Instanzenzug: S 13 R 754/14
Gründe:
1Das LSG Rheinland-Pfalz hat im Urteil vom einen Anspruch des Klägers im Zugunstenverfahren auf höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auch für Rentenbezugszeiträume, die zu Beginn des Jahres, in dem er den Überprüfungsantrag stellte, schon länger als vier Jahre zurücklagen ( bis ), verneint, da die Vorschrift des § 44 Abs 4 SGB X einen solchen Anspruch ausschließe.
2Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil ausschließlich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
3Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat eine grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 1 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
4Hierfür ist eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4 - jeweils mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f, Nr 16 RdNr 4 f, Nr 24 RdNr 5 ff).
5Das Vorbringen des Klägers genügt diesen Anforderungen nicht. Er benennt folgende Fragen als grundsätzlich bedeutsam:
6(1) "Wann und unter welchen Voraussetzungen die Berufung der Behörde auf die vier-Jahresfrist im Rahmen von § 44 Abs. 4 SGB X gegen Treu und Glauben verstoßen oder aber verwirkt sein kann";
(2) "Handelt es sich um einen Anwendungsfall des § 44 SGB X oder vielmehr des § 38 SGB X, wenn in einem Versicherungsverlauf vorhandene Zeiten nicht ergänzt, sondern lediglich in ihrer Zuordnung geändert werden?"
7Zu Frage (1) führt er weiter aus, das BSG habe in der Entscheidung vom (B 14 AS 56/08 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 1) bereits zur Verwirkung eines Antragsrechts nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Stellung genommen. Hier gehe es jedoch um die Anwendung dieses Grundsatzes "für den Fall der Berufung auf eine Verjährung". Die Frage, ob es einer Behörde verwehrt sein kann, sich auf die Verjährungsfrist zu berufen, bekomme ihre Relevanz auch durch den Umstand, dass sich der aufgetretene Fehler letztlich nur aufgrund einer für den Kläger durchgeführten Beratung gezeigt habe. Sie sei klärungsbedürftig, weil sich das ) mit der Begrenzung einer rückwirkenden Leistungserbringung nur unter dem Aspekt des Art 3 Abs 1 GG befasst habe.
8Es kann hier offenbleiben, ob Frage (1) eine abstrakt-generelle Rechtsfrage iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet, die im Grundsatz mit "ja" oder "nein" beantwortet werden kann (s hierzu - JurionRS 2015, 30556 RdNr 7 mwN). Jedenfalls ist die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht dargetan. Hierfür ist der Vortrag, dass sich das Urteil des 5. Senats des - SozR 4-5075 § 3 Nr 1) mit dieser Frage nicht befasse, nicht ausreichend. Der Kläger hätte vielmehr - naheliegend - auch das unmittelbar vorangegangene grundlegende Urteil des 13. Senats vom (B 13 R 40/11 R - BSGE 110, 97 = SozR 4-5075 § 3 Nr 2) darauf untersuchen müssen, ob die Frage dort schon beantwortet ist. In jenem Urteil ist ua ausgeführt: "Auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht der Anwendung des § 44 Abs 4 SGB X nicht entgegen. Denn § 44 Abs 4 SGB X ist beim Vorliegen seiner Voraussetzungen ohne weiteres anwendbar, ohne dass der Leistungsträger eine Einrede zu erheben bräuchte und vor allem ohne dass gegen die Anwendung der Vorschrift der Einwand unzulässiger Rechtsausübung oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben geltend gemacht werden könnte" (aaO RdNr 37 - mit Nachweisen zur Rspr des BSG). Inwiefern darüber hinaus weiterer bzw erneuter Klärungsbedarf bestehen könnte, hat der Kläger nicht aufgezeigt.
9Zu Frage (2) erläutert der Kläger, die Korrektur des Rentenbescheids vom zu seinen Gunsten beruhe auf dem Umstand, dass von den im Versicherungsverlauf enthaltenen Zeiten seiner Berufsausbildung im Umfang von 42 Kalendermonaten "bei der Ermittlung der Gesamtleistungen" lediglich 36 Kalendermonate berücksichtigt worden seien. Mithin seien im Versicherungsverlauf bereits enthaltene Zeiten hinsichtlich der Frage der Zuordnung zur Ausbildung falsch bewertet worden. Dies werfe die Frage auf, ob es sich um einen Fall der unrichtigen Anwendung des Rechts iS von § 44 Abs 1 SGB X oder um eine - jederzeit zu berichtigende - offenbare Unrichtigkeit iS von § 38 SGB X handele. Die Frage, wie in einem solchen Fall die Abgrenzung zwischen § 38 SGB X und § 44 SGB X zu erfolgen habe, sei höchstrichterlich noch nicht entschieden.
10Selbst wenn dies zutreffen sollte (s aber 5a RKn 2/83 - Juris RdNr 13 f; in SozR 1200 § 34 Nr 18 insoweit nicht abgedruckt), hat der Kläger die Klärungsfähigkeit dieser Frage in dem von ihm erstrebten Revisionsverfahren nicht hinreichend aufgezeigt. Die bloße - nicht näher begründete - Behauptung, dass diese Rechtsfrage für den vorliegenden Sachverhalt entscheidungserheblich sei, genügt nicht. Denn die Frage einer Abgrenzung der Anwendungsbereiche einer Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten im Verwaltungsakt nach § 38 SGB X einerseits und der Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts nach § 44 SGB X andererseits kann sich nur dann entscheidungserheblich stellen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen beider Normen erfüllt sind. Hierzu gehört im Rahmen von § 38 S 1 SGB X, dass eine "offenbare Unrichtigkeit" vorliegt. Es wird aus dem Vortrag des Klägers aber nicht ersichtlich, weshalb der dem ursprünglichen Rentenbescheid vom zugrunde liegende Fehler bei der Ermittlung des Umfangs beitragsgeminderter Zeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung (vgl § 71 Abs 2, Abs 3 S 1 Nr 2 sowie S 2 SGB VI) für einen verständigen Leser des Bescheids offensichtlich gewesen sein könnte (s hierzu - BSGE 67, 70, 71 = SozR 3-1300 § 38 Nr 1 S 2 f). Das gilt umso mehr, als der Kläger an anderer Stelle (Beschwerdebegründung S 3 Abs 3) selbst geltend macht, dieser Fehler sei nur aufgrund einer für ihn durchgeführten Beratung erkennbar gewesen.
11Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
12Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
13Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstelle(n):
LAAAF-67173