Instanzenzug:
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten Ö. S. hat die Strafkammer wegen "bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen" eine Jugendstrafe von drei Jahren verhängt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Schuldspruch wegen jeweils eigenständiger Delikte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in den Fällen II.1. bis 4. der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
3Nach den Feststellungen schloss sich der Angeklagte vor dem mit den Mitangeklagten O. und Ö. S. zusammen, um dauerhaft und arbeitsteilig im Raum Hannover Heroin an unterschiedliche Abnehmer zu verkaufen. Aufgabe des Angeklagten war es, die Bestellungen der Abnehmer telefonisch über einen Anruf oder eine Textnachricht (SMS) entgegen zu nehmen und gegenüber diesen die Menge des Heroins, den Preis sowie den Ort und die Zeit der Übergabe zu bestimmen bzw. zu bestätigen. Die Bestellung leitete er - meist als Textnachricht - an die Mitangeklagten weiter. Diese verwalteten die Heroinvorräte, entnahmen nach Erhalt des Lieferauftrages die bestellten Mengen und führten die Geschäfte aus. Auf diese Weise kam es am 8., 15., 22. und (Fälle II.1. bis 4. der Urteilsgründe) zu Drogengeschäften mit dem Zeugen G. , bei denen dieser jeweils fünf Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 4% erwarb. Die Auslieferungen vom 8., 22. und (Fälle II.1., 3. und 4. der Urteilsgründe) nahm der Angeklagte Ö. S. vor, das Geschäft vom führte der Mitangeklagte O. aus. Jedenfalls zu späteren Zeitpunkten verfügte die Gruppe über größere Mengen Heroin. So war es dem Angeklagten im Juni 2014 möglich, dem Zeugen G. nach dessen Anfrage am späten Abend des eine Lieferung von 300 Gramm Heroin zuzusagen und diese am nächsten Vormittag durch den Mitangeklagten O. ausführen zu lassen (Fall II.5. der Urteilsgründe); am 16. und (Fall II.7. der Urteilsgründe) führten die Angeklagten verschiedene Abverkäufe in einer Gesamtmenge von über 75 Gramm Heroingemisch aus, die aus einem einheitlichen zum Abverkauf bereitstehenden Vorrat stammten, der noch weitere 155,21 Gramm Heroingemisch umfasste.
42. Auf dieser Grundlage erweist sich die Wertung der Strafkammer, bei den Fällen II.1. bis 4. der Urteilsgründe handele es sich um vier tatmehrheitliche Delikte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, als rechtsfehlerhaft, weil sie sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die Abverkäufe Teil einer Bewertungseinheit waren.
5Alle Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Menge an Betäubungsmitteln richten, werden als Bewertungseinheit zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens verbunden, weil der Erwerb und der Besitz von Betäubungsmitteln, die zum Zwecke gewinnbringender Weiterveräußerung bereitgehalten werden, bereits den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen. Zu dieser Tat gehören als unselbständige Teilakte alle späteren Veräußerungsgeschäfte, soweit sie dasselbe Rauschgift betreffen (st. Rspr.; vgl. etwa , [...] Rn. 47). Dabei setzt die Annahme einer Bewertungseinheit konkrete Anhaltspunkte dafür voraus, dass bestimmte Einzelverkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren. Die bloße Möglichkeit, dass dies der Fall war, genügt nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine konkrete Zuordnung bestimmter Einzelverkäufe zu einer bestimmten erworbenen Gesamtmenge fehlen. Eine lediglich willkürliche Zusammenfassung ohne ausreichende Tatsachengrundlage kommt nicht in Betracht, auch der Zweifelssatz gebietet in solchen Fällen nicht die Annahme einer einheitlichen Tat (BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 12/12, NStZ 2012, 517 mwN; vom - 3 StR 491/01, NJW 2002, 1810). Bestehen jedoch konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass die in Einzelgeschäften veräußerten Betäubungsmittel aus einem einheitlich erworbenen Vorrat stammten, muss sich der Tatrichter um Feststellungen zu Zahl und Frequenz der Einkäufe sowie die Zuordnung der einzelnen Verkäufe zu ihnen bemühen. Gegebenenfalls ist eine an den Umständen des Falles orientierte Schätzung anhand des Zweifelssatzes vorzunehmen (vgl. , NJW 2002, 1810, 1811).
6Derartige konkrete Anhaltspunkte im vorstehenden Sinne ergeben die vom Landgericht festgestellten Tatumstände: Der Angeklagte verfolgte nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe mit den Betäubungsmittelgeschäften eigene finanzielle Interessen, wobei er bandenmäßig mit den Mitangeklagten verbunden war. Bereits dies legt nahe, dass er schon im Mai 2014 auf die Erzielung einer ausreichenden Handelsspanne durch Großeinkäufe angewiesen war. Dass die Gruppe das Heroin in größeren Mengen erwarb, wird auch durch die Feststellungen zu deren Heroinvorräten gestützt. So war es ihr im Juni 2014 kurzfristig möglich, über 300 Gramm Heroingemisch auszuliefern; auch am 16. und hielten die Angeklagten eine Menge von über 230 Gramm Heroingemisch vorrätig.
7Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen zu einem oder mehreren zwischen den Verkäufen vom 8. bis liegenden Erwerbsgeschäften der Angeklagten getroffen werden könnten. Danach ist - in Anwendung des Zweifelssatzes (vgl. , NStZ 2011, 516, 517) - in den Fällen II.1. bis 4. der Urteilsgründe davon auszugehen, dass diese Verkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge Heroin bestritten wurden und sie damit Teil einer tatbestandlichen Bewertungseinheit waren. Der Angeklagte ist hierdurch nicht beschwert, insbesondere wird durch die Zusammenfassung der Einzelgeschäfte der Grenzwert zur nicht geringen Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) aufgrund einer Addition der Wirkstoffe der einzelnen Handelsmengen nicht überschritten. Dies bedingt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 354 Rn. 12) die Änderung des Schuldspruchs. Bei der Neufassung hat der Senat die Bezeichnung des Handeltreibens als "unerlaubt" entfallen lassen. Dass es sich bei Straftaten nach dem BtMG um einen "unerlaubten" Umgang mit Betäubungsmitteln handelt, versteht sich von selbst, weil das Handeln im Rahmen einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG aufgrund der gegebenen Verwaltungsakzessorietät die Strafbarkeit ausschließt. Dies bedarf deshalb nicht der Tenorierung (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 340/14, [...] Rn. 8; vom - 1 StR 90/14, [...] Rn. 16). Aus Klarstellungsgründen hat der Senat die Schuldsprüche insgesamt neu gefasst.
83. Infolge der Schuldspruchänderung entfallen die Einzelstrafen von jeweils einem Jahr für die Fälle II.2. bis 4. der Urteilsgründe. Für das tateinheitliche Geschehen setzt der Senat (§ 354 Abs. 1 analog StPO) die Einzelstrafe von einem Jahr aus Fall II.1. der Urteilsgründe fest. Der Aufhebung der Gesamtstrafe bedarf es nicht. Angesichts der weiteren Einzelstrafen von fünf Jahren und sechs Monaten (Fall II.5.), fünf Jahren und vier Monaten (Fall II.7.) sowie einem Jahr und sechs Monaten (Fall II.6.) ist auszuschließen, dass die Strafkammer ohne die weggefallenen Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe als die verhängte von sechs Jahren erkannt hätte.
94. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Entscheidung auf den an den Fällen II.1., 3. und 4. der Urteilsgründe beteiligten Mitangeklagten Ö. S. zu erstrecken. Einer Aufhebung der festgesetzten Jugendstrafe bedarf es nicht, da die hierzu angestellten Erwägungen des Landgerichts durch die geänderte rechtliche Bewertung der Einzelverkäufe des Mitangeklagten Ö. S. als ein einheitliches Delikt nicht berührt werden.
105. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
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Fundstelle(n):
EAAAF-68331