Vorliegen einer Überraschungsentscheidung; Verletzung der Sachaufklärungspflicht als verzichtbarer Verfahrensmangel; Rüge des Übergehens von Beweisanträgen
Gesetze: FGO § 76 Abs. 1, FGO § 76 Abs. 2, FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 119 Nr. 6, FGO § 116 Abs. 5, FGO § 155, ZPO § 295, GG Art. 103
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.
2 1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) machen zu Unrecht geltend, das Finanzgericht (FG) habe eine Überraschungsentscheidung erlassen und dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO und § 76 Abs. 2 FGO). Eine solche Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (, BFH/NV 2013, 968).
3 Danach liegt im Streitfall keine Überraschungsentscheidung vor; denn die Frage des fehlenden Nachweises eines Veranlassungszusammenhangs zwischen den von den Klägern geltend gemachten Zinsaufwendungen und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Objekts X ist vom FG nicht erst mit dem Endurteil in das Verfahren eingebracht worden, sondern war, wie aus der von den Klägern selbst im Zuge der Klageerhebung vorgelegten Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) vom (dort S. 9 unten) klar hervorgeht, bereits Gegenstand des außergerichtlichen Vorverfahrens und mithin einer der Gründe, weshalb das FA den Abzug der Zinsaufwendungen verwehrte.
4 Die rechtskundig vertretenen Kläger hatten in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit, sich hierzu zu äußern und im Rahmen der ihnen obliegenden Feststellungslast darzulegen, dass die Darlehensmittel zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufgenommen und tatsächlich verwendet worden sind (vgl. etwa , BFH/NV 2013, 522, m.w.N.). Da die Kläger diesen Nachweis nicht geführt, sondern insoweit rügelos zur Sache verhandelt haben, haben sie überdies ihr Rügerecht verloren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung —ZPO—; vgl. , BFH/NV 2011, 61).
5 Letzteres gilt auch, soweit die Kläger eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Einsturz eines in ihrem Eigentum stehenden Hauses rügen.
6 2. Auch der von den Klägern gerügte Verfahrensmangel einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) —zum einen wegen der angeblichen Nichtberücksichtigung von dem FA in einem Aussetzungsverfahren vorgelegten Darlehensunterlagen und zum anderen wegen der Nichtberücksichtigung geltend gemachter außergewöhnlicher Belastungen— ist nicht gegeben. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO), zu denen auch die Verletzung der Sachaufklärungspflicht gehört, geht das Rügerecht schon durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren. Anders kann dies bei einem fachkundig vertretenen Verfahrensbeteiligten nur dann sein, wenn er aufgrund des Verhaltens des FG die Rüge für entbehrlich halten durfte (vgl. , BFH/NV 2003, 810). Die durch einen Rechtsanwalt fachkundig vertretenen Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vor dem FG weder Beweisanträge gestellt noch die Verletzung einer von Amts wegen —auch ohne entsprechenden Beweisantrag— gebotenen Sachaufklärung gerügt, obwohl die Frage der einkunftsbezogenen Veranlassung der geltend gemachten Zinsaufwendungen als auch die Frage der Zwangsläufigkeit der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen bereits im Vorverfahren streitig gewesen war. Sie haben auch keinen Sachverhalt geschildert, aufgrund dessen eine solche Rüge entbehrlich hätte sein können. Als fachkundig vertretene Beteiligte mussten die Kläger diesen rechtlichen Gesichtspunkt von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einrichten.
7 3. Entgegen der Auffassung der Kläger war es dem FG mit Blick auf § 119 Nr. 6 FGO auch nicht verwehrt, in seinem Urteil (betreffend das Verfahren 8 K 1546/14) die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen ergänzend mit dem Verweis auf die Entscheidungsgründe in dem Verfahren 8 K 1545/14 zu begründen. Es ist anerkannt, dass das FG auf andere eigene Entscheidungen Bezug nehmen darf; die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzten Grenzen einer solchen Bezugnahme sind im Streitfall gewahrt. Denn beide Entscheidungen sind zwischen den Beteiligten ergangen, gleichzeitig verkündet und am gleichen Tag zugestellt worden (vgl. , BFHE 141, 113, BStBl II 1984, 591, m.w.N.; vom III R 125/73, BFHE 121, 284, BStBl II 1977, 396).
8 4. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 217 Nr. 2
BAAAF-09211