Umsatzsteuerliche Behandlung der entgeltlichen und unentgeltlichen Geschäftsveräußerung
Die Veräußerung eines Unternehmens im Ganzen – auch eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes – an einen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegt nicht der Umsatzsteuer. Ich verweise dazu auf §§ 1 Abs. 1a und 15a Abs. 10 UStG, sowie Abschn. 1.5, 15a.2 Abs. 3, 15a. 10, 24.1 Abs. 5 und 24.8 Abs. 3 UStAE. Eine Entscheidung über die Frage, ob eine Geschäftsveräußerung i. S. v. § 1 Abs. 1a UStG vorliegt, ist einheitlich zu treffen (USt-Kartei S 7100b Karte 2 zu § 1 Abs. 1a UStG). Sind für die beteiligten Unternehmer verschiedene Bearbeiter oder verschiedene Finanzämter zuständig, bitte ich einen Informationsaustausch sicherzustellen und ggf. Veräußerungsvertrag und weitere Unterlagen zu übersenden .
Ergänzend gilt Folgendes:
Eine Geschäftsveräußerung liegt auch dann vor, wenn der Erwerber das Unternehmen in veränderter Form fortführt (Abschn. 1.5 Abs. 1 UStAE) oder der Erwerber seine Verwendungsabsicht hinsichtlich des erworbenen Unternehmens ändert. Dann ist auf die bei der Übertragung bestehende Absicht abzustellen.
Beispiel 1V betreibt ein auf ein Großprojekt beschränktes Bauträgerunternehmen. Er erwirbt ein Grundstück und bebaut es. Um es möglichst gut veräußern zu können, sucht er Mieter und schließt mit ihnen Mietverträge ab. Er veräußert das Grundstück an M, der die Räume vermietet.
Es liegt keine Geschäftsveräußerung vor. Die Bauträgertätigkeit des V führt M nicht fort. M ist vielmehr als Vermieter tätig (, BFH/NV S. 1467).
Beispiel 2V vermietet seit Jahren ein Grundstück. Er veräußert es an E. E beabsichtigt, die Vermietungstätigkeit dauerhaft fortzuführen. Um einer drohenden Enteignung zu entgehen, veräußert er das Grundstück drei Jahre nach dem Erwerb.
Es liegt eine Geschäftsveräußerung vor. E führt die Vermietungstätigkeit fort. Die spätere Veräußerung war ursprünglich nicht beabsichtigt und ist deshalb unbeachtlich. Wegen der Geschäftsveräußerung ist auf die bei der Übereignung bestehende Absicht abzustellen.
Der Vorsteuerabzug aus Veräußerungskosten (z. B. Maklergebühren) richtet sich bei einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung danach, in welchem Umfang der Veräußerer das jeweilige Wirtschaftsgut seit Beginn des Jahres der Veräußerung zur Ausführung steuerfreier Ausschlussumsätze i. S. v. § 15 Abs. 2 UStG verwendet hat. Ist der Besteuerungszeitraum im Kalenderjahr der Veräußerung zu kurz, um die Ermittlung einer realistischen Quote zuzulassen, kann der vorherige Besteuerungszeitraum herangezogen werden.
Zur Überwachung der Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Erwerber bitte ich sicherzustellen, dass die für den Veräußerer in den Festsetzungsnahen Daten (FnD) angelegten elektronischen Überwachungsblätter sowie die Vorsteuerberichtigung betreffende Unterlagen (Fragebögen USt 2 W und USt (S) 20a) dem für den Erwerber zuständigen Bearbeiter oder Finanzamt zur Verfügung gestellt werden (Veranlagungsverfügung III/8 Nr. 3 in der Fassung ) . Auf den Unterlagen und den ggf. auszudruckenden elektronischen Überwachungsblättern ist zu vermerken, dass der Erwerber den Berichtigungszeitraum des Veräußerers gem. § 15a Abs. 10 UStG fortführt. Die Ablichtungen sind der Umsatzsteuerakte des Erwerbers vorzuheften oder mit Ablichtungen der Vertragsunterlagen (s. auch 1. Absatz) dem für die Besteuerung des Erwerbers zuständigen Finanzamt zuzuleiten.
Abschnitt 24.8 Abs. 3 Satz 2 UStAE bestimmt, dass der Erwerber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes an die Optionsfrist des Veräußerers nach § 24 Abs. Abs. 4 UStG gebunden ist. Ich bitte, die Auffassung zu vertreten, dass auch die Bindungsfrist des § 1a Abs. 4 UStG bei der Option des Veräußerers zur Besteuerung der innergemeinschaftlichen Erwerbe und des § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG beim Verzicht des Veräußerers auf die Kleinunternehmerbesteuerung des § 19 Abs. 1 UStG für den Erwerber gilt.
Hat der Veräußerer für die nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung Umsatzsteuer – z. B. im Kaufvertrag – gesondert ausgewiesen, schuldet er den ausgewiesenen Betrag wegen des zu hohen Ausweises (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG). Er ist jedoch nur unter den erschwerten Bedingungen des (§ 14c Abs. 2 Sätze 3 bis 5 UStG zur Rechnungsberichtigung berechtigt (§ 14c Abs. 1 Satz 3 UStG).
Berichtigt der Veräußerer die Rechnung nicht und entrichtet er die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer nicht, haftet der Erwerber unter den Voraussetzungen des § 75 AO i. V. m. § 191 AO als Betriebsübernehmer. Das gilt jedoch nicht für Erwerbe aus einem Insolvenz- oder Vollstreckungsverfahren (§ 75 Abs. 2 AO).
Hat ein Insolvenzverwalter, auch ein qualifizierter vorläufiger, die fehlerhafte Rechnung ausgestellt und entrichtet er die Umsatzsteuer nicht, haftet er nach § 69 AO (entsprechend dem zu § 14 Abs. 3 UStG alte Fassung ergangenen BStBl 1995 II S. 230). Scheidet mangels vorhandener Zahlungsmittel die Verletzung steuerlicher Pflichten aus (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO), kann eine Haftung des Insolvenzverwalters allein auf §§ 60, 61 InsO gestützt werden. Der Insolvenzverwalter verletzt die ihm kraft Insolvenzrecht zugewiesenen Pflichten schuldhaft, wenn er trotz überwiegender Wahrscheinlichkeit des Steuerausfalls einen steuerbaren Tatbestand durch den gesonderten Steuerausweis verwirklicht.
Das Finanzamt des Veräußerers ist für die Festsetzung der nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldeten Umsatzsteuer und auch für die Erteilung der Haftungsbescheide zuständig (§§ 21, 24 AO). Der gesonderte Umsatzsteuerausweis wird vielfach bei der Prüfung des Sachverhalts durch das Finanzamt des Erwerbers auffallen. Das Finanzamt des Erwerbers hat das Finanzamt des Veräußerers zu informieren, damit dieses den Steueranspruch, insbesondere wegen der Frist des § 75 Abs. 1 AO, zeitnah festsetzen kann.
Berichtigt der Veräußerer die Rechnung nicht, ist der Erwerber nicht berechtigt, die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen (Abschn. 15.2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStAE).
OFD Niedersachsen v. - S 7100 b - 1 - St 171
Fundstelle(n):
DStR 2016 S. 415 Nr. 7
Ubg 2016 S. 173 Nr. 3
SAAAF-08871