Instanzenzug: S 3 KR 214/09
Gründe:
1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Höhe der vom Kläger - einem bis Mitte April 2007 beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer, der von Januar bis Sozialleistungen bezog und dann ab hauptberuflich selbstständig erwerbstätig war - ab zu entrichtenden Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung sowie über die Nachforderung von Beiträgen.
2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
41. Die Kläger beruft sich eingangs seiner Beschwerdebegründung vom ausdrücklich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Dieser Zulassungsgrund wird indessen nicht in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechenden Weise dargelegt.
5Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern eine Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
6Die Beschwerdebegründung erfüllt diese Voraussetzungen für eine zulässige Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht. Der Kläger benennt drei Fragen, die "wenigstens höchstrichterlich noch nicht entschieden" worden seien:
1. "Kann ein nachweisbar im ganzen Kalenderjahr erwirtschafteter Gewinn lediglich auf die Zeit der freiwilligen Versicherung anhand einer Division der Einkünfte durch die Monate der Mitgliedschaft verteilt werden?"
2. "Ist eine zeitliche Aufteilung der Einkünfte durch Vorlage einer behördlichen Bescheinigung beachtlich für die Beitragsberechnung in Differenzierung zwischen beitragspflichtigen und nicht beitragspflichtigen Monaten?"
3. "In welcher Weise können Einkünfte einer beitragspflichtigen Zeit und einer beitragsfreien Phase zugeordnet werden?"
7Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit hinreichend klar erkennbare abstrakt-generelle Rechtsfragen - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - (vgl allgemein - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7) formuliert; die Bezeichnung solcher abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfragen ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihnen die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181). Zweifel ergeben sich vorliegend insoweit daraus, dass in der Fragestellung jeweils weder ein konkretes Tatbestandsmerkmal des § 240 SGB V noch ein solches aus einer Regelung in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen genannt wird, bezüglich dessen Auslegung eine revisionsgerichtliche Entscheidung angestrebt wird; auf die zur - im Berufungsverfahren ebenfalls streitig gewesene - Bemessung der Pflichtbeiträge in der sozialen Pflegeversicherung (vgl § 20 Abs 3 SGB XI) und die dafür geltenden beitragsrechtlichen Regelungen gehen die Fragestellungen ohnehin nicht ein. Darüber hinaus sind die Fragen 2. und 3. bezogen auf den Gegenstand des Rechtsstreits auch nicht aus sich heraus verständlich und enthalten rechtlich fehlerhafte Begriffe (Differenzierung zwischen "beitragspflichtigen und nicht beitragspflichtigen Monaten"; Einkünfte einer "beitragspflichtigen Zeit" und einer "beitragsfreien Phase" - vgl demgegenüber § 223 Abs 2 S 1 SGB V: "beitragspflichtige Einnahmen"). Der Kläger richtet die Beschwerdebegründung auch im Weiteren nicht an den dargestellten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und den darauf bezogenen Darlegungsvoraussetzungen aus. Die umfangreichen materiell-rechtlichen Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu den aus Klägersicht rechtlich maßgebenden Gesichtspunkten für die Beitragsbemessung in seinem Fall sind indessen weder geeignet, das Erfordernis der Formulierung einer revisionsrechtlich relevanten Rechtsfrage zu ersetzen, noch kann mit ihnen ein bestehender revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf dargetan werden. Wie bereits dargestellt, führt nämlich nicht allein schon die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, zur Zulassung der Revision (vgl erneut BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Dass gerade in diesem Sinne unerhebliches Vorbringen im Vordergrund des Beschwerdevorbringens steht, wird durchgehend an den Formulierungen der Begründung vom deutlich: So führt der Kläger ua aus,
- es fehle im Urteil des LSG "zu der streiterheblichen Frage ... an einer ausreichenden und überzeugenden Begründung",
- das LSG habe (zu Unrecht) auf außerhalb des Einkommensteuerbescheides liegende Umstände abgestellt und "zum zeitlichen Moment keine ausreichende Begründung" geliefert,
- die "anscheinende Besonderheit in einer steuerlichen Festsetzung der gesamten gewerblichen Einkünfte im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Festsetzung einer GbR" sei nicht berücksichtigt worden, die Gerichte hätten "bisher nicht begründen" können, "aus welchen Gründen ... die beiden trennbaren Gewinnerzielungszeiträume hier anders beurteilt" werden sollten,
- es gebe "keine sachgerechten Gründe für die Ungleichbehandlung",
- in jedem Fall verbiete sich ..." eine Heranziehung des Gesamtgewinns für die hier vorliegenden 8 Beitragsmonate",
- das Urteil liefere "zum zeitlichen Moment keine ausreichende Begründung", "das Prinzip der Leistungsfähigkeit (werde) ... in diesem Fall außer Acht gelassen (...) bzw. bei der Entscheidung nicht korrekt angewendet",
- das Urteil stehe nicht im Einklang mit ... Entscheidungen des BSG, bestimmte Argumente seien "nicht in die Urteilsbegründungen aufgenommen" worden,
- ein bestimmtes Argument sei "selbstverständlich nicht stichhaltig",
- "sachfremde (...) Argumente (hätten) ggf. tendenziell zu einer Klageabweisung geführt", diese Aspekte hätten die Urteile allerdings nicht begründen können.
8Zu Unrecht beschränkt der Kläger sich im Übrigen auch darauf, geltend zu machen, die von ihm formulierten Fragen seien "höchstrichterlich noch nicht entschieden" worden, soweit er anscheinend allein daraus die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen (und ihrer Entscheidungserheblichkeit im Rechtsstreit) herleiten will. Eine Rechtsfrage ist nämlich auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn das BSG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung auch der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6). Hierzu sind substantiierte Ausführungen erforderlich, an denen es vorliegend fehlt; der pauschale Hinweis auf drei Entscheidungen des BSG auf Seite 3/4 der Beschwerdebegründung ist insoweit angesichts der vom LSG auf Seite 11/12 seiner Entscheidungsgründe dargestellten Erwägungen (unbeschadet der Frage ihrer inhaltlichen Richtigkeit und ihrer Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung) unzureichend; insbesondere lag es nahe, insoweit die Erwägungen in den Gründen des vom LSG zitierten Urteils des Senats vom - B 12 KR 2/12 R - (SozR 4-2500 § 240 Nr 23) genauer auf gemeinsame Beurteilungsgesichtspunkte hin zu untersuchen (vgl im Übrigen zu den auch beitragsrechtlichen Auswirkungen von Einkommensteuerbescheiden bereits BSGE 104, 153 = SozR 4-2500 § 240 Nr 12, RdNr 15 ff; BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 19 RdNr 21; sowie - jüngst - - SozR 4-2500 § 240 Nr 26). Der Kläger versäumt es darüber hinaus, näher auf die Klärungsfähigkeit einer sich seiner Ansicht nach konkret stellenden Rechtsfrage einzugehen, was allein bereits die Unzulässigkeit der Beschwerde begründet, soweit diese auf die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage gestützt wird.
92. Mit der Formulierung des Klägers auf Seite 3 unten seiner Beschwerdebegründung
"daher ist auch der Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG, da das Urteil nicht im Einklang mit folgenden Entscheidungen steht:
BSG v., B 12 KR 10/12 R
BSG v., B 12 KR 2/12 R",
und dem dazu erfolgten ergänzenden Vorbringen wird im Übrigen der Zulassungsgrund der Divergenz ebenfalls nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechend dargelegt. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt daher nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die angegriffene Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN). Schon in diesem Sinne einander widersprechende abstrakte Rechtssätze zeigt der Kläger nicht in der gebotenen Weise auf.
103. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
114. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstelle(n):
YAAAF-46372