BSG Beschluss v. - B 3 KR 44/15 B

Instanzenzug: S 6 KR 127/12

Gründe:

I

1Die im 1997 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin ist sehbehindert und beantragte im September 2011, als sie die 8. Klasse einer Regelrealschule besuchte, die Versorgung mit einem mobilen Kamerasystem zum Anschluss an ein Notebook/PC als technische Arbeitshilfe für den Schulbesuch entsprechend eines Kostenvoranschlages in Höhe von insgesamt 7824,25 Euro (inkl MwSt). Von den darin im Einzelnen aufgeführten Positionen bewilligte die Beklagte das Kamerasystem einschließlich Akku und Standfußoption sowie die zugehörige Vergrößerungssoftware zuzahlungsfrei in Höhe von 6074,95 Euro (inkl MwSt). Die Gewährung eines Trolley-Rucksacks für das Kamerasystem einschließlich Zubehör zum Preis von 129 Euro (ohne MwSt), eines Notebooks zum Anschluss des Kamerasystems zum Preis von 899 Euro (ohne MwSt) einschließlich eines Notebook-Zusatzakkus zum Preis von 168 Euro (ohne MwSt) sowie die Software "MS-Office Home and Student" zum Preis von 170 Euro (ohne MwSt) lehnte sie dagegen ab und den Preis für die Installation, Anlieferung und Einweisung in Höhe von 854 Euro (ohne MwSt) setzte sie auf 750 Euro (ohne MwSt) herab (Bescheid vom ). Sie führte aus, der Trolley-Rucksack sei - auch wenn er speziell für die Tafelkamera angefertigt sei - keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), da diese auch in einem konfektionierten Koffer, Rucksack oder einer Tasche transportiert und aufbewahrt werden könne, die zu den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehöre. Ein Computer (Desktop, Laptop) sei ebenfalls ein nicht in die Leistungspflicht der GKV fallender Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, auch wenn behinderungsgerechte Software oder behinderungsgerechtes Zubehör verwendet werde. Schließlich seien auch bei der Software die handelsüblichen Standard-Produkte nicht von der Leistungspflicht der GKV umfasste Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Für den Service der Auslieferung, Montage, Installation und Einweisung vor Ort berechneten renommierte Spezialfirmen höchstens bis zu 750 Euro (ohne MwSt). In dieser Höchstpauschale seien unabhängig von der Entfernung auch die Fahrkosten enthalten. Der im Kostenvoranschlag vorgesehene Gesamtbetrag in Höhe von 854 Euro werde auf diesen Höchstbetrag von 750 Euro (jeweils ohne MwSt) reduziert.

2Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin eine weitere Kostenübernahme in Höhe von 1425,62 Euro geltend und berief sich insbesondere darauf, dass das Notebook, die zu seiner Verwendung nötige Software und der zum Transport benötigte Trolley-Rucksack zur Herstellung und Sicherung ihrer Schulfähigkeit bei noch bestehender Schulpflicht erforderlich sei. Die Kosten hierfür hätten bisher ihre Eltern getragen, denen aber die Finanzierung nicht zuzumuten sei.

3Widerspruchs- und Klageverfahren sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom , Urteil des SG Augsburg vom ).

4Während des laufenden Berufungsverfahrens hat die Klägerin - da die Beklagte ihren Antrag auch hinsichtlich der abgelehnten Positionen nicht weitergeleitet hatte - die Kostenübernahme auch bei der Sozialverwaltung des Bezirks Schwaben als zuständigem Träger der Sozialhilfe beantragt, hierzu jedoch die Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse verweigert. Das Berufungsgericht hat den Bezirk Schwaben, Sozialverwaltung, zum Verfahren beigeladen (Beschluss vom ), der sich der Auffassung des SG, es handele sich um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, angeschlossen und den Antrag mangels Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht beschieden hat. Die Berufung der Klägerin hat das Bayerische LSG zurückgewiesen (Urteil des Bayerischen ) und ausgeführt, die Beklagte schulde die von der Klägerin begehrten Gegenstände (Notebook, Trolley-Rucksack und Software) nicht, sodass auch eine Kostenerstattung nicht erfolgen könne. Zwar könne ein behinderungsgerecht ausgestatteter PC bzw ein behinderungsgerechtes Notebook einschließlich Zubehör als Hilfsmittel iS von § 33 SGB V in Betracht kommen, das von der Klägerin begehrte Notebook enthalte jedoch keine behindertengerechte Sonderausstattung. Es handele sich vielmehr um eine handelsübliche Ausstattung, wie sie auch von nichtbehinderten Menschen benutzt werde und deshalb um einen von der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossenen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Nur die dem Ausgleich der Behinderung dienenden Komponenten eines PC oder Notebooks, nicht aber deren Normalausstattung unterfielen der Leistungspflicht der GKV. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass die behinderungsgerechte Zusatzausrüstung - hier also die Tafelkamera - ohne das Grundgerät nicht zu verwenden sei. Auch der Trolley-Rucksack und die Software "MS Office Home and Student" seien als handelsübliche Standardprodukte Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Aus den gleichen Gründen bestehe auch kein Leistungsanspruch gegenüber dem Beigeladenen.

5Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG richtet sich die Beschwerde der Klägerin vom . Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG geltend und bemängelt eine fehlende Sachverhaltsaufklärung.

II

6Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen, weil die Begründung des Rechtsmittels (Schriftsatz vom ) nicht den Anforderungen genügt, die an die formgerechte Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes zu stellen sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 und Abs 4 Satz 1, § 169 SGG).

71. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

8Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

9a) Die Klägerin meint, von grundsätzlicher Bedeutung sei,

"ob ein Notebook als Gegenstand des täglichen Lebens dann der Leistungspflicht der Beklagten unterfällt, wenn der Antragsteller noch der allgemeinen Schulpflicht unterfällt".

10Diesbezüglich hat die Klägerin jedoch die Klärungsbedürftigkeit dieses Gesichtspunkts nicht dargelegt. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit muss die Begründung substantiierte Ausführungen dazu enthalten, dass die aufgeworfene Rechtsfrage nicht geklärt ist. An der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es in der Regel, wenn diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8) oder sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap RdNr 66 mwN).

11Nach dem Wortlaut des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V besteht der Hilfsmittelanspruch nur "soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen" sind. In der Berufungsentscheidung ist dargelegt, aus welchen Gründen das Notebook als Gegenstand des täglichen Lebens anzusehen ist. Mit der von der Klägerin aufgeworfenen, hier wörtlich zitierten Frage, wendet sie sich nicht gegen die Einordnung des Notebooks als Gegenstand des täglichen Lebens. Sie macht aber dennoch keine Ausführungen dazu, aus welchem Grund ein Hilfsmittel, das als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen ist, entgegen des insoweit eindeutigen Wortlauts der Vorschrift des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in die Leistungspflicht der GKV fallen könnte. Diesbezüglich setzt sie sich auch in keiner Weise mit der vom LSG zitierten Rechtsprechung des BSG auseinander. Sie führt lediglich an, die von der Beklagten verweigerten Komponenten seien ihrer Ansicht nach auch dann von der Beklagten zu ersetzen, wenn es sich um Gegenstände des täglichen Lebens handele. Zu dieser Rechtsansicht erfolgt keine weitere Begründung. Da sich die Beantwortung insoweit eindeutig aus dem Gesetz ergibt, ist nicht dargelegt, aus welchem Grund diese Frage grundsätzliche Bedeutung haben könnte.

12b) Darüber hinaus sieht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin,

"dass klar herausgestellt werden muss, dass grundsätzlich von der Klägerin die verweigerten Kosten nicht zu tragen sind, weil sie entweder der Leistungspflicht der Beklagten oder des Sozialhilfeträgers im Rahmen der Eingliederungshilfe unterfallen".

13Die Formulierung einer Rechtsfrage erfordert die unmissverständliche Bezeichnung einer bestimmten Rechtsfrage unter Zugrundelegung der maßgeblichen Normen (vgl - Juris; - Juris; - NZS 2013, 318). Diesen Anforderungen kann der Vortrag, der geltend gemachte Anspruch müsse jedenfalls entweder gegenüber der Beklagten oder gegenüber dem Beigeladenen gegeben sein, nicht gerecht werden. Der Beschwerdebegründung kann insgesamt keine Rechtsnorm entnommen werden, die die Klägerin in dem angestrebten Revisionsverfahren zur Überprüfung stellen will, und sie lässt über eine lediglich inhaltliche Kritik an der Entscheidung des LSG hinaus nicht konkret erkennen, inwiefern es sich um eine die Rechtsanwendung betreffende, also mit den Mitteln juristischer Methodik zu beantwortende Frage (vgl Lüdtke, SGG, 3. Aufl 2009, § 160 RdNr 8 mwN) handeln soll. Das genügt für eine Zulassung der Revision nicht.

142. Die Beschwerdebegründung wird auch im Hinblick auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) den Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Soweit eine Divergenz geltend gemacht wird, muss die Beschwerdebegründung die Entscheidung bezeichnen, von der das Urteil des LSG abweicht und es muss dargelegt werden, dass das LSG zu einer bestimmten Rechtsfrage eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht bewusst entwickelt hat, die einer tragenden Rechtsansicht des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG entgegensteht (vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 15b mwN).

15In der Beschwerdebegründung der Klägerin sind zwar zwei Urteile des BSG aufgeführt (Entscheidung vom - B 3 KR 13/03 R -; Entscheidung vom - B 3 KR 10/00 R); diese werden jedoch nur im Zusammenhang damit zitiert, dass die Herstellung oder Sicherung der Schulfähigkeit zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehöre. Eine dem entgegenstehende Rechtsansicht des LSG hat die Klägerin nicht dargelegt. Eine solche ist der Entscheidung auch nicht zu entnehmen. Dass allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens von der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen sind, auch wenn sie der Befriedigung von Grundbedürfnissen dienen, ergibt sich - wie oben dargelegt - ohne Weiteres aus dem Gesetzeswortlaut.

163. Soweit die Klägerin eine mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch das Berufungsgericht rügt, ist damit auch kein Verfahrensmangel hinreichend dargelegt. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die Klägerin hat nicht dargelegt, einen Beweisantrag gestellt zu haben. Sie hat nicht einmal dargelegt, die von ihr nunmehr gerügte fehlende Aufklärung, ob es sich um ein behindertengerechtes Notebook oder um ein solches ohne jede behindertengerechte Ausstattung handele, selbst im Verfahren angeregt zu haben. Damit ist ein Verfahrensfehler nicht formgerecht bezeichnet.

174. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
QAAAF-04417