Instanzenzug: S 8 KR 255/11
Gründe:
I
1Im Streit steht der Anspruch auf Krankengeld (Krg) im Zeitraum vom bis zum .
2Die 1972 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin war als Bürokauffrau bis zum beschäftigt. Das SG Koblenz hat die Beklagte verurteilt, ihr Krg für die Zeit vom bis zum zu gewähren und hat im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom ). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch auf Krg sei nach Ablauf des Zeitraums von 78 Wochen (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V) am erschöpft. Seit sei die Klägerin wegen eines psychischen/psychosomatischen Leidens und einer Gastritis arbeitsunfähig gewesen. Wegen der in der Klinik für Psychosomatik in B. behandelten psychischen/psychosomatischen Erkrankung habe Arbeitsunfähigkeit (AU) bis zum , dem letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses, bestanden. Nach dem Entlassungsbericht der Klinik von April 2010 sei die Klägerin zur weiteren Ausübung dieser Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen außerstande gewesen. Der gegenteiligen Einschätzung ihrer Ärztin in der Bescheinigung vom , wonach schon im Zeitpunkt des Endes des Heilverfahrens keine AU wegen der psychischen/psychosomatischen Symptomatik mehr vorgelegen habe, folge der Senat nicht. Der Zeitraum von 78 Wochen sei weder durch das hinzugetretene Karpaltunnelsyndrom - weshalb die Klägerin vom bis arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei - zu verlängern, noch durch das bekannte Hautleiden, das erst seit zusätzlich AU verursacht habe. Für die fehlende Verlängerung der Leistungsdauer des Krg nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V spreche, dass das - zur psychischen Erkrankung hinzugetretene - Karpaltunnelsyndrom und das Hautleiden zumindest an einem Tag (am ) gleichzeitig AU verursacht haben. Dieses Ergebnis entspreche der Zweckbestimmung von § 48 SGB V (Hinweis auf - SozR 4-2500 § 48 Nr 3). Danach beruhe die Begrenzung der Leistungsdauer des Krg auf der Erwägung, Anreizen entgegenzuwirken, das Krg zweckwidrig als Dauerleistung mit Rentenersatzfunktion in Anspruch zu nehmen. Die Gesamtheit der die AU begründenden Leiden - einschließlich hinzugetretener Erkrankungen im Rechtssinne - sei daher als eine einheitlich zu beurteilende Krankheit anzusehen, wenn die Erkrankungen zumindest an einem Tag zeitgleich AU verursacht haben (vgl BSG aaO).
3Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
II
4Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Rechtsprechungsabweichung nicht formgerecht dargetan sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
51. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
6Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
7Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam die Fragen:
"inwieweit nachträgliche Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit/Arbeitsunfähigkeit bei der Beurteilung des Vorliegens von Ausnahmen vom Grundsatz der unbegrenzten Leistungsdauer des § 48 SGB V herangezogen werden können",
"ob in diesem Zusammenhang der Vertrauensschutz des Versicherten auf eine zuerst erteilte Bescheinigung höher zu bewerten ist als eine Ausweitung der abschließenden Regelung, da aus Sicht des Versicherten ansonsten keine Rechtssicherheit darüber bestehen kann, ob noch weiterer Krankengeldbezug beansprucht werden kann oder nicht."
8Hierzu führt die Klägerin aus, dass aus ihrer Sicht "eindeutig grundlegend der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu folgen" sei. Ihre Ansicht widerspreche auch nicht der zu § 48 SGB V ergangenen Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf - BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 3 und vom - B 1 KR 15/10 R - BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 4). Bereits aus den im Urteil vom (aaO) mitgeteilten Gründen spreche alles dafür, "der bisherigen Rechtsprechung des BSG zu folgen" (so S 7 der Beschwerdebegründung). Daher komme der Rechtssache unter dem "Gesichtspunkt der Rechtssicherheit" grundsätzliche Bedeutung zu (S 8 aaO).
9Dieses Vorbringen entspricht in keiner Hinsicht den aufgezeigten Darlegungserfordernissen. Es geht nicht darum, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren eine bereits vorhandene Rechtsprechung bestätigt. Klärungsbedürftigkeit ist grundsätzlich nicht (mehr) gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage höchstrichterlich bereits entschieden ist (stRspr, vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Um eine fortbestehende Klärungsbedürftigkeit darzutun, muss in solchen Fällen unter Auswertung der bisherigen Rechtsprechung des BSG substantiiert vorgetragen werden, dass neue, bisher noch nicht berücksichtigte Argumente bestehen oder dass gegen die Entscheidung des BSG von dritter Seite, etwa im Schrifttum, in nicht unerheblichem Umfang Kritik vorgebracht worden ist (stRspr, vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 65). Daran fehlt es vorliegend. Im Übrigen bleibt auch die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen offen, weil die Klägerin den vom LSG festgestellten Sachverhalt nicht nachvollziehbar dargelegt hat und daher unklar bleibt, ob die Fragen im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich wären.
10Das weitere Vorbringen, das LSG sei "von falschen Tatsachen" ausgegangen, weil es verkannt habe, dass zwei unterschiedliche Entlassungsscheine der Klinik vorgelegen hätten und das LSG fälschlicherweise auf den korrigierten Entlassungsschein vom abgestellt habe, der der Klägerin bei Entlassung am AU bescheinigt habe, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Dieser Vortrag ist unerheblich, weil die Klägerin keinen Verfahrensfehler des LSG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt hat (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Die vom LSG festgestellten, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachen sind daher für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG).
11Im Ergebnis rügt die Klägerin sinngemäß, dass das LSG ihrer Ansicht nach den Rechtsstreit unzutreffend entschieden habe. Für die Zulassung der Revision im Beschwerdeverfahren kommt es hierauf nicht an, insbesondere nicht, ob die Beurteilung des Berufungsgerichts zutrifft, oder ob die Subsumtion unter die einschlägigen Rechtssätze fehlerhaft ist. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht schon deshalb gegeben, weil das LSG die Sache vermeintlich falsch entschieden hat (vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
122. Die Klägerin hat auch den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht ordnungsgemäß aufgezeigt.
13Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).
14Die Klägerin trägt hierzu vor, das angefochtene Urteil weiche von den zitierten Urteilen des und vom (vgl BSG aaO) ab. Hierzu nimmt sie lediglich Bezug auf ihre Ausführungen, die sie im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt hat. Diesen Ausführungen sind aber keine abstrakten, einander widersprechenden Rechtssätze zu entnehmen. Insofern enthält die Beschwerdebegründung Wiedergaben aus Passagen des Urteils des LSG (S 2, 3 der Beschwerdebegründung) und ein Zitat aus dem (BSG aaO, S 5 der Beschwerdebegründung). Es bleibt offen, woraus sich die entscheidungserhebliche Divergenz zwischen einem abstrakten Rechtssatz des BSG und einem solchen des LSG ergeben soll. Dies wäre in der Beschwerdebegründung aber klar und deutlich anzugeben gewesen. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, sich hierzu die jeweiligen Elemente und Ausführungen aus der Beschwerdebegründung selbst herauszusuchen (stRspr, vgl ; vom - B 13 R 260/12 B; vom - B 4 RA 97/00 B; alle veröffentlicht in Juris).
15Der Senat war auch nicht verpflichtet, der Bitte des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nachzukommen und einen richterlichen Hinweis zu erteilen, falls weiterer Sachvortrag erforderlich sei. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen (vgl - Juris; vom - B 13 R 31/13 R - BeckRS 2014, 67335 mwN). Gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG. Überdies wäre weiterer Sachvortrag innerhalb der bis einschließlich zum verlängerten Begründungsfrist (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG) kaum möglich gewesen, weil die Beschwerdebegründung erst am letzten Tag der - nicht erneut verlängerbaren - Frist beim BSG eingegangen ist.
16Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
17Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
18Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstelle(n):
IAAAF-04395