BSG Beschluss v. - B 9 V 36/15 B

Instanzenzug: S 5 VS 4091/07

Gründe:

I

1Mit Urteil vom hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des im Berufungsverfahren anwaltlich vertretenen Klägers auf die Feststellung von Wehrdienstbeschädigungen als Folge des schädigenden Ereignisses vom sowie die Gewährung einer Beschädigtenversorgung verneint, weil das anerkannte schädigende Ereignis lediglich eine Prellung des linken hinteren Darmbeinkammes bedingt habe, die abgeklungen sei und deswegen keinen Anspruch auf Grundrente begründe. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des ihn vertretenden Rechtsanwalts beantragt. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und es lägen mehrere Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) vor.

II

2Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (1.) noch die behaupteten Verfahrensmängel (2.) sind ordnungsgemäß dargetan worden.

31. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

4Der Kläger hat es versäumt, eine bestimmte Rechtsfrage zu formulieren. Selbst wenn man zu seinen Gunsten der von ihm dargelegten Rechtsauffassung sinngemäß die Rechtsfrage entnimmt, dass die bestehende Beweislastverteilung bei einer truppenärztlichen Fehlbehandlung nach dem Soldatenversorgungsgesetz im Verhältnis zu etwaigen Arzthaftungsansprüchen einen Verstoß gegen Art 3 GG enthalte, sodass eine Beweiserleichterung bzw Beweislastumkehr im Sozialrecht erfolgen müsse, hat der Kläger jedenfalls die (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage nicht dargetan. Denn eine Rechtsfrage ist dann nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich beantwortet ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65). Falls zu der Rechtsfrage schon Rechtsprechung eines obersten Bundesgerichts oder des BVerfG vorliegt, kommt es darauf an, ob sie erneut klärungsbedürftig geworden ist, weil zB im neueren Schrifttum neue Argumente angeführt oder erhebliche Einwände vorgebracht werden (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38, Nr 23 S 42; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f, jeweils mwN). Eine Rechtsfrage kann auch dann wieder klärungsbedürftig werden, wenn sich im Geltungsbereich einer unveränderten gesetzlichen Bestimmung die allgemeinen und tatsächlichen Verhältnisse ändern (s Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 320). Dafür spricht, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG eine ursprünglich verfassungsmäßige Norm wegen Veränderung der maßgeblichen Umstände als verfassungswidrig beurteilt werden kann (BVerfGE 59, 336, 357; 97, 271, 293).

5Diesen Kriterien hat der Kläger in seinem Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht hinreichend Rechnung getragen. Er hat sich weder mit den gesetzlichen Vorschriften auseinandergesetzt, noch die bisher bestehende Rechtsprechung des BSG zur Frage der Beweislastverteilung im Sozialgerichtsverfahren dargelegt. Insoweit hätte er sich insbesondere auch mit dem bereits vom LSG in seiner angefochtenen Entscheidung zitierten Urteil des erkennenden Senats vom (B 9 V 3/13 R - SozR 4-3200 § 81 Nr 6) auseinandersetzen müssen. Danach setzt die Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung den Eintritt einer gesundheitlichen Schädigung voraus, die mit Wahrscheinlichkeit durch diese Besonderheiten (insbesondere den Ausschluss der freien Arztwahl) herbeigeführt worden ist. Dieser Kausalzusammenhang ist nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu bejahen, wenn eine nicht truppenärztliche Behandlung die Schädigung wahrscheinlich vermieden hätte (Fortentwicklung von BSG SozR 4-3200 § 81 Nr 1). Hinsichtlich der Frage der Beweislastverteilung im Sozialgerichtsverfahren - auch unter Gesichtspunkten der Arzthaftung - hat die Beklagte in ihrer Beschwerdeerwiderung zu Recht auf die fehlende Auseinandersetzung des Klägers mit den Senatsentscheidungen vom (B 9a V 2/05 R) und vom (B 9a VS 1/05 R) hingewiesen.

62. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7a) Soweit - wie vorliegend - Verstöße gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt werden, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu einer weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45; BSG SozR 1500 § 160a Nr 24, 34).

8Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht. Der im Berufungsverfahren bereits anwaltlich vertretene Kläger hat lediglich vorgebracht, dass das LSG trotz Beweisantrag keine weiteren radiologischen oder die Wirbelsäule betreffende Gutachten zur Sachverhaltsaufklärung eingeholt und die bildgebenden Befunde des Klägers unter dessen Erläuterung nicht in Augenschein genommen habe. Der Kläger behauptet nicht, dass er einen bestimmten Beweisantrag bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens aufrechterhalten und diesen auch in der mündlichen Verhandlung des zu Protokoll erklärt habe. Wird aber ein zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt und aufrechterhalten, so gilt er zumindest bei einem rechtskundig vertretenen Beteiligten als erledigt (vgl sowie BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 20). Denn dem Beweisantrag soll eine Warnfunktion zukommen, die er nicht mehr erfüllt, wenn er zwar in einem früheren Verfahrensstadium schriftlich gestellt wurde, im Entscheidungszeitpunkt selbst aber nicht mehr erkennbar weiter verfolgt wird.

9b) Soweit der Kläger (auch) eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs darin sieht, dass das Berufungsgericht seine Beweisanträge nicht beachtet habe, so liegt hierin keine Gehörs-, sondern allenfalls eine Sachaufklärungsrüge. Deren Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung - wie oben aufgezeigt - nicht. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird ( - Juris RdNr 15; - Juris RdNr 12). Dass der Kläger mit der Auswertung und Würdigung der Sachverständigengutachten durch das LSG nicht einverstanden ist, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich. Denn insoweit wendet er sich gegen die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) des Berufungsgerichts. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann hierauf eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden.

10c) Soweit der Kläger sinngemäß rügt, das LSG habe ihn unter Verletzung der Hinweispflicht (§ 106 SGG) zu keiner Zeit darauf hingewiesen, seine schriftsätzlich gestellten Beweisanträge und Rügen auch im Termin zur mündlichen Verhandlung weiterhin aufrechtzuerhalten, übersieht er, dass das LSG zumindest bei einem rechtskundig vertretenen Kläger nicht auf die Stellung eines Beweisantrags zur Sicherung der Revisionsmöglichkeit nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hinweisen muss (vgl ).

11d) Soweit der Kläger einen Verfahrensfehler im Hinblick auf die Verwertung des in erster Instanz eingeholten Gutachtens von Dr. W. darin sieht, dass dieser sein Gutachten unter Hinzuziehung eines weiteren radiologischen Arztes erstellt hat unter Verstoß gegen § 407a Abs 1, 2 und 5 ZPO, so genügen seine Ausführungen auch insoweit den Darlegungsanforderungen nicht. Wird einem Beteiligten wegen der fehlenden Information nach § 407a Abs 2 S 2 ZPO die Möglichkeit genommen, die Grenzen der erlaubten Mitarbeit zu überprüfen, folgt hieraus ein (ggf vorläufiges) Verbot der Verwertung des Gutachtens. Diese Rechtsfolge setzt allerdings voraus, dass (1) der betreffende Beteiligte objektiv ein berechtigtes Interesse an den Angaben nach § 407a Abs 2 S 2 ZPO hat und (2) das Gericht dessen Antrag, vom Sachverständigen die Informationen nach dieser Vorschrift anzufordern, übergangen hat (vgl - SozR 4-1750 § 407a Nr 2). Hierzu hat der Kläger jedoch nicht substantiiert darlegt, dass er ein berechtigtes Interesse an der Offenlegung der Mitarbeit einer weiteren Person an dem Gutachten des Dr. W. gehabt habe und dass er einen ordnungsgemäßen Antrag an das LSG gestellt habe, vom Sachverständigen die Informationen insoweit anzufordern. Zwar verweist der Kläger auf seine erstinstanzliche Verfahrensfehler rügenden Schriftsätze vom und , er behauptet aber nicht, diese Rügen auch bis zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG am aufrechterhalten zu haben. Damit hat er sein Recht, einen eventuell vorliegenden (auch erstinstanzlichen) Verfahrensmangel zu rügen, nach § 202 SGG iVm §§ 556, 295 Abs 1 ZPO verloren (vgl zur Anwendbarkeit BSG SozR 1500 § 160a Nr 61 mwN). Denn danach geht das Rügerecht verloren, wenn in der auf den Mangel folgenden nächsten mündlichen Verhandlung, in welcher der betreffende Beteiligte vertreten war, der Mangel nicht gerügt worden ist, obgleich die Gründe hierfür bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (vgl Becker, Die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG [Teil II], SGb 2007, 328, 330).

12e) Soweit der Kläger schließlich die Beiziehung der Akten aus seinem Verfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung sowie die Verwertung eines Befundberichts von Dr. H. als Verfahrensfehler rügt, fehlt es bereits an Darlegungen, um welchen Verfahrensfehler es sich dabei handeln könne und inwieweit das Urteil darauf beruhe.

133. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

144. Da nach alledem die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg hat, ist der Antrag des Klägers auf PKH unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten mangels einer hinreichenden Erfolgsaussicht des Rechtsmittels abzulehnen (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 114 S 1 ZPO).

155. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

166. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
XAAAF-19155