BAG Urteil v. - 10 AZR 731/14

Instanzenzug: Az: 9 Ca 502/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 7 Sa 607/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über eine vom Kläger geltend gemachte tarifvertragliche Mehrflugstundenvergütung sowie Erteilung von Abrechnungen.

2Der Kläger arbeitet bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen als Flugzeugführer. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Manteltarifvertrag Nr. 3a für das Cockpitpersonal bei Germanwings, abgeschlossen zwischen der Beklagten und der Vereinigung Cockpit e. V., vom , gültig ab (künftig MTV), Anwendung. Der MTV hat, soweit hier von Interesse, folgenden Wortlaut:

3Die in § 20 Abs. 1 Buchst. b MTV angesprochene Protokollnotiz (Nr.) V trägt die Überschrift „BLZ 68-Regelung“ und sieht vor, dass bei der Berechnung der bezahlungswirksamen Flugstunden bei bestimmten Flugzeugtypen grundsätzlich nicht die tatsächlich geflogene Blockzeit, sondern die planmäßige Blockzeit eines 68 %-Quantils nach näherer Maßgabe zugrunde zu legen ist.

4Die Flugzeugführer der Beklagten sind verpflichtet, zwei Mal im Jahr an jeweils zwei Tagen zu je vier Stunden ein Trainings- und Prüfprogramm in einem Flugsimulator zu absolvieren. Es handelt sich dabei um die originalgetreue Nachbildung eines Flugzeugcockpits, in welchem sowohl die Bewegungen als auch die Sichtverhältnisse eines Fluges nachgeahmt werden. In dem Simulatortraining geht es insbesondere darum, irreguläre Flugsituationen zu bewältigen, wie sie beispielsweise aufgrund technischer Defekte am Flugzeug auftreten können. Eine der beiden jährlichen Simulatortrainingseinheiten wird betriebsintern durchgeführt. Wenn ein Flugzeugführer diese Prüfung nicht besteht, finden Nachschulungen statt. Die andere der beiden jährlichen Simulatortrainingseinheiten führt das Luftfahrtbundesamt durch. Falls diese Prüfung vom Flugzeugführer nicht bestanden wird, was selten der Fall ist, kann dies seine sofortige Suspendierung vom Flugbetrieb zur Folge haben.

5In den Monaten November 2011, Mai 2012 und November 2012 wurden dem Kläger Flugstunden im Umfang von jeweils mehr als 85 Stunden angerechnet. Die Beklagte zahlte an ihn hierfür eine Mehrflugstundenvergütung. Ferner absolvierte der Kläger in diesen Monaten jeweils acht von der Beklagten angeordnete Simulatorstunden, die diese nicht bei der Berechnung einer Mehrflugstundenvergütung berücksichtigte. Wäre eine entsprechende Anrechnung erfolgt, hätte dem Kläger eine höhere Mehrflugstundenvergütung in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt weiteren 5.818,08 Euro brutto zugestanden.

6Mit seiner Klage begehrt der Kläger Zahlung dieser weiteren Mehrflugstundenvergütung sowie Erteilung von Abrechnungen über die erfolgenden Zahlungen. Die in diesen Monaten absolvierten jeweils acht Simulatorstunden seien bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus einer Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmungen.

7Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt,

8Die Beklagte, die Klagabweisung beantragt hat, meint, eine Auslegung des Tarifvertrags ergebe, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht bestehe. Simulatorstunden seien keine „bezahlungswirksamen Mehrflugstunden“ im Sinne von § 20 MTV.

9Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Klage - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin eine Abweisung der Klage.

Gründe

10Die zulässige Revision ist nur zum Teil begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die von ihm begehrte Zahlung, da die von ihm absolvierten Simulatorstunden Flugstunden iSv. § 20 Abs. 2 MTV sind, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat. Diesbezüglich war die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Soweit der Kläger Abrechnungen auf die erfolgenden Zahlungen begehrt, ist seine Klage allerdings unzulässig.

11I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Mehrflugstundenvergütung gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c, § 20 Abs. 1, Abs. 2 MTV zu. Dies ergibt sich aus einer Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmungen.

121. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl.  - Rn. 13 mwN) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat ( - zu II 2 a der Gründe). Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl.  - Rn. 13, BAGE 142, 284).

132. In Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei der vom Kläger auf Anordnung der Beklagten im Flugübungsgerät (Simulator) verbrachten Zeit um Flugstunden im Sinne von § 20 Abs. 2 MTV.

14a) Bereits der Wortlaut des Tarifvertrags, von dem bei der Auslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB  - Rn. 20 mwN), spricht für dieses Verständnis, auch wenn in § 12 MTV „Flugzeiten“ und nicht „Flugstunden“ definiert werden.

15aa) Ein Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung entsteht nach § 20 Abs. 2 MTV, wenn mehr als 79 Flugstunden pro Kalendermonat geleistet werden. Gemäß § 12 Abs. 2 MTV gilt als Flugzeit auch die auf Anordnung im Flugübungsgerät verbrachte Zeit. Damit gelten Simulatorstunden als Flugstunden im Sinne des MTV, denn der in § 20 Abs. 2 MTV verwendete Begriff der „Flugstunde“ hat keine andere Bedeutung als der in § 12 Abs. 2 MTV benutzte Ausdruck „Flugzeit“.

16(1) „Flugzeit“ ist eine allgemeine Bezeichnung des Tatbestandsmerkmals, ohne eine Quantifizierung nach den Einheiten Sekunde, Minute, Stunde oder Tag. Eine „Flugstunde“ ist ein auf einen bestimmten Umfang bezogener Fall der „Flugzeit“, wie § 12 Abs. 3 MTV zeigt, der die Flugzeit nach Stunden in bestimmten größeren Zeitabschnitten (Kalenderjahr, 91 aufeinanderfolgende Tage, Kalendermonat) begrenzt.

17(2) Die Begriffe werden von den Tarifvertragsparteien zum Teil synonym verwendet. Bei der Berechnung der Flugstunden nach § 20 Abs. 1 Buchst. b MTV ist auf bestimmte Blockzeiten abzustellen. Aus der Überschrift zu § 12 MTV ist dabei abzulesen, dass „Blockzeit“ nur ein anderer Ausdruck für „Flugzeit“ ist. Die in einem Luftfahrzeug bei einem regulären Flug absolvierten Flugstunden werden in § 12 Abs. 1 MTV als „Flugzeit“ bezeichnet. § 20 Abs. 3 MTV trägt die Überschrift „Anrechnung von Flugzeiten“, wobei im nachfolgenden Text von „Flugstunden“ bzw. nur von „Stunden“ die Rede ist, die angerechnet werden. Die Protokollnotiz Nr. V verwendet sowohl den Begriff der Flugstunde als auch den der Blockzeit, welche wiederum minutengenau abzurechnen ist.

18(3) Auch im üblichen Sprachgebrauch ist „Stunde“ eine präzisierende Bezeichnung des allgemeinen Begriffs „Zeit“ mit zum Teil synonymer Bedeutung. Aufeinanderfolgende Minuten, Stunden, Tage oder Wochen sind die Abschnitte und Einheiten, die mit dem Begriff „Zeit“ zusammengefasst werden.

19(4) Die wechselnde Verwendung der Begriffe „Flugzeit“ und „Flugstunde“ im MTV ist entgegen der Auffassung der Revision nicht geeignet, hieraus einen von den Tarifvertragsparteien gewollten Bedeutungsunterschied abzuleiten. Vorliegend verbietet es sich umso mehr bei der Auslegung am Buchstaben zu haften, als der MTV erkennbar begriffliche Ungenauigkeiten aufweist. So folgt beispielsweise auf den Abschnitt III „Ansprüche des Mitarbeiters“ sowohl im Inhaltsverzeichnis als auch im fortlaufenden Text des MTV - ohne dass es einen Abschnitt IV gäbe - unmittelbar der Abschnitt V „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“, an welchen sich ein weiterer Abschnitt V „Schlussbestimmungen“ anschließt. Die Bestimmung zur Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall in § 21 Abs. 1 MTV nimmt Bezug auf Vergütungsregelungen in § 10 MTV, womit aber offenkundig § 19 MTV gemeint ist.

20bb) Soweit in § 20 Abs. 1 Buchst. a MTV von „bezahlungswirksamen“ Mehrflugstunden die Rede ist, hat dies keinen eigenen tatbestandlichen Regelungsgehalt für das Entstehen des Anspruchs, sondern setzt einen solchen voraus. § 20 Abs. 1 MTV regelt nach seiner Überschrift die Berechnung der Mehrflugstundenvergütung. Dagegen ist das Entstehen des Anspruchs Gegenstand von § 20 Abs. 2 MTV. Danach wird Mehrflugstundenvergütung nach mehr als 79 Flugstunden pro Kalendermonat gezahlt. Diese übersteigende Flugstundenanzahl ist dann nach Maßgabe der in § 20 Abs. 1 MTV angegebenen Formel „bezahlungswirksam“.

21b) Die Systematik des MTV spricht für die aufgezeigte Wortlautauslegung und bestärkt diese.

22aa) Die Stellung des § 12 Abs. 2 MTV in Abschnitt II „Einsatz und Freizeit“ hindert nicht die Anwendung der dort geregelten Fiktion, dass im Flugübungsgerät auf Anordnung verbrachte Zeit als Flugzeit gilt, auf die Regelung in § 20 Abs. 2 MTV in Abschnitt III „Ansprüche des Mitarbeiters“. Begriffsdefinitionen oder angeordnete Fiktionen in einem Abschnitt eines Tarifvertrags sind auch für die anderen Abschnitte maßgeblich, soweit dort nicht ausdrücklich von einer vorangehenden Definition abgewichen wird. Es kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien einen Begriff im gesamten Tarifvertrag einheitlich verwenden (vgl. ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 TVG Rn. 98).

23bb) Ein ausdrückliches Abweichen von der vorangehenden Definition kann nicht darin gesehen werden, dass in § 20 Abs. 1 Buchst. b MTV von „Flugstunden im Sinne der Ziffer III“ die Rede ist. Dabei mag es sein, dass die Berechnung der Blockzeiten realer Flüge bestimmter Flugzeugtypen nach der Protokollnotiz Nr. V für die Vergütungsregelung in Abschnitt III des MTV von arbeitszeitrechtlichen Regelungen in Abschnitt II des MTV abweicht. Damit wird aber nicht hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass die Fiktionsregelung in § 12 Abs. 2 MTV nicht für § 20 Abs. 2 MTV gelten soll.

24cc) Der MTV stellt die Abschnitte II und III nicht zusammenhanglos nebeneinander. Vielmehr stehen alle Abschnitte des MTV in einer Wechselbeziehung. Abschnitt I des MTV beinhaltet nach seiner Überschrift „Allgemeine Verpflichtungen“. Abschnitt II des MTV, der insbesondere die Arbeitspflichten der Mitarbeiter hinsichtlich ihres zeitlichen Umfangs betrifft, enthält eine Reihe von immer feiner untergliederten Begriffsdefinitionen. Für das Verständnis von Abschnitt III des MTV, der die Ansprüche der Mitarbeiter regelt, ist die Heranziehung von Begriffsbestimmungen aus vorhergehenden Abschnitten erforderlich. Beispielsweise ist die Regelung der zusätzlichen Vergütung für Dead-Head-Stunden in Abschnitt III § 19 Abs. 5 MTV nur unter Hinzuziehung der Regelung in Abschnitt II § 14 MTV verständlich und anwendbar. Die Anwendung der Kündigungsfristenregelung in der Probezeit nach Abschnitt V § 34 Abs. 1 MTV bedarf eines Rückgriffs auf die Probezeitregelung in Abschnitt I § 4 MTV. Die Kündigungsfristenregelung nach der Probezeit in Abschnitt V § 34 Abs. 2 MTV ist ohne die Bestimmung der Betriebszugehörigkeit nach Abschnitt I § 3 MTV nicht anwendbar. In gleicher Weise kann § 20 Abs. 2 MTV nicht ohne § 12 Abs. 2 MTV gelesen werden.

25dd) Dem oben unter I 2 a dargestellten Tarifverständnis steht die Protokollnotiz Nr. V zum MTV nicht entgegen. Diese sieht vor, dass nach ausdifferenzierter Maßgabe grundsätzlich die planmäßige Blockzeit und nicht die tatsächlich geflogene Blockzeit für die Berechnung der Flugstunden maßgeblich ist. Dass die Protokollnotiz Nr. V der Sache nach nur Bedeutung für in bestimmten Flugzeugen absolvierte Flugstunden hat, ist kein Argument dafür, bezüglich des Entstehens des Anspruchs im Sinne von § 20 Abs. 2 MTV nicht auch Flugzeiten (Blockzeiten) nach § 12 Abs. 2 MTV zu berücksichtigen. Einer Berechnungsvorschrift wie der Protokollnotiz Nr. V bedarf es nur für tatsächlich geflogene Flugstunden, da es hier in der Praxis leicht zu Abweichungen zwischen Planung und Durchführung kommen kann. Für die Berechnung der auf Anordnung im Flugsimulator verbrachten Flugzeit ist eine solche Berechnungsvorschrift nicht nötig, da deren Umfang von vornherein feststeht und sich äußere Umstände nicht wie bei einem tatsächlichen Flug hierauf auswirken.

26c) Wenn eine der Tarifvertragsparteien beabsichtigt haben sollte, Simulatorstunden nicht als Flugstunden bei der Mehrflugstundenvergütung zu berücksichtigen, da es sich nicht um „produktive“ Stunden handele, hat dies im MTV jedenfalls keinen Niederschlag gefunden. Das wäre angesichts des übrigen Regelungszusammenhangs aber erforderlich. So sieht der MTV in mehrfacher Weise eine Berücksichtigung von Zeiten als Flugstunden vor, obwohl diese nicht „produktiv“ im Sinne eines Fluges mit einem Luftfahrzeug und zahlenden Passagieren sind. Gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 MTV werden für die Teilnahme an vom Arbeitgeber angeordneten Schulungen (vgl. § 10 Abs. 2 Buchst. g MTV) pro Tag 4,00 Flugstunden angerechnet. Nach § 28 MTV werden - neben der Fortzahlung der Vergütung - 2,63 Flugstunden pro Urlaubstag berücksichtigt. Diese Regelung gilt nach § 30 Abs. 3 Buchst. e MTV auch für Mitglieder der Verhandlungskommission hinsichtlich der Teilnahme an Tarifverhandlungen und für Vorbereitungstage. Die Protokollnotiz Nr. V zum MTV legt als „bezahlungswirksame Flugstunden“ grundsätzlich die planmäßigen Blockzeiten zugrunde, auch wenn die tatsächlich geflogene Blockzeit geringer gewesen sein sollte.

27d) Die Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, dass es Sinn der Regelung in § 19 Abs. 6 MTV sei, durch die dort geregelte zusätzliche Vergütung der Simulatorstunden mit dem doppelten Dead-Head-Stundensatz einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass diese nicht als Flugstunden im Rahmen der Mehrflugstundenvergütung berücksichtigt würden. Dies kann der tarifvertraglichen Regelung nicht entnommen werden.

28aa) Die zusätzliche Vergütung der Simulatorstunden mit dem doppelten Dead-Head-Stundensatz nach § 19 Abs. 6 MTV ist unabhängig davon zu zahlen, ob der Arbeitnehmer im jeweiligen Monat Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung hat, ob ein solcher Anspruch deshalb nicht entsteht, weil die Simulatorstunden insoweit nicht mitgezählt werden oder ob auch bei Berücksichtigung der Simulatorstunden der Schwellenwert von mehr als 79 Flugstunden gemäß § 20 Abs. 2 MTV nicht erreicht wird. Es besteht keine Verknüpfung der Regelung des § 19 Abs. 6 MTV mit der Regelung in § 20 iVm. § 12 Abs. 2 MTV.

29bb) Die Beklagte wendet zu Unrecht ein, es widerspräche dem Sinn der tarifvertraglichen Regelung, wenn eine Simulatorstunde besser bezahlt werde, als eine tatsächliche Flugstunde. Die Tarifvertragsparteien haben vielmehr ausdrücklich eine gegenüber der tatsächlichen Flugstunde bessere Bezahlung der Simulatorstunde vorgesehen, wie die in § 19 Abs. 6 MTV angeordnete „zusätzliche“ Vergütung der Simulatorstunde zeigt. Diese „bessere“ Bezahlung erfolgt insbesondere auch dann, wenn gar keine Mehrflugstunden anfallen und folgt allein aus der Regelung in § 19 Abs. 6 MTV. Im Rahmen der Regelung einer Mehrflugstundenvergütung gemäß § 20 Abs. 2 iVm. § 12 Abs. 2 MTV werden Simulatorstunden hingegen gleichwertig mit tatsächlichen Flugstunden behandelt, aber nicht besser. Im Übrigen werden sogar Dead-Head-Stunden nach § 19 Abs. 5 MTV ab einem bestimmten Umfang besser vergütet, als tatsächliche Flugstunden, obwohl diese weder „produktiv“ noch mit einer besonderen Verantwortung verbunden sind und - anders als die Simulatorstunden nach § 11 Abs. 1 Buchst. f MTV - nicht zur Flugdienstzeit zählen.

30cc) § 19 Abs. 6 MTV stellt keine abschließende gesonderte Vergütungsregelung für Simulatorstunden dar. Der Umstand, dass sie mit dem doppelten Dead-Head-Stundensatz „zusätzlich“ zu vergüten sind, lässt zumindest offen, in welchem Umfang sie im Übrigen zu vergüten sind.

31dd) Ob eine Gleichbehandlung der Simulatorstunden mit tatsächlichen Flugstunden beim Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung sinnvoll ist, wofür die Konfrontation mit einer Häufung schwieriger Flugsituationen im Simulator und die Anspannung angesichts der für die weitere Berufsausübung zu bestehenden Prüfung sprechen könnte, oder ob dies aufgrund der fehlenden Verantwortung für reale Passagiere und die fehlende konkrete Wertschöpfung weniger sinnvoll ist, war vorliegend nicht zu entscheiden. Insoweit steht den Tarifvertragsparteien ein weiter Ermessenspielraum für mögliche Regelungen zu. Da die Simulatorstunden nach § 12 Abs. 2 und Abs. 3 MTV wie reale Flugstunden gezählt werden und damit die Zahl zulässiger „echter“ Flugstunden verringern, ist es jedenfalls kein sachwidriges Auslegungsergebnis, sie auch im Rahmen der Mehrflugstundenvergütung zu berücksichtigen.

32e) Bleiben nach der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, kann auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags zurückgegriffen werden (st. Rspr.,  - Rn. 34 mwN). Da sich bereits aus Wortlaut und Systematik des MTV klar ergibt, dass Simulatorstunden Flugstunden im Sinne von § 20 Abs. 2 iVm. § 12 Abs. 2 MTV sind, ohne dass Sinn und Zweck der Regelung einer solchen Auslegung entgegenstehen, bedarf es vorliegend keines solchen Rückgriffs auf die Tarifgeschichte. Soweit die Formulierung in § 20 Abs. 1 des Vorgängertarifvertrags des MTV, die nicht auf „bezahlungswirksame“, sondern auf „geflogene“ Mehrflugstunden abstellte, als Hinderungsgrund für eine Auslegung in der oben beschriebenen Weise gesehen werden sollte, ist dieses Hindernis im jetzt geltenden MTV jedenfalls entfallen.

333. Die Höhe der dem Kläger von den Vorinstanzen zugesprochenen Mehrflugstundenvergütung bei Berücksichtigung der Simulatorstunden als Flugstunden steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

344. Der Anspruch auf die geltend gemachten Prozesszinsen folgt aus § 291 iVm. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

35a) Als Beginn der Verzinsung ist dabei, anders als von den Vorinstanzen angenommen, nicht auf den Tag der Zustellung der Klage bzw. der Klageerweiterung abzustellen, sondern auf den darauffolgenden Tag (vgl.  - Rn. 36 mwN). Damit können Zinsen erst ab bzw. verlangt werden.

36b) Der Teilbetrag, für den Prozesszinsen ab verlangt werden können, ist - anders als von den Vorinstanzen angenommen - nicht auf die volle Höhe der mit der ursprünglichen Klage verlangten Zahlung von 5.280,00 Euro zu beziehen, sondern nur auf 3.520,00 Euro. In der ursprünglichen Klagesumme war als eigener Streitgegenstand ein Teilbetrag von 1.760,00 Euro Mehrflugstundenvergütung für Simulatorstunden im Mai 2011 enthalten. Diesbezüglich ist die Klage vom Arbeitsgericht rechtskräftig abgewiesen worden. Der sich aus der Klageerweiterung für Simulatorstunden im November 2011 verbunden mit einer Neuberechnung aller Ansprüche ergebende und ab zu verzinsende weitere Teilbetrag umfasst damit 2.298,08 Euro.

37II. Soweit sich die Revision mit ihrem Antrag auf Abweisung der Klage auch gegen den vom Kläger geltend gemachten Abrechnungsanspruch wendet, ist sie erfolgreich. Die diesbezügliche Klage ist unzulässig. Dabei bedarf der Antrag des Klägers der Auslegung.

381. Der Kläger macht offenkundig keinen vertraglichen Abrechnungsanspruch geltend, zu dem er nichts vorgetragen hat. Der Kläger stützt seinen Anspruch auch nicht auf § 19 Abs. 2 Satz 1 MTV. Der Kläger begehrt nicht die dort erwähnten „monatlichen Abrechnungen“, also Abrechnungen der in § 19 Abs. 1 MTV beschriebenen „monatlichen Vergütung“, sondern Abrechnungen hinsichtlich der noch zu zahlenden Vergütungsdifferenz zwischen erhaltener und begehrter Mehrflugstundenvergütung.

392. Der Kläger macht einen Abrechnungsanspruch auch nicht allein aus § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO geltend, wie die Vorinstanzen angenommen haben.

40a) Nach dieser Norm ist dem Arbeitnehmer, wenn ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt besteht, „bei Zahlung“ eine Abrechnung zu erteilen. Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung. Die Regelung dient der Transparenz. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält. Dagegen regelt § 108 GewO keinen selbständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung einer Zahlungsklage (vgl.  - Rn. 13, BAGE 119, 62; - 5 AZR 665/06 - Rn. 18, BAGE 120, 373). § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO gewährt im Falle von Nachzahlungen auch keinen Anspruch auf „Berichtigung“ bereits erteilter Abrechnungen, sondern nur einen Anspruch auf eine eigene Abrechnung über die Nachzahlung (vgl.  - Rn. 28).

41b) Der Kläger hat seinen Antrag auf Erteilung einer Abrechnung im Rahmen der Zahlungsklage - also vor erfolgter Zahlung - geltend gemacht, weshalb er als zur Zeit unbegründet abzuweisen wäre. Eine solche Auslegung des Begehrens des Klägers entspräche aber nicht seinem Willen, wie er auch anlässlich der Revisionsverhandlung erklärt hat. Mit seinem Antrag zu 2. begehrt der Kläger vielmehr die Abrechnungen für die „erfolgenden Zahlungen“. Ein solcher Antrag hat erkennbar Zukunftsbezug. Die Abrechnung soll erst erfolgen, wenn und soweit die Zahlung erfolgt. Demgemäß handelt es sich um eine Klage auf künftige Leistung im Sinne von § 259 ZPO.

423. Ein Antrag auf Abrechnung bei künftig erfolgenden Zahlungen ist aber nur zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Hierfür trägt der Kläger die Behauptungs- und Beweislast (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard 4. Aufl. § 259 Rn. 2, 12; Zöller/Greger 31. Aufl. § 259 Rn. 3). Der Kläger hat jedoch nicht ansatzweise dargelegt, dass zu besorgen sei, die Beklagte werde sich nach erfolgter Zahlung ihrer Abrechnungspflicht entziehen. Hierfür ist auch nichts ersichtlich, zumal die Beklagte in der Vergangenheit offenkundig stets Abrechnungen erteilt hat und einen diesbezüglichen Anspruch des Klägers nach erfolgter Zahlung inhaltlich auch nicht bestreitet.

43III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Bei der Kostenquote war die rechtskräftige erstinstanzliche Abweisung des Anspruchs betreffend der Mehrflugstundenvergütung für den Monat Mai 2011 zu berücksichtigen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:091215.U.10AZR731.14.0

Fundstelle(n):
FAAAF-68844