BGH Beschluss v. - 3 StR 267/15

Instanzenzug:

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen versuchten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten M. hat die Strafkammer wegen versuchten Diebstahls und Diebstahls in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verhängt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht.

32. Dagegen hat der Strafausspruch keinen Bestand. Die Strafkammer ist bei der Strafrahmenwahl zunächst wegen des Versuchs der Verwirklichung des Regelbeispiels des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB von dem Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB ausgegangen, den sie sodann gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Tat bei einer Gesamtschau aller strafzumessungserheblichen Gesichtspunkte als minder schwerer Fall zu bewerten sei. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht bei der Einstufung der Tat als besonders schweren Fall einen unzutreffenden Maßstab angelegt hat. Die für die Annahme eines besonders schweren Falles sprechende Indizwirkung eines Regelbeispiels kann im Einzelfall durch andere, erheblich schuldmindernde Umstände kompensiert werden (, [...] Rn. 5). Insbesondere das Vorliegen eines gesetzlich vertypten Milderungsgrundes, wie hier des Versuchs (vgl. § 23 Abs. 2 StGB), kann - gegebenenfalls in Zusammenschau mit weiteren allgemeinen Milderungsgründen - hierzu Anlass geben (st. Rspr.; vgl. , NStZ-RR 2009, 9 mwN). Dass die Strafkammer dies bedacht hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Hiergegen spricht insbesondere die weitere widersprüchliche Bezeichnung der Tat als - gesetzlich nicht vorgesehener - minder schwerer Fall. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Beachtung der obigen Grundsätze den Regelstrafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt und auf eine mildere Strafe erkannt hätte.

43. Ebenfalls keinen Bestand kann das Urteil haben, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) nicht erörtert hat, obwohl dies nach den Urteilsfeststellungen veranlasst war. Danach konsumierte der Angeklagte bereits vor seiner Übersiedlung nach Deutschland im Jahre 2001 Betäubungsmittel in Form von Marihuana. Ab dem Jahr 2003 nahm er zusätzlich auch Heroin zu sich. Im Jahre 2011 unterzog er sich einer Therapie, in deren Folge es ihm zwar gelang, hinsichtlich des Heroins abstinent zu bleiben. Marihuana konsumierte er jedoch bis zu seiner Inhaftierung in vorliegender Sache weiter und gab hierfür 600 bis 700 € pro Monat aus. Die gegenständliche Tat beging er "aufgrund und zu Zwecken der Finanzierung [seiner] Betäubungsmittelabhängigkeit". Angesichts dieser Umstände hätte sich dem Landgericht die Prüfung aufdrängen müssen, ob bei dem wegen Betäubungsmitteldelikten vorbestraften Angeklagten ein Hang zum übermäßigen Konsum vom Betäubungsmitteln vorliegt, auf dem die vorliegende Tat beruht und aufgrund dessen die Gefahr weiterer erheblicher rechtswidriger Taten besteht. Dass der Angeklagte trotz der im Jahr 2011 durchgeführten Drogentherapie weiterhin Betäubungsmittel konsumierte, steht der Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Maßregel (§ 64 Satz 2 StGB) jedenfalls nicht von vornherein entgegen (vgl. , NStZ-RR 1997, 131, 132).

5Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. , BGHSt 37, 5); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. , BGHSt 38, 362).

64. Die Aufhebung des Urteils ist nicht auf den Mitangeklagten M. zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO). Ein Absehen von der Regelwirkung des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO kommt bei diesem nicht in Betracht. Hiergegen sprechen die mehrfachen einschlägigen Vorverurteilungen des Mitangeklagten sowie der Umstand, dass er die Tat unter laufender Bewährung beging. Zudem war seine Tat in eine Serie mit zwei weiteren vollendeten Taten eingebettet (vgl. , wistra 2004, 263).

Fundstelle(n):
KAAAF-04993