Instanzenzug: S 11 R 376/06
Gründe:
1Das LSG Niedersachsen-Bremen hat im Urteil vom einen Anspruch der 1969 geborenen Klägerin auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung verneint. Auf Grundlage der durchführbaren sozialmedizinischen Ermittlungen lasse sich nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststellen, dass sie nicht mehr in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. An weitergehender Aufklärung habe die Klägerin nicht mitgewirkt, denn sie sei trotz Belehrung über die Folgen zu einem Untersuchungstermin bei dem Sachverständigen Dr. S. (Lungenarzt) ohne ausreichende Entschuldigung nicht erschienen. Das gehe nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu ihren Lasten.
2Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ausschließlich Verfahrensmängel geltend.
3Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
4Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; Nr 21 RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 202 ff). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).
5Das Vorbringen der Klägerin wird den genannten Anforderungen nicht gerecht:
61. Sie rügt zunächst, das LSG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 128 Abs 2 SGG, Art 103 Abs 1 GG) verletzt, weil es die Atteste ihrer Hausärztin Dr. B. vom und vom , denen zufolge sie vom 9. bis arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und aus diesem Grund den Begutachtungstermin vom bei Dr. S. nicht habe wahrnehmen können, als "Gefälligkeitsbescheinigungen" bewertet, deshalb unberücksichtigt gelassen und damit die Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung überschritten habe.
7Mit diesem Vorbringen behauptet die Klägerin nicht, dass das LSG die von ihr vorgelegten Atteste überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hätte. Vielmehr macht sie geltend, das LSG habe sich mit den Attesten auseinandergesetzt, diese aber aus unzutreffenden Gründen als nicht beweiskräftig bewertet. Das enthält keinen schlüssigen Vortrag einer Gehörsverletzung. Denn die Behauptung, das Gericht habe den vorgetragenen tatsächlichen oder rechtlichen Umständen nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen, vermag grundsätzlich keinen Verstoß gegen Art 103 Abs 1 GG zu begründen (BVerfG [Kammer] Beschluss vom - 2 BvR 1586/15 - Juris RdNr 4). Die genannte Verfassungsvorschrift gibt den Beteiligten keinen Anspruch darauf, mit ihrem Vorbringen auch in der Sache durchzudringen bzw "erhört" zu werden (BVerfG [Kammer] Beschluss vom - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13). Mit der Rüge des Überschreitens der Grenzen richterlicher Beweiswürdigung kann die Klägerin im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 iVm § 128 Abs 1 S 1 SGG von vornherein nicht gehört werden ( - Juris RdNr 12 mwN).
82. Zudem beanstandet die Klägerin, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, weil das LSG wesentliches Vorbringen von ihr nicht in Erwägung gezogen habe. Welches Vorbringen das Berufungsgericht völlig übergangen haben soll, zeigt sie jedoch nicht auf. Soweit sie in diesem Zusammenhang erneut darauf abstellt, dass das LSG den Attesten der Dr. B. keinen Glauben geschenkt habe, beschreibt dies - wie oben bereits ausgeführt - keinen Gehörsverstoß.
93. Weiterhin macht die Klägerin geltend, ein Gehörsverstoß liege auch darin, dass sie von der Rechtsauffassung des LSG, den Attesten der Dr. B- könne kein Glauben geschenkt werden, überrascht worden sei. Allein dies enthält keinen schlüssigen Vortrag einer Gehörsverletzung in Gestalt einer Überraschungsentscheidung. Hierzu hätte näher dargelegt werden müssen, weshalb die Klägerin bei Anwendung der von ihr zu verlangenden Sorgfalt nach dem bisherigen Prozessverlauf mit einer solchen Bewertung der Atteste durch das Berufungsgericht nicht zu rechnen brauchte (vgl - BVerfGE 84, 188, 190; BVerfG [Kammer] Beschluss vom - 1 BvR 1633/09 - Juris RdNr 11). Entsprechenden Vortrag enthält die Beschwerdebegründung nicht. Vielmehr weist die Klägerin an anderer Stelle selbst darauf hin, dass bei Anerkennung der von ihr im Herbst 2014 vorgelegten Atteste weitere Sachaufklärung hätte erfolgen müssen, die aber bis zur mündlichen Verhandlung im Juli 2015 nicht erfolgt sei. Eine berechtigte Überraschung der in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretenen Klägerin erschließt sich daraus nicht.
104. Soweit die Klägerin eine Verletzung der richterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) rügt, hat sie keinen Beweisantrag bezeichnet, dem das LSG nicht gefolgt sei, obwohl sie ihn bis zum Schluss aufrechterhalten habe (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG). Die gesetzlichen Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge können nicht dadurch umgangen werden, dass sie in Gestalt einer Gehörsrüge vorgebracht wird (stRspr, vgl - Juris RdNr 13 mwN).
115. Wenn die Klägerin schließlich als Verfahrensmangel rügt, dass das LSG die Regelung in § 65 Abs 1 Nr 1 SGB I fehlerhaft angewandt habe, so macht sie keinen Mangel im Verfahren auf dem Weg zur Entscheidung (sog "error in procedendo"), sondern vielmehr die inhaltliche Fehlerhaftigkeit des LSG-Urteils geltend. Allein der Umstand, dass die Klägerin die Entscheidung des LSG in der Sache für falsch hält, reicht nicht aus, um den Zugang zur Revisionsinstanz zu eröffnen (vgl - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10; - BeckRS 2015, 67464 RdNr 3).
12Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
13Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
14Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstelle(n):
UAAAF-66694