Instanzenzug: S 14 SB 428/12
Gründe:
I
1In den verbundenen Hauptsachen L 3 SB 52/14 und L 3 SB 53/14 ist die Erledigung einer Untätigkeitsklage nach Erlass eines Widerspruchsbescheids streitig, ferner die Feststellung der Merkzeichen B, aG und RF und der insoweit in Betracht kommende Zeitraum der Zuerkennung.
2Bei der Klägerin waren zuletzt ein GdB von 80 anerkannt sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für Merkzeichen G, nicht hingegen die für die Merkzeichen B, aG und RF (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Das hiergegen gerichtete Klageverfahren S 18 SB 1040/10 vor dem SG München erklärten die Beteiligten am übereinstimmend für erledigt, nachdem der Beklagte eine zeitgerechte Vorbescheidung des Antrags auf Neufeststellung für die Zukunft zugesagt hatte.
3Die Neufeststellung endete mit der Versagung der begehrten Merkzeichen (Bescheid vom ). Ein Widerspruchsbescheid erging zunächst nicht. Hiergegen erhob die Klägerin am Klage vor dem SG München unter S 14 SB 428/12, die sie nach Hinweis des Gerichts auf die derzeitige Unzulässigkeit als Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 2 SGG konkretisierte. Nach Erlass des Widerspruchbescheids vom wertete das SG den zum Verfahren S 14 SB 428/12 weiter verfolgten Sachantrag als Klage gegen den Widerspruchsbescheid und trug sie unter S 14 B 1195/12 ein. Diese Klage wies das SG wegen der begehrten rückwirkenden Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen ab nach Erledigung des diesbezüglichen Klageverfahrens S 18 SB 1040/10 als unzulässig und wegen eingeschränkter Ermittlungsmöglichkeiten im Übrigen als unbegründet ab (Urteil vom ). Im Verfahren S 14 SB 428/12 wies das SG die Klage insgesamt als unzulässig ab. Soweit auch hier - ausweislich des Sitzungsprotokolls vom - die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen begehrt werde, stehe der Einwand der Rechtshängigkeit entgegen, soweit die Klage als Untätigkeitsklage geführt worden sei, deren Erledigung durch Erlass des Widerspruchsbescheids vom . Für die aufrechterhaltene Untätigkeitsklage fehle inzwischen das Rechtsschutzbedürfnis (Urteil vom ).
4Das LSG hat die verbundenen Berufungen angesichts fehlender Bereitschaft zur Begutachtung und nach versorgungsärztlicher Auswertung der von der Klägerin überlassenen medizinischen Unterlagen zurückgewiesen. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren erneut die rückwirkende Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen B, aG und RF verlange, seien die diesbezüglichen Bescheide Gegenstand des Verfahren S 18 SB 1040/10 gewesen (Urteil vom ).
5Mit ihrer Beschwerde, für die sie PKH beantragt, wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
61. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). Weder die Beschwerdebegründung noch die Aktenlage lassen bei der gebotenen summarischen Prüfung die erforderliche Erfolgsaussicht erkennen.
7Hinreichende Erfolgsaussicht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmsOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen lässt sich nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des LSG-Urteils und des Vortrags der Klägerin keiner feststellen.
8Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall der Klägerin hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Beschwerdebegründung weist zwar auf die abstrakte Möglichkeit einer Grundsatzrüge hin, führt aber keine Umstände an, die eine Grundsatzproblematik nahelegen könnten. Solche sind auch nach Aktenlage nicht ersichtlich.
9Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmsOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Soweit die Beschwerdebegründung auf höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Maßstäben bei der Feststellung des GdB verweist ( - SozR 4-3250 § 69 Nr 10), ist anzumerken, dass die Feststellung eines GdB nicht streitgegenständlich ist. Soweit sie weiter auf die Rechtsprechung des BSG zum Merkzeichen aG und RF Bezug nimmt ( B 9a SB 1/06 R; - SozR 4-3250 § 69 Nr 14), zeigen die Entscheidungsgründe des LSG-Urteils lediglich das Fehlen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen in tatsächlicher Hinsicht auf, ohne indessen die Senatsrechtsprechung infrage zu stellen.
10Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass die Klägerin einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entscheidungsrelevante Verfahrensmängel sind weder von der Klägerin geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
11Die Klägerin trägt zunächst sinngemäß vor, das LSG sei in mehrfacher Hinsicht verfahrensfehlerhaft vorgegangen, indem es von der - teilweisen - Unzulässigkeit der Klagen ausgegangen sei ohne vollumfänglich in der Sache zu entscheiden (vgl zum Verfahrensfehler bei Prozessentscheidung anstelle einer gebotenen Sachentscheidung , juris RdNr 20). Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang meint, die am eingereichte Klage sei weder unzulässig noch als Untätigkeitsklage zu behandeln, sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass angesichts des von der Klägerin zitierten § 88 Abs 2 SGG zunächst eine Untätigkeitsklage erhoben wurde, die mit der Erteilung des Widerspruchsbescheids vom erledigt war (vgl Jaritz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 88 RdNr 84 ff mwN). Ebenso sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin sodann ihr Sachanliegen zulässigerweise unter neuem Aktenzeichen als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage fortgeführt hat und deshalb das Verfahren S 14 SB 428/12 durch entsprechende Erklärung prozessual zu Ende hätte gebracht werden müssen. Soweit die Klägerin zusätzlich parallele Sachanträge im Verfahren unter S 14 SB 428/12 gestellt hat, stand dieser Klage allerdings der Einwand der Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) entgegen. Soweit die Klägerin ferner meint, das Klageverfahren S 18 SB 1040/10 sei nicht erledigt gewesen und die die dort streitigen Bescheide vom und weiterhin Streitgegenstand (§ 123 SGG), übersieht sie, dass die übereinstimmende Erledigungserklärung das Klageverfahren beendet (vgl ) und zur Bestandskraft der genannten Bescheide geführt hat (§ 77 SGG), und zwar auch dann, wenn die zugesagte Neubescheidung nicht zu ihren Gunsten ausgefallen ist.
12Die Klägerin trägt weiter vor, das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) verletzt, weil es nicht von sämtlichen Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht habe, die vernünftigerweise in Betracht zu ziehen waren. Damit kann die Klägerin indes nicht durchdringen. Denn einen Zulassungsgrund bildet im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nur der übergangene Beweisantrag, für den sich kein ausreichender Anhalt ergibt, nachdem die Klägerin ihre Zustimmung zu einer näheren Aufschluss über ihre gesundheitlichen Verhältnisse ermöglichenden Untersuchung und Begutachtung nicht erteilt hat. Soweit die Klägerin in diesem Kontext anführt, das LSG habe die in der Berufungsbegründung vom vorgebrachten medizinischen Tatsachen nicht zur Kenntnis genommen, übersieht sie, dass das Gericht zunächst einmal die Gelegenheit bekommen muss, diese für alle Beteiligten verbindlich festzustellen. Die zugleich erhobene Gehörsrüge (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG; Art 47 Abs 2 S 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention) kann deshalb voraussichtlich ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg haben. Denn für den Erfolg einer Gehörsrüge ist Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich in relevanter Weise rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Daran fehlt es nach den vorherigen Ausführungen.
13Schließlich spricht auch nichts dafür, dass der unter Hinweis auf zahlreiche Normen des Verfassungsrechts behauptete Verstoß gegen das Fairnessgebot vorliegen könnte. Denn die von der Klägerin angeführten internen Absprachen des Sozialgerichts lassen sich nach Aktenlage nicht näher belegen und erscheinen schon deshalb nicht geeignet, auf die allein anfechtbare Entscheidung des LSG durchzugreifen.
14Der Antrag auf PKH ist daher abzulehnen. Damit entfällt zugleich auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO).
152. Die Beschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG), weil sie nicht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt und begründet worden ist (§ 73 Abs 4 iVm § 160a Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 SGG).
163. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
174. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstelle(n):
RAAAF-49095