Verfall von Wertersatz: Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung im Härtefall
Gesetze: § 73c Abs 1 S 2 Alt 1 StGB
Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth Az: 7 KLs 356 Js 10893/15
Gründe
11. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen bewaffneten unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Gleichzeitig wurden die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit einem Vorwegvollzug von zwei Jahren sowie der Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 € angeordnet.
2Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch sowie in Bezug auf die Anordnung der Maßregel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Rechtsmittel hat aber Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), soweit das Landgericht den Verfall von Wertersatz angeordnet hat.
32. Die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4a) Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte aus den drei Einfuhrtaten 4.550 € erlangt hat, indem er 70 Gramm des eingeführten Betäubungsmittels zu je 65 € verkaufte. Zutreffend ist es auch davon ausgegangen, dass die gesamte Summe, also ohne Abzug von Einkaufspreis und sonstigen Aufwendungen dem Verfall unterliegt (, BGHSt 51, 65 f. mwN).
5Soweit das Landgericht aber auch die Summe von 650 € dem Verfall unterwirft, die die Mittäterin der Einfuhrtaten aus dem Verkauf ihres Anteils erlangt haben soll, ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte für oder aus der Tat etwas erlangt hat. „Aus der Tat erlangt” i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 368/15 und vom – 5 StR 371/00, NStZ 2001, 155, 156 f.; Urteil vom – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246 Rn. 92; Fischer, StGB 63. Aufl., § 73 Rn. 11 mwN). „Für die Tat erlangt” i.S.v. § 73 Abs.1 Satz 1 StGB sind dagegen Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, aber – wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung – nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen (vgl. , BGHSt 50, 299, 309 f. und vom – 1 StR 336/11, StV 2012, 151; Fischer, aaO Rn. 12 mwN). Weder die eine noch die andere Voraussetzung ist hier dargetan. Schon daher konnte die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 5.000 € keinen Bestand haben.
6b) Darüber hinaus begegnet auch die Anwendung der Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB durchgreifenden Bedenken. So ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Wert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist. Es hat teilweise gemäß § 73c Abs.1 Satz 2 StGB von der Anordnung von Verfall von Wertersatz abgesehen, da dies den Angeklagten unangemessen hart treffen würde und auch unter dem Gesichtspunkt der Honorierung des Geständnisses des Angeklagten vertretbar sei.
7Wie vom Landgericht im Ansatz rechtsfehlerfrei gesehen, bildet die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB das im Einzelfall notwendige Korrektiv zum Bruttoprinzip. So eröffnet § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB dem Tatrichter die Möglichkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen ganz oder teilweise vom Verfall abzusehen, wenn und soweit „der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist“. Die Ausübung dieses dem Tatrichter eingeräumten Ermessens erfordert aber neben der Feststellung des aus der Straftat Erlangten, vor allem auch die Ermittlung des Wertes des noch vorhandenen Vermögens, um diese Werte einander gegenüber stellen zu können (). Deshalb scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von vorneherein aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem „verfallbaren“ Betrag zurück bleibt (, BGHSt 51, 65). Dies vermag der Senat jedoch nicht zu beurteilen, da sich den Urteilsgründen keinerlei Feststellungen zum Stand des Vermögens des Angeklagten zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils entnehmen lassen. Damit wurden die zur Ausübung der Ermessensentscheidung notwendigen Grundlagen durch das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Inwieweit es mit dem Sinn und Zweck des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB, etwaige Härten auszugleichen – in erster Linie seine Resozialisierung nach längeren Haftstrafen durch häufig nicht beitreibbare Geldansprüche gravierend zu erschweren –, vereinbar ist, im Rahmen der zu treffenden Ermessenentscheidung zu Gunsten des Angeklagten auch dessen Geständnis zu berücksichtigen (so , BGHSt 48, 40 - 43), kann hier offen bleiben, zumal diese Erwägung den Angeklagten nicht beschwert.
83. Die Sache bedarf daher neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung über die Frage des Wertersatzverfalls gemäß §§ 73, 73a und 73c StGB. Der Senat hebt die zugehörigen Urteilsfeststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht hierzu neue, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
Raum Graf Cirener
Radtke Bär
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:140116B1STR615.15.0
Fundstelle(n):
CAAAF-66635