BSG Beschluss v. - B 4 AS 645/15 B

Instanzenzug: S 43 AS 1043/11

Gründe:

I

1Streitig ist eine endgültige Festsetzung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Monat September 2010 und deren Rückforderung in Höhe von 111,94 Euro.

2Der Kläger lebte im streitigen Monat mit seiner Partnerin, der Beschwerdeführerin zu 1 im Parallelverfahren zu dem Aktenzeichen B 4 AS 644/15 B, und der gemeinsamen Tochter, der Beschwerdeführerin zu 2 in dem Parallelverfahren zu dem soeben benannten Aktenzeichen, in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie bezogen vorläufige aufstockende Leistungen von dem Beklagten, da der Kläger Erwerbseinkommen in wechselnder Höhe erzielte. Der Beklagte stellte durch Bescheid vom 30.9.2010 fest, dass der Kläger wegen einer Auszahlung von Erwerbseinkommen im Monat September einen niedrigeren als den vorläufig beschiedenen Leistungsanspruch habe und verfügte eine Rückforderung. Dem Bescheid war ein Berechnungsbogen beigefügt. Den Erstattungsbetrag reduzierte der Beklagte auf den Widerspruch des Klägers durch Bescheid vom 22.2.2011. Auch diesem Bescheid war ein Berechnungsbogen beigefügt. Den weitergehenden Widerspruch des Klägers wies er durch Widerspruchsbescheid vom 23.2.2011 zurück. Die Klage hiergegen war vor dem SG mit der Begründung erfolgreich, die angefochtenen Bescheide seien nicht hinreichend bestimmt (Urteil vom 30.10.2014). Das LSG hat der Berufung des Beklagten hiergegen stattgegeben und das Urteil des SG aufgehoben. Die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe für die Bestimmtheit von Verwaltungsakten iS des § 33 SGB X seien auf endgültige im Falle vorhergehender vorläufiger Entscheidungen iS der §§ 40 SGB II iVm 328 SGB III zu übertragen. Unter Heranziehung dieser Maßstäbe erwiesen sich die angefochtenen Bescheide als hinreichend bestimmt. Wenn auch die Anforderungen an die Bestimmtheit endgültiger Entscheidung nach einer vorläufigen Entscheidung nicht hinter den allgemein entwickelten Maßstäben zurückbleiben dürfe, so sei bei einer endgültigen Entscheidung nach einer vorläufigen Leistungsbewilligung notwendigerweise immer ein zusätzlicher Bescheid vorhanden, der zur Auslegung herangezogen werden könne. Die Leistungen seien auch der Höhe nach vom Beklagten zutreffend endgültig festgesetzt worden (Urteil vom 23.9.2015).

3Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem zuvor bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit der Beschwerde an das BSG. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und rügt Divergenz zwischen der Entscheidung des LSG und Entscheidungen des BSG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

II

4Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

5Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 12, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

6Der Kläger formuliert zwar die Rechtsfrage, welche Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines Bescheides zu stellen seien, mit dem eine endgültige Leistungsfestsetzung iS des § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II iVm § 328 Abs 3 S 1 SGB III erfolge. Es gelingt ihm jedoch nicht, die abstrakte Klärungsbedürftigkeit durch höchstrichterliche Rechtsprechung darzulegen. So benennt er zwar zahlreiche Entscheidungen des BSG zu der Vorschrift des § 328 SGB III aus den Bereichen des Arbeitsförderungsrechts sowie des Rechts der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die sich mit der Vorschrift des § 328 SGB III befassen. Er legt auch dar, dass es bisher an Äußerungen des BSG zu den Bestimmtheitsanforderungen an endgültige Bescheide nach vorläufiger Leistungsbewilligung mangele und arbeitet einen Teil der Kommentarliteratur zu dieser Frage auf. Er setzt sich jedoch nicht mit der Argumentation des LSG auseinander, dass für die Bestimmtheit von diesen Bescheiden keine anderen Maßstäbe anzulegen seien, als an die Bestimmtheit anderer Bescheide. Hierzu liegt jedoch eine umfassende Rechtsprechung des BSG vor. So hat der erkennende Senat am 10.9.2013 (B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, RdNr 15) unter Hinweis auf zahlreiche weitere Entscheidungen des BSG ( - SozR 4-1300 § 33 Nr 1, RdNr 16; - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13; - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16; - RdNr 18; - BSGE 108, 289 ff = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31; - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 16; - SozR 4-1300 § 45 Nr 12, BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 33 Nr 3, SozR 4-4200 § 11 Nr 61, RdNr 26; - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38) befunden: "Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz der Entscheidung als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes. Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten. Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss". Insoweit mangelt es jedoch an Darlegungen des Klägers, dass und warum die dortigen Maßstäbe auf die hier streitige Art der Leistungsfestsetzung nicht übertragbar seien und sich die aufgeworfene Rechtsfrage gleichwohl nicht beantworten lasse.

7Auch die formgerechte Darlegung der Divergenzrüge gelingt ihm nicht. Zur Begründung erforderlich ist insoweit, dass in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, zumindest so bezeichnet wird, dass sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Ferner ist deutlich zu machen, worin die Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muss darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss einen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Es reicht hingegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung hier nicht.

8Er behauptet zwar eine Abweichung des LSG von Rechtssätzen des BSG, insbesondere aus der Entscheidung vom 29.4.2015 (B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9). Dass das LSG jedoch dieser Entscheidung entgegenstehende abstrakte Rechtssätze formuliert habe, behauptet er nicht. Er rügt letztlich die fehlerhafte und deswegen abweichende Subsumtion unter die dort dargelegten Maßstäbe. So führt er lediglich aus, dass es an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Argument des Klägers mangele, dass ein endgültiger Bescheid nach einem vorläufige Leistungen bewilligenden Bescheid im Hinblick auf die Bestimmtheit nicht hinter dem vorläufigen Bescheid zurückbleiben dürfe. Zudem befindet er in diesem Zusammenhang, dass die hinreichende Bestimmtheit iS des § 33 SGB X in der Rechtsprechung des BSG zum Leistungsrecht des SGB II nahezu ausschließlich im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden erfolgt sei und wiederholt den Vortrag zur grundsätzlichen Bedeutung, ohne deren Relevanz für die Darlegung der Divergenz zu begründen. Zudem bringt er dar, dass das LSG eingeräumt habe, dem endgültigen Bescheid sei keine ausdrückliche Aufhebung der Vorläufigkeit der Bewilligung zu entnehmen, ohne hieraus rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Auch insoweit rügt er jedoch die seiner Ansicht nach unzutreffende rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts. Soweit er die fehlende Auseinandersetzung des LSG mit dem Wortlaut des § 328 SGB III bemängelt und sodann eine Auslegung dessen anfügt, legt er lediglich seine Rechtsauffassung dar, nicht jedoch die Divergenz eines abstrakten Rechtssatzes des LSG zu einem solchen des BSG.

9Die nicht formgerecht begründete Beschwerde war daher nach § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

10Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
CAAAF-48478