BGH Beschluss v. - 4 StR 423/15

Absoluter Revisionsgrund im Strafverfahren: Beruhensprüfung bei geltend gemachter Verteidigungsbeschränkung; Ablehnung von Beweisanträgen des Angeklagten zur Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens sowie eines Glaubwürdigkeitsgutachten zu einer Zeugenbekundung

Gesetze: § 338 Nr 8 StPO

Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 2 KLs 5110 Js 10023/14nachgehend Az: 4 StR 443/16 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge und mehrere verfahrensrechtliche Beanstandungen gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat nur zum Strafausspruch Erfolg.

21. Zwar sind die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer für sich materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Der Strafausspruch kann aber gleichwohl keinen Bestand haben, weil sich die Urteilsgründe nicht zum Vollstreckungsstand der Urteile des Amtsgerichts Freiburg vom und vom verhalten. Da die verfahrensgegenständlichen Taten am begangen wurden, der Angeklagte am festgenommen wurde, er sich seit dem „ununterbrochen“ in Untersuchungshaft befindet (UA S. 6) und er bei nur unregelmäßigem Arbeitseinkommen hoch verschuldet ist (UA S. 4 bis 6), kann der Senat nicht ausschließen, dass die in jenen Urteilen verhängten Geldstrafen im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils noch nicht erledigt waren. Sollten sie erledigt sein und deshalb eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB ausscheiden, wäre – wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom dargelegt hat – ein Härteausgleich möglich. Im Hinblick hierauf ist allerdings – über den Antrag des Generalbundesanwalts hinaus – nicht nur der Ausspruch über die Gesamtstrafe, sondern der gesamte Strafausspruch aufzuheben und die Sache insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen.

32. Der Schuldspruch weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Ein solcher liegt im Hinblick auf die Besonderheiten des Falls auch nicht darin, dass das Landgericht bezüglich der zum Nachteil von        S.     mit einem unbekannten Mittäter begangenen versuchten schweren räuberischen Erpressung den für die Prüfung eines strafbefreienden Rücktritts grundsätzlich erforderlichen (vgl. etwa , NStZ-RR 2015, 8, 9 mwN) „Rücktrittshorizont“ des Angeklagten nicht festgestellt hat. Denn der Senat kann angesichts der zum Abbruch der Tatausführung getroffenen Feststellungen (heftige Gegenwehr des Opfers und „Störung“ durch die Nachbarin) ausschließen, dass der Rücktritt freiwillig im Sinn des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB erfolgt ist (vgl. auch UA S. 44 f.).

43. Auch die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts vom bemerkt der Senat:

5Den Beweisantrag auf Erholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens hat die Strafkammer auch hinsichtlich der am in der Sparkasse E.        gefertigten Lichtbilder rechtsfehlerfrei abge- lehnt (vgl. , NStZ 2012, 345 unter anderem zum insofern zulässigen und gebotenen Freibeweis). Hinsichtlich des zur (Nicht-)Existenz der 200.000 € gestellten Beweisantrags (Zeugenvernehmung von Rechtsanwalt D.   ) fehlt es jedenfalls am Beruhen, da die Strafkammer – rechtsfehlerfrei – offen gelassen hat, ob es diesen Bargeldbetrag jemals gegeben hat (UA S. 12). Die Rüge zum Beweisantrag auf Erholung eines „Glaubwürdigkeitsgutachtens“ zu den „Bekundungen von        S.    “ ist schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil unter anderem der im Beweisantrag in Bezug genommene Bericht der „BG Klinik“ vom nicht vollständig mitgeteilt wurde; dies war schon deshalb unerlässlich, weil die Strafkammer festgestellt hat, dass der Zeuge (lediglich) vor 17 Jahren an einer Psychose litt (UA S. 33). Auch die Rüge zum Beweisantrag auf Erholung eines Sachverständigengutachtens zur Nicht-Benutzung des Pkw Fiat Panda durch den Angeklagten ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), da der dort in Bezug genommene Spurensicherungsbericht nicht vollständig mitgeteilt wurde. Der Rüge der Ablehnung des Aussetzungsantrags (§ 338 Nr. 8 StPO) ist der Erfolg auch deshalb zu versagen, weil es für die Annahme, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, nicht genügt, dass diese Beschränkung nur generell (abstrakt) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen. Vielmehr ist § 338 Nr. 8 StPO nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. Senat, Beschluss vom – 4 StR 599/09, NStZ 2010, 530, 531 mwN). Dies ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal der Verteidiger den Ausführungen in dem Ablehnungsbeschluss, mit dem die späte Verbescheidung der Beweisanträge erläutert wird, nicht entgegengetreten ist und der Senat – auch deshalb – keine Zweifel an der Richtigkeit der dortigen Darlegungen hat.

Sost-Scheible                              Roggenbuck                          Cierniak

                           Mutzbauer                                Bender

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Fundstelle(n):
MAAAF-32531