Finanzrechtsweg für gerichtliche Überprüfung eines von Finanzbehörde gestellten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes in Form einer Regelungsanordnung nach § 114 FGO
Verpflichtung des FA zur Rücknahme des Insolvenzantrags wegen fehlender Darlegung einer einzelfallbezogenen Ermessensausübung
Leitsatz
1. Für die Überprüfung eines Antrags einer Finanzbehörde auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners
ist anders als für die Prüfung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig. Der
Steuerschuldner hat insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis auf Überprüfung des Insolvenzeröffnungsantrags der Finanzbehörde als
Ermessenentscheidung; ein Ermessensfehlgebrauch der Finanzbehörde kann zur Verpflichtung der Finanzbehörde zur Rücknahme ihres
Insolvenzantrags führen. Das Bedürfnis nach finanzgerichtlichem Rechtsschutz im Wege der Verpflichtung der Finanzbehörde zur
Rücknahme eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Abgabenschuldners besteht solange fort,
bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder aber den Eröffnungsantrag mangels einer die
Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat; es entfällt nicht etwa dadurch, dass das Insolvenzgericht
über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden hat.
2. Der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes auf eine Regelungsanordnung i. S. d. § 114 Abs. 1 S. 2 FGO gerichtete Antrag,
mit dem der Steuerpflichtige beim FG eine Verpflichtung des FA zur Rücknahme ihres Insolvenzantrags erreichen will, ist auch
dann zulässig, wenn ein Hauptsacheverfahren (in Form einer Leistungsklage) noch nicht anhängig ist, und insbesondere nicht
gem. § 114 Abs. 5 FGO unzulässig. Der Antrag nach § 114 FGO entspricht verfahrensrechtlich im einstweiligen Rechtsschutz der
in der Hauptsache insoweit statthaften Leistungsklage nach § 40 Abs. 1 S. 3 FGO.
3. Zu unzumutbaren Verzögerungen des als Eilverfahren ausgestalteten Insolvenzantragsverfahrens dadurch, dass der Schuldner
finanzgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt, kann es nicht kommen, da auch ein Ruhen bzw. eine Aussetzung des Insolvenzverfahrens
aufgrund des Eilverfahrenscharakters nicht in Betracht kommt.
4. Das FG kann auch unter steuerlichen Gesichtspunkten nicht in für das Insolvenzgericht bindender Weise über insolvenzrechtliche
Fragen wie Zahlungsunfähigkeit entscheiden; daher besteht insoweit auch keine Gefahr für die Einheit der Rechtsordnung und
es kommt auch nicht zu einem (unzulässigen) Eingriff in die Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts.
5. Der Antrag einer Finanzbehörde auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bildet auch dann, wenn er von der Finanzbehörde gestellt
wird, ein schlichtes hoheitliches Handeln und ist kein Verwaltungsakt.
6. Hat die Finanzbehörde trotz eines vorherigen finanzgerichtlichen Hinweises zum Erfordernis einer Ermessensentscheidung
und zur Darlegung einer Ermessensausübung lediglich vorgetragen, der Insolvenzantrag sei ermessensgerecht, da die Vollstreckungsmaßnahmen
ohne Erfolg geblieben seien, der Antrag sei bei vollstreckbaren Rückständen im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung gehalten
und bei Vorliegen von Insolvenzgründen sei Insolvenzantrag zu stellen, so fehlt es an der erforderlichen einzelfallbezogenen
Ermessenausübung, mit der Folge, dass der Steuerschuldner im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes den für eine Regelungsanordnung
i. S. d. § 114 Abs. 1 FGO erforderlichen Anordnungsanspruch auf Verpflichtung der Finanzbehörde zur Rücknahme des Insolvenzantrags
hat.
Tatbestand
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): EFG 2015 S. 2194 Nr. 24 CAAAF-07365
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