben an die Beklagten und Instanzgerichte. Wie diese Schreiben kennzeichnet die Begründung ein weitgehend fehlendes Verständnis der fachspezifischen Bedeutung der darin verwandten juristischen Fachbegriffe und geschilderten bzw angegriffenen Vorgänge im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dies wirft die Frage auf, ob der wahre Autor der Ausführungen über eine erfolgreich abgeschlossene juristische Ausbildung verfügt: Obwohl eingangs der Begründung die Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG angesprochen werden, werden deren Inhalt und die diesbezüglich bestehenden Darlegungsanforderungen grundlegend verkannt. Dementsprechend werden die weiteren Ausführungen der Begründung nicht an diesen Anforderungen ausgerichtet sowie nicht hiervon ausgehend systematisiert und strukturiert. Der mit dem Vertretungszwang im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgte Zweck, das Revisionsgericht zu entlasten und im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten eine sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens zu gewährleisten (vgl BSG SozR 3-1500 § 166 Nr 4 S 8; SozR 4-1500 § 73 Nr 5 RdNr 3 mwN) wird hierdurch verfehlt.
6Selbst wenn der Inhalt der Begründung von dem unterzeichnenden Rechtsanwalt stammen sollte, so genügt die Beschwerdebegründung nicht den hierfür bestehenden Mindestanforderungen: Die Ausführungen zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde müssen ein Mindestmaß an Klarheit und Verständlichkeit aufweisen (vgl - Juris RdNr 7 mwN). Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus einem Gemenge das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 mwN). Ist der Inhalt einer Beschwerdebegründung - wie vorliegend - nicht oder nur sehr schwer verständlich, liegt eine ordnungsgemäße Begründung nicht vor; denn der in den Verfahren vor dem BSG nach § 73 Abs 4 SGG bestehende Vertretungszwang soll gerade sicherstellen, dass der Inhalt der Beschwerdebegründung und das Begehren des Beschwerdeführers vom Beschwerdegericht ohne großen Aufwand zu ermitteln ist. Bereits diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
72. Im Übrigen aber genügt der konkrete Inhalt der Beschwerdebegründung nicht den für die Darlegung der darin geltend gemachten Zulassungsgründe geltenden Anforderungen.
8a) Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom zunächst auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Ua habe das Berufungsgericht den Gegenstand der Klage entgegen seiner ausdrückliche Ablehnung willkürlich verändert, den Sachverhalt willkürlich und zielgerichtet verfälscht und seine (des Klägers) Begründung willkürlich weder behandelt noch berücksichtigt. Die angegriffene Entscheidung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in seiner besonderen Ausprägung des objektiven Willkürverbots (Art 3 Abs 1 GG), gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG), insbesondere "durch ausdrückliche Billigung der Verletzung der Verpflichtungen aus §§ 20, 35, 44 SGB X durch die Beklagte", gegen Vertrauensschutz und Rückwirkungsverbot (Art 20 Abs 3 GG) sowie gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG). Dieses wird auf den Seiten 2 bis 9 der Beschwerdebegründung anhand zahlreicher Einzelaspekte ausgeführt, wobei sich der Kläger überwiegend gegen einzelne rechtliche und tatsächliche Würdigungen des Berufungsgerichts wendet. Hierbei hätten das Gericht und die Beklagte zu 1. - um nur einige Bespiele zu nennen - seinen "Vortrag konsequent ignoriert", den Sachverhalt "verdreht", "die wiederholt geforderte Berücksichtigung der wahren Tatsachen und Beweismittel ... willkürlich verweigert", "belegte Tatsachen" und "Beweismittel" "unterdrückt" sowie "alle Feststellungen und Entscheidungen auf den erwiesen unwahren Sachverhalt" gestützt.
9Einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG bezeichnet der Kläger damit nicht in zulässiger Weise (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels s exemplarisch BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN, Nr 21 RdNr 4; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 202 ff). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht. Macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG, § 128 Abs 2 SGG) geltend, muss er zunächst alle Umstände darlegen, aus denen sich nach seiner Auffassung die Nichtbeachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt. Außerdem muss die Beschwerdebegründung Ausführungen dazu enthalten, was der Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung des Rechts auf rechtliches Gehör noch vorgetragen hätte und inwieweit sein Vortrag geeignet gewesen wäre, das Gericht zu einer anderen Entscheidung zu führen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 696 mwN). Entsprechende Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung aber nicht einmal ansatzweise. Im Kern seines Vorbringens wendet sich der Kläger - grob - gegen die vom LSG vorgenommene Tatsachenwürdigung und dessen rechtliche Würdigung, also die inhaltliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung. Hierauf kann - wie oben bereits angesprochen - die Beschwerde ebenso wenig gestützt werden, wie auf eine Verletzung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 S 1 SGG (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG).
10b) Ferner beruft sich der Kläger auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
11Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt, genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG, im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; vgl auch ). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
12Die Beschwerdebegründung erfüllt auch die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge schon im Ansatz nicht (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Denn der Kläger formuliert schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl allgemein - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).
13Der vom Kläger zur Begründung grundsätzlicher Bedeutung erhobene Vorwurf eines Verstoßes des LSG gegen rechtsstaatliche Grundsätze (Seite 2 der Beschwerdebegründung) genügt den Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge daher nicht. Dies gilt ebenso für die Behauptung der Missbilligung eines dem Gesetzgeber vom Kläger zugeschriebenen Willens, vorgebliche "gesetzliche Grundlagen" konsequent aufrechtzuerhalten, durch das BSG und die Beklagte zu 1. (Seite 10 der Beschwerdebegründung).
143. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
154. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstelle(n):
AAAAF-68918