Einstellung des Verfahrens; Änderung der Sach- und Rechtslage
Gesetze: § 20 Abs 3 WBO, § 21 Abs 2 S 1 WBO, § 161 Abs 2 S 1 VwGO
Tatbestand
1Gegenstand des Rechtsstreits war der Antrag des Antragstellers, zur Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes zugelassen bzw. in diese Laufbahn übernommen zu werden.
2Der 19.. geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit mit einer zuletzt auf 25 Jahre festgesetzten Dienstzeit, die voraussichtlich mit Ablauf des .. enden wird. Mit Wirkung vom wurde er zum Hauptfeldwebel ernannt. Seit dem .. (Dienstantritt: ..) wird er als S 6-Feldwebel und IT-Sicherheitsfeldwebel Bundeswehr in der 1. ... in C. verwendet.
3Das Amtsgericht S. verurteilte den Antragsteller mit Strafbefehl vom .. (Az.: 3 Cs 898 Js 19191/10), rechtskräftig seit dem .., wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 15,00 €. Zugleich wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen; er erhielt eine Sperre von sieben Monaten für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis.
4Mit Schreiben vom .. beantragte der Antragsteller seine Zulassung zur bzw. seine Übernahme in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes zum Zulassungstermin ... In dem dazu am .. ausgefüllten Bewerbungsbogen verneinte er in Abschnitt D Ziffer 22 die Frage, ob er in einem Strafverfahren rechtskräftig verurteilt oder mit einer anderen Maßnahme (z.B. Strafbefehl) belegt worden sei; ebenso verneinte er die Frage in Abschnitt D Ziffer 24, ob ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Am Ende des Bewerbungsbogens versicherte er, dass er seine Angaben nach bestem Wissen wahrheitsgemäß gemacht habe.
5In der Laufbahnbeurteilung vom .. bescheinigte der nächste Disziplinarvorgesetzte dem Antragsteller eine außergewöhnliche Eignung für den beantragten Laufbahnwechsel. Dieses Votum bestätigte der nächsthöhere Vorgesetzte am ...
6Mit dem angefochtenen Bescheid vom .. lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, dass eine Übernahme in die Laufbahn der Offiziere gemäß § 6 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 SLV nicht möglich sei, weil der Antragsteller zum Übernahmetermin .. die Höchstaltersgrenze des vollendeten 30. Lebensjahres überschritten haben werde. Seine Übernahme in die Laufbahn der Offiziere nach § 29 SLV sei ausgeschlossen, weil zu den Einstellungsterminen 2014 der Bedarf an Offizieren bereits gedeckt sei.
7Die dagegen vom Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom .. eingelegte Beschwerde wies das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - mit Bescheid vom .. zurück. Zur Begründung führte es aus, dass dem Übernahmebegehren des Antragstellers die in § 23 Abs. 1 Nr. 1 SLV geregelte Höchstaltersgrenze des 30. Lebensjahres entgegenstehe. Das vom Antragsteller in Bezug genommene BVerwG 2 C 11.11 - beschränke sich auf die geburtsjahrgangsbezogene Einschränkung des Bewerberfeldes für Berufssoldaten im Militärmusikdienst; es betreffe hingegen nicht die Voraussetzungen für die Einstellung in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes. Eine Übernahme in die angestrebte Laufbahn nach § 29 SLV sei wegen fehlenden Bedarfs und auch deshalb nicht möglich, weil gemäß Nr. 702 ZDv 20/7 der Aufstieg in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes regelmäßig dann ausgeschlossen sei, wenn der Bewerber - wie der Antragsteller - vor Eintritt in die Bundeswehr die allgemeine Hochschulreife erworben habe. Unabhängig davon bestünden in der Person des Antragstellers erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung für die angestrebte Laufbahn. Dies folge aus dem noch nicht tilgungsreifen Strafbefehl vom .. und dem Umstand, dass der Antragsteller - entgegen seiner Verpflichtung aus § 13 SG - im Bewerbungsbogen für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr weder die rechtskräftige Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr noch den Entzug der Fahrerlaubnis angegeben habe.
8Gegen diese ihm am zugestellte Entscheidung beantragte der Antragsteller am die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Den Antrag hat das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - mit seiner Stellungnahme vom dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
9Mit gerichtlicher Verfügung vom sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass sich nach dem Eingang des Verfahrens beim Senat (am ) die für die Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage in mehreren entscheidungserheblichen Punkten geändert habe.
10Daraufhin hat das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - mit Schriftsatz vom erklärt, dass es sich unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichte, das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (Assessmentcenter für Führungskräfte der Bundeswehr) eine Neubescheidung des Antrags des Antragstellers vom .. zum Zulassungstermin vornehmen zu lassen. Einer Erklärung der Erledigung der Hauptsache werde bereits jetzt zugestimmt. Der Belastung mit Verfahrenskosten sei zu widersprechen. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr - ACFüKrBw - hat mit Bescheid vom seinen Ablehnungsbescheid vom .. aufgehoben. Den Aufhebungsbescheid hat das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - dem Senat unter dem übermittelt und erklärt, dass über den Antrag des Antragstellers vom .. auf Zulassung zur bzw. auf Übernahme in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes erneut entschieden werde.
11Der Antragsteller hat mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom den Rechtsstreit ebenfalls in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,
die Kosten des Wehrbeschwerdeverfahrens und des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens dem Bund aufzuerlegen und festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Beschwerdeverfahren notwendig war.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - 1096/14 - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Gründe
13Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 23a Abs. 2 WBO in Verbindung mit 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. z.B. 1 WB 4.08 - m.w.N.).
14Billigem Ermessen entspricht es, die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Aufwendungen zur Hälfte dem Bund aufzuerlegen, weil die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers - das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, über seinen Antrag auf Zulassung zur bzw. auf Übernahme in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden - nach dem bisherigen Sach- und Streitstand als offen einzuschätzen sind (vgl. zum Grundsatz der hälftigen Kostenteilung bei offenen Erfolgsaussichten: 1 WB 66.09 - Rn. 10).
15Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WDS-VR 3.10 -, vom - 1 WB 21.11 - und vom - 1 WB 35.12 - Buchholz 450.1 § 20 WBO Nr. 4 Rn. 17) in der Regel die notwendigen Aufwendungen (vollständig) dem Bund aufzuerlegen, wenn die übereinstimmenden Erledigungserklärungen darauf beruhen, dass der Antragsteller klaglos gestellt worden ist, indem das Bundesministerium der Verteidigung oder die in seinem Auftrag handelnde Stelle der Bundeswehr aus eigener Veranlassung dem mit dem Rechtsschutzantrag verfolgten Begehren stattgegeben hat. Resultiert dieses Nachgeben bei gleichgebliebener Sach- und Rechtslage allein aus einer geänderten Rechtsauffassung des Entscheidungsträgers der Bundeswehr, ist es billig, den Bund mit sämtlichen Aufwendungen des jeweiligen Antragstellers zu belasten (stRspr, z.B. 1 WB 60.13 - juris Rn. 13).
16Die letztgenannte Voraussetzung ist im Fall des Antragstellers indessen nicht erfüllt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat sich nur deshalb zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide und zu der vom Antragsteller angestrebten Neubescheidung seines Antrags auf Zulassung zur bzw. Übernahme in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes verpflichtet, weil sich die für die gerichtliche Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage unmittelbar nach der am eingetretenen Rechtshängigkeit des Verfahrens in mehreren entscheidungserheblichen Punkten geändert hat.
17Dies folgt zunächst aus dem Umstand, dass das , 2 BvR 1989/12 - die Einstellungshöchstaltersgrenze im öffentlichen Dienst für verfassungswidrig erklärt hat. Die entgegenstehende Rechtsprechung des 2. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts wurde aufgehoben. Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob die für Soldaten in § 23 Abs. 1 Nr. 1 SLV geregelte Einstellungshöchstaltersgrenze, die in Verbindung mit § 6 Abs. 2 SLV den angefochtenen Bescheiden zugrunde lag, mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar ist. Überdies kann seit dem dem Übernahmebegehren des Antragstellers nicht mehr die Ausschlussregelung in Nr. 702 ZDv 20/7 entgegengehalten werden, weil sie in der seit diesem Tag gültigen Nachfolgeregelung ZDv A-1340/49 "Beförderung, Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Soldaten" nicht mehr enthalten ist. Außerdem ist im August 2015 gemäß § 45 Abs. 1, § 46 Abs. 1 Nr. 1a und § 47 Abs. 1 BZRG für den Strafbefehl des Amtsgerichts S. vom .. Tilgungsreife eingetreten. Die Dokumente der Bedarfsträger der Teilstreitkräfte über den Ergänzungsbedarf in der angestrebten Laufbahn für den Zulassungs- bzw. Übernahmetermin sind (erst) im Juni 2015 in das gerichtliche Verfahren eingeführt worden. Nicht zuletzt hatte sich der ursprünglich gewünschte Zulassungs- bzw. Übernahmetermin .. schon bei Erlass des Beschwerdebescheids des Bundesministeriums der Verteidigung erledigt. Angesichts des Verpflichtungsbegehrens des Antragstellers war dessen Sachantrag zulässigerweise (vgl. 1 WB 19.14 - juris Rn. 15 m.w.N.) auf den als den nächst erreichbaren Zulassungs- bzw. Übernahmetermin zu beziehen. Deshalb und angesichts des Wegfalls der Regelung in Nr. 702 ZDv 20/7 müsste eine aktuelle Bedarfsprüfung nunmehr von dem regulären Ergänzungsbedarf bzw. von den regulären Übernahmemöglichkeiten zum ausgehen. Außerdem ist die Entscheidung über die charakterliche Eignung des Antragstellers für die angestrebte Laufbahn zu aktualisieren.
18Diese veränderte Sach- und Rechtslage, die den Verfahrensbeteiligten in der gerichtlichen Verfügung vom dargelegt worden ist, hat das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - bewogen, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Selbstverpflichtung auszusprechen, eine Neubescheidung des Zulassungs- bzw. Übernahmebegehrens des Antragstellers zum durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr zu veranlassen. Dieses hat den angefochtenen Ausgangsbescheid mit Bescheid vom aufgehoben.
19Daher ist eine vollständige Kostenbelastung des Bundes nicht geboten.
20Die hälftige Kostenquotelung resultiert daraus, dass offen ist, ob das Neubescheidungsbegehren des Antragstellers ohne Erledigung der Hauptsache hätte Erfolg haben können.
21Unabhängig von der Frage, ob die dem Zulassungsbegehren des Antragstellers entgegengehaltene Höchstaltersgrenze des vollendeten 30. Lebensjahres (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 SLV) mit Verfassungsrecht vereinbar ist, lässt sich zur Zeit nicht abschließend beurteilen, ob und mit welchen Maßgaben für den Termin ein aktueller Ergänzungsbedarf oder aktuelle Übernahmemöglichkeiten für Laufbahnwechsel-Bewerber wie den Antragsteller bestehen. Ob dem Antragsteller im Hinblick auf seine unrichtigen Angaben zum Strafbefehl des Amtsgerichts S. und zur Entziehung der Fahrerlaubnis die charakterliche Eignung für die strittige Laufbahn abzusprechen ist, hat das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr bei der Neubescheidung im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums zu bewerten; seine Einschätzung kann nicht vom Senat getroffen werden.
22Über den Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren für notwendig zu erklären, ist im Rahmen eines Einstellungs- und Kostenbeschlusses nach § 20 Abs. 3 WBO nicht zu entscheiden. Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Rechtsanwalts ist nicht Teil der vom Gericht zu treffenden Kostengrundentscheidung, sondern gehört in das Verfahren der Kostenfestsetzung, für das der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig ist (stRspr, vgl. z.B. 1 WB 53.14 - juris Rn. 21 m.w.N.). Eine von dieser Zuständigkeitsverteilung abweichende Regelung wie in § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO kennt die Wehrbeschwerdeordnung nicht.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2016:150116B1WB9.15.0
Fundstelle(n):
KAAAF-67746