Pausenvergütung - Auslegung einer Gesamtzusage - Zwischenfeststellungsklage
Gesetze: § 305 BGB, § 151 S 1 BGB
Instanzenzug: Az: 6 Ca 2906/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 3 Sa 1716/13 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Vergütung von Pausenzeiten.
2Der Kläger ist als geringfügig beschäftigter Servicemitarbeiter bei der Beklagten, die ein Kino betreibt, angestellt. Bis erhielt der Kläger Lohn iHv. 6,83 Euro brutto/Stunde. Seit finden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit ein zwischen der ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft und der Beklagten sowie weiteren Unternehmen abgeschlossener Manteltarifvertrag und ein Entgelttarifvertrag Anwendung. Der Entgelttarifvertrag sieht ab einen Stundenlohn von 9,00 Euro brutto vor. Der Manteltarifvertrag enthält keine Regelung zu Pausen bzw. deren Vergütung.
3Der Kläger erhielt - ebenso wie eine Reihe anderer Mitarbeiter - bei Aufnahme seiner Beschäftigung ein „Willkommensschreiben“, in dem es ua. heißt:
4Vor Inkrafttreten der Tarifverträge existierte bei der Beklagten keine klare Pausenregelung. Pausen wurden häufig nicht angetreten oder Arbeitsleistungen während genommener Pausen erbracht. Die Beklagte plante weder Pausen im Dienstplan ein noch kontrollierte sie deren Inanspruchnahme. Die Beklagte vergütete die in Arbeitszeiterfassungsbögen ausgewiesene Anwesenheitszeit der Mitarbeiter vollständig, dh. auch die Arbeitspausen. Seit Inkrafttreten der Tarifverträge regelt die Beklagte die Pausenzeiten in Dienstplänen und vergütet diese nicht mehr.
5Der Kläger fordert Vergütung für 1,5 Stunden im April 2013 genommene Pausen iHv. 13,50 Euro netto. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung einer Pflicht der Beklagten zur Vergütung von Pausen. Der Kläger meint, Pausen seien mit dem jeweiligen Stundenlohn zu vergüten. Diese Pflicht ergebe sich aus dem Willkommensschreiben der Beklagten. Es sei eine betriebliche Übung entstanden. Die Tarifverträge hätten diesen Anspruch nicht verdrängt.
6Der Kläger hat beantragt,
7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, das Willkommensschreiben enthalte keine Willenserklärung, sondern lediglich eine Zusammenfassung von Hinweisen und Informationen für neu eingestellte Mitarbeiter.
8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
9Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist sowohl im Zahlungs- als auch im Feststellungsantrag unbegründet.
10I. Die Klageanträge sind zulässig. Der Zahlungsantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger hat klargestellt, dass die Klage für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen ist (zu den Voraussetzungen einer ausnahmsweise zulässigen abschließenden Gesamtklage vgl. - Rn. 11, 12). Der Feststellungsantrag ist als Zwischenfeststellungsklage iSv. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
11II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung von Pausen, sofern diese dem Arbeitszeitrecht entsprechend gewährt werden. Damit steht ihm für April 2013 keine weitere Vergütung iHv. 13,50 Euro netto nebst Zinsen zu. Er kann diese Vergütung weder auf eine Gesamtzusage noch auf eine betriebliche Übung stützen. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.
121. Der Vergütungsanspruch folgt nicht aus einer Gesamtzusage.
13a) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, bei den einzelnen Regelungen im Willkommensschreiben handele es sich - soweit diese über Gesetzeszitate hinausgehen - um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB. Das von der Beklagten vorformulierte Willkommensschreiben findet unstreitig auf eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen Anwendung.
14Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht ( - Rn. 22).
15b) Das Willkommensschreiben beinhaltet nicht lediglich Informationen für neue Mitarbeiter, die aus Sicht der Beklagten keinen rechtlich verbindlichen Charakter haben. Vielmehr gehen einzelne Regelungen über das Weisungsrecht der Beklagten hinaus, bedürfen somit einer vertraglichen Grundlage. Dies betrifft gerade und vor allem die Pausenregelung einschließlich der Vergütung tatsächlich genommener Pausen. Insofern liegt ein Angebot (= Antrag iSv. § 145 BGB) auf Zahlung von Lohn für Pausenzeiten vor, der ohne diese Regelung nicht geschuldet wäre (vgl. - Rn. 17; - 5 AZR 886/12 - Rn. 21).
16Die Verpflichtung zur Pausenvergütung hat die Beklagte vertraglich übernommen. Zwar enthält der Wortlaut des Willkommensschreibens nicht ausdrücklich ein Angebot auf Pausenvergütung. Doch formuliert die Regelung zu „Pausen“, dass diese nicht - wie normalerweise üblich - von der Arbeitszeit abgezogen werden. In diesem Kontext kann der Begriff der Arbeitszeit nur iSd. „vergütungspflichtigen Arbeitszeit“ verstanden werden. Nach dem Willkommensschreiben sollen Pausenzeiten entlohnt werden, weil sie wie „Arbeitszeit“ behandelt werden. Wird Pausenzeit nicht von der Arbeitszeit abgezogen, gehört sie nach dem erklärten Willen der Beklagten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Die Empfänger des Willkommensschreibens konnten und durften dies dahingehend verstehen, dass die Beklagte durch Gesamtzusage ein Angebot auf Pausenvergütung als Abweichung von der grundsätzlich nicht bestehenden Vergütungspflicht unterbreitet hat.
17c) Das in der Gesamtzusage liegende Angebot wird gemäß § 151 Satz 1 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags ( - Rn. 14). Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.
18d) Die Beklagte hat die Pausenvergütung aber nicht uneingeschränkt zugesagt. Ihrer Gesamtzusage ist zu entnehmen, dass die Beklagte eine Pausenvergütung anbot, weil ihr eine feste Pausenregelung Schwierigkeiten bereitete. Damit brachte die Beklagte zum Ausdruck, dass Pausen lediglich vergütet werden, wenn und solange keine dem Arbeitszeitrecht entsprechende Pausenregelung etabliert ist. Ausgehend vom objektiven Empfängerhorizont gilt das Angebot nur, wenn und solange feste Pausenzeiten nicht geregelt werden. Doch seit Inkrafttreten der Tarifverträge zum regelt die Beklagte Pausen in den Dienstplänen. Für den streitgegenständlichen Zeitraum hat bereits eine „feste Pausenregelung“ iSd. Willkommensschreibens bestanden. Für diese Situation hat sich die Beklagte zu keiner Pausenvergütung verpflichtet.
192. Ein Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht aus betrieblicher Übung.
20a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und ob er auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte ( - Rn. 43). Ob eine betriebliche Übung zustande gekommen ist und welchen Inhalt sie hat, unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung ( - Rn. 17).
21b) Die Beklagte hat in der Frage der Pausenvergütung lediglich das im Willkommensschreiben angekündigte Verhalten praktiziert und damit keine über die Gesamtzusage hinausgehende betriebliche Übung begründet.
22III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:190815.U.5AZR450.14.0
Fundstelle(n):
DStR 2016 S. 14 Nr. 6
JAAAF-06544