Ermessensbehaftete Schätzung
Bilanzieren ist Schätzen, und Schätzen ist mit Ermessensausübungen verbunden. Deshalb stellen der Jahresabschluss oder die Finanzberichterstattung ein Schätzungsergebnis dar. Diese Erkenntnis ist zwar nicht ganz neu, wird aber auch in der Fachwelt oftmals nicht genügend reflektiert. Im war die Schätzung der goodwill-Nutzungsdauer gewürdigt worden. Im vorliegenden Heft wird ein Lösungsvorschlag auf der Grundlage der einschlägigen wissenschaftlichen Diskussion von unseren beiden Autoren unterbreitet. Nochmals wird festgestellt: Die Bestimmung der Nutzungsdauer eines jeden Vermögenswerts ist letztlich willkürlich und bleibt dem Ermessen des Kaufmanns überantwortet, wenn nicht der Gesetz- oder Regelgeber eine Art „Basta“ spricht. Der HGB-Gesetzgeber hat dies faktisch mit einer „im Zweifel“ anzunehmenden Nutzungsdauer von zehn Jahren getan, das IFRS-Regelwerk geht logisch elegant von einer unbestimmbaren Nutzungsdauer mit der Folge einer nicht planmäßigen Abschreibung aus. Jeder „Teilhaber“ am Geschehnis der Finanzberichterstattung kann sich dann aussuchen, welche der beiden Lösungen er für vorzugswürdig hält. Die „Wissenschaft“ gibt hier, wie so oft, keine eindeutige Antwort.
Einen anderen Aspekt des impairment only approach stellen Stefan Müller, Jens Reinke und Martin Stawinoga in ihrem zur Bestimmung des Nutzungswerts im Rahmen der Werthaltigkeitsprüfung dar. Anlass für den Beitrag ist die Verabschiedung des IDW RS HFA 40 bezüglich Einzelfragen zu Wertminderungen von Vermögenswerten nach IAS 36. Der Wertminderungstest nach IAS 36 stellt den Ausfluss eines Barwertkalküls dar. Es gilt also, künftige Cashflows zu ermitteln und auf diese einen „passenden“ Diskontierungssatz anzuwenden. Der wohl unstreitige ökonomische Ausgangspunkt der Überlegung ist die Bestimmung eines „Werts“, genauer eines Vermögens-Werts, der ausschließlich auf der Möglichkeit zur Generierung von Zahlungsflussüberschüssen beruhen kann. Diese Erkenntnis sollte eigentlich systemübergreifend gelten. Es ist deshalb immer wieder überraschend, wenn der Definitionsinhalt eines Vermögensgegenstands nach HGB von demjenigen des Vermögenswerts nach IFRS abgegrenzt wird: Ein Nutzenzufluss sei kein Kriterium für einen Vermögensgegenstand – jetzt soeben wieder in DRS 24.B55. Man darf fragen, woraus sonst – außer einem Cashflow-Überschuss – ein Gegenstand seinen Vermögenscharakter beziehen soll.
Neben dem Cashflow stellt der Diskontierungszins die zweite Bewertungskomponente für das „Vermögen“ dar. In der Rubrik verweist Daniel Fischer auf die Prüfungsschwerpunkte der deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung. Danach soll das herrschende Niedrigzinsumfeld mit seiner Auswirkung auf die Finanzberichterstattung besonders unter die Lupe genommen werden. Damit sind alle Bilanzposten, die auf Barwertkalkülen beruhen, angesprochen, neben dem Wertminderungstest nach IAS 36 die langfristigen Rückstellungen nach IAS 37 sowie die Pensionsrückstellungen für leistungsorientierte Versorgungszusagen gem. IAS 19.
Von den Quais-Nullzinsen betroffen mag auch der eine oder andere unserer PiR-Abonnenten sein, wenn er an seine Altersversorgung denkt. Aber von solchen Skrupeln sollte er in den wenigen Tagen „zwischen den Jahren“ Abstand nehmen und sich eine erholsame Denkpause gönnen. Herausgeber und Redaktion der PiR wünschen jedenfalls ihren Lesern einige geruhsame Festtage.
Beste Grüße
Wolf-Dieter Hoffmann
Fundstelle(n):
PiR 12/2015 Seite 1
NWB UAAAF-09342