BGH Urteil v. - 3 StR 198/15

Instanzenzug:

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Heimtückemordes zu der Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, das Landgericht habe den Angeklagten rechtsfehlerhaft nicht in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht (§ 63 StGB). Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

21. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler von der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen, denn es hat nicht sicher feststellen können, das dessen Steuerungsfähigkeit bei der Begehung der Tat infolge einer krankhaften seelischen Störung erheblich vermindert war (§§ 63, 21 StGB); es hat eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit lediglich nicht ausschließen können. Die dem zu Grunde liegende Würdigung der Beweise begegnet entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keinen rechtlichen Bedenken.

3a) Der 23-jährige, bislang nur wegen Diebstahls in Erscheinung getretene Angeklagte leidet an einer chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Nachdem er am Vortag die ihm monatlich zustehende Sozialleistung in Höhe von 329 € in bar erhalten hatte, begab er sich am Nachmittag des 2. Juli 2014 zunächst zweimal in die Unterkunft der ihm bis dahin unbekannten späteren Getöteten, um dort jeweils gegen Bezahlung deren Dienste als Prostituierte in Anspruch zu nehmen. Gegen 19.30 Uhr kehrte er wie angekündigt nochmals zurück, wobei er nunmehr ein einseitig geschliffenes Messer mit etwa 11 cm langer Klinge bei sich führte. Von seinem Bargeld waren ihm lediglich noch 10 € verblieben. Während er den linken Arm um die Frau legte, stach er mit dem in der rechten Hand gehaltenen Messer unvermittelt insgesamt zehnmal in Tötungsabsicht auf deren Körper ein. Um ihre Schreie zu unterdrücken, hielt er ihr sodann über geraume Zeit hinweg Mund und Nase zu, sodass sie nach kurzer Zeit an Verbluten und Ersticken verstarb. Spätestens nach dem von ihm festgestellten Eintritt des Todes entschloss sich der Angeklagte, die Habe seines Opfers nach Wertsachen zu durchsuchen. Vorgefundene 80 € Bargeld, ein iPhone und einen Laptop nahm er an sich und entfernte sich damit.

4Davon, dass der Angeklagte sein Opfer beim dritten Besuch deshalb tötete, weil er infolge der mit seiner Erkrankung einhergehenden Persönlichkeitsveränderung aus einem lautstarken Wortwechsel beim vorangegangenen Verlassen der Unterkunft auf Ablehnung und Zurückweisung schloss, hat sich das Landgericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit überzeugen können. Das Landgericht hält es vielmehr für möglich, dass der Angeklagte handelte, um sich in den Besitz von Bargeld oder anderen Wertsachen des Opfers zu bringen.

5b) Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die für die Rechtsfolgen bedeutsamen Umstände zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugungsbildung überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ 2014, 507, 508).

6c) Nach diesen Maßstäben ist gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts von Rechts wegen nichts zu erinnern.

7aa) Sachverständig beraten sieht das Landgericht zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass in der Tatsituation ein akutes Wahnerleben im Sinne einer produktiv-psychotischen Symptomatik zum Tragen kam. Die Wahnthematik des Angeklagten sei bislang wesentlich geprägt gewesen durch angstvollbedrohlich erlebte Beeinträchtigungen seitens Familienangehöriger; "Stimmen" hätten ihm den Abbruch der familiären Beziehungen nahe gelegt. Delikte wie Körperverletzungen und Widerstandshandlungen weise sein Vorleben nicht auf. Auch habe ausreichende Gelegenheit gefehlt, das Tatopfer, das er erst kurz vor der Tat kennengelernt habe, in Wahnideen einzubauen.

8bb) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht aber auch die durch die chronifizierte, sich nunmehr über fünf bis sechs Jahre unbehandelt entwickelnde Erkrankung hervorgerufene Persönlichkeitsstörung des Angeklagten und deren mögliches Zusammenspiel mit dem vor der Tat konsumierten Alkohol hinreichend in Bedacht genommen. Vorgeschichte und Aussagen von Zeugen aus dem persönlichen Umfeld belegten neben dissozialen Persönlichkeitszügen eine untergesteuerte Affektregulation, eine hochgradige Kränkbarkeit sowie einen paranoiden Denkstil, der von Misstrauen, emotionaler Kälte und geringer Empathiefähigkeit bis hin zu offener Feindseligkeit und Hass geprägt sei. Hieraus ergebe sich ein erhöhtes Risiko für gewalttätiges Verhalten; angesichts der aus psychiatrischer Sicht ernstzunehmenden anlasslosen Bemerkung des Angeklagten gegenüber einem Zeugen, er könne "auch töten", stehe dieser Annahme auch die unauffällige Vorgeschichte nicht entgegen.

9Wiederum sachverständig beraten misst das Landgericht unter diesen Umständen dem vorangegangenen Wortwechsel des Angeklagten mit dem späteren Tatopfer entscheidende Bedeutung bei. Sollte es zu einer streitigen Auseinandersetzung gekommen sein, so wären in Anbetracht der Schwere des Krankheitsbildes die Voraussetzungen einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit sicher gegeben. Anderes gälte indes, wenn das spätere Tatopfer lediglich in einem ansonsten unverfänglichen Gespräch die Stimme erhoben hätte. Dass der Angeklagte aufgrund seiner verfestigten Persönlichkeitsveränderung und unter dem Einfluss des konsumierten Alkohols als konstellativem Faktor eine solche Situation missverstanden, sie als Verletzung oder Zurückweisung empfunden und deshalb überschießende Impulsivität entwickelt hätte, liege zwar nahe; sicher feststellen ließe sich eine solche Fehlinterpretation aus psychiatrischer Sicht jedoch nicht.

10Hinreichende Indizien für einen Streit hat das Landgericht indes nicht gewinnen können. Der im Übrigen geständige Angeklagte hat jede vorangegangene Auseinandersetzung mit der später Getöteten in Abrede gestellt. Diese selbst hatte einer wegen möglicher "Probleme" herbeigeeilten Arbeitskollegin erklärt, man habe lediglich infolge Verständigungsschwierigkeiten - es blieb nur die von beiden unzureichend beherrschte englische Sprache - lauter gesprochen; über den angekündigten weiteren Besuch des Angeklagten hatte sie sich erfreut gezeigt. Wenn das Landgericht hiernach und angesichts dessen, dass der zwischenzeitlich mittellose Angeklagte nach der Tötung sogleich zur Wegnahme von Wertgegenständen schritt, einen von vornherein geplanten Raubmord für möglich gehalten hat, ist dies von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Mit der Frage, ob (auch) bei Zugrundelegung einer solchen Tatvariante die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten krankheitsbedingt erheblich vermindert gewesen wäre, brauchte sich das Landgericht entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht auseinanderzusetzen, denn nach dem ausführlich mitgeteilten Ergebnis des psychiatrischen Sachverständigengutachtens liegt dies mangels zureichenden Bezugs zum Krankheitsbild des Angeklagten fern.

112. Die Bemessung der Strafe weist keinen Rechtsfehler zum Vorteil oder zum Nachteil (§ 301 StPO) des Angeklagten auf. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob die Revision wirksam auf die Nichtanordnung der Maßregel beschränkt ist oder den Rechtsfolgenausspruch insgesamt erfasst.

Fundstelle(n):
TAAAF-02501