Zur Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen; inhaltsgleich mit
Leitsatz
Der Gewinn aus der Veräußerung einer an der Börse gehandelten Inhaberschuldverschreibung, die einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung physischen Goldes verbrieft und den aktuellen Goldpreis abbildet, ist jedenfalls dann nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig, wenn die Emittentin verpflichtet ist, das ihr zur Verfügung gestellte Kapital nahezu vollständig zum Erwerb von Gold einzusetzen.
Vergleichbar .
Gesetze: EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, EStG § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3b, EStG § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, EStG § 22 Nr. 2, EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, EStG § 52a Abs. 10 Satz 6, EStG § 52a Abs. 10 Satz 3
Instanzenzug: ,
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb im September 2008 Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen (Xetra-Gold), die sie im April 2011 mit einem Gewinn in Höhe von 18.936,76 € veräußerte.
2 Bei Xetra-Gold handelte es sich um ein börsenfähiges Wertpapier in Form einer nennwertlosen, in ihrer Laufzeit unbefristeten Inhaberschuldverschreibung. Jede Teilschuldverschreibung von Xetra-Gold gewährte dem Inhaber das Recht auf Auslieferung eines Gramms Gold, das jederzeit unter Einhaltung einer Lieferfrist von zehn Tagen gegenüber der Hausbank geltend gemacht werden konnte. Daneben bestand die Möglichkeit, die Wertpapiere an der Börse zu veräußern.
3 Zur Besicherung und Erfüllbarkeit der Auslieferungsansprüche war die Inhaberschuldverschreibung jederzeit durch Gold gedeckt. Dabei überschritt der tatsächlich physisch eingelagerte Goldbestand stets die gemäß Anleihebedingungen vorgegebene Mindestgrenze von 95 %. Der verbleibende Teil wurde durch kurzfristige Lieferansprüche auf Gold gesichert. Eine Kapitalrückzahlung war nach den Emissionsbedingungen ausgeschlossen. Lediglich Anleger, die durch Gesetz, Verordnung, Satzung oder Anlagerichtlinien nicht in den Besitz physischen Goldes gelangen durften, konnten Xetra-Gold an das emissionsbegleitende Institut zurückgeben, welches das für die Wertpapiere hinterlegte Gold am Markt verwertete.
4 Bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr (2011) legte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) den von der Klägerin erzielten Gewinn aus dem Verkauf der Xetra-Gold als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) der Besteuerung zugrunde. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das Finanzgericht (FG) der dagegen gerichteten Klage mit Urteil vom 1 K 1406/13 stattgegeben.
5 Mit der —vom FG zugelassenen— Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei die Inhaberschuldverschreibung Xetra-Gold als sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu qualifizieren, so dass der Gewinn aus deren Veräußerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig sei. Xetra-Gold sei weder ein reines Finanzprodukt noch eine direkte Anlage in den Rohstoff Gold, sondern eine Verbindung beider Anlageformen. Da die Auslieferung von Gold nach den Emissionsbedingungen mit erheblichen Kosten verbunden sei, würde ein Großteil der Anleger den Lieferanspruch nicht geltend machen, sondern die Kurssteigerungen des Wertpapiers an der Börse realisieren. Durch den Auffangtatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG habe der Gesetzgeber klargestellt, dass nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG Erträge aus der Veräußerung von Kapitalforderungen unabhängig von ihrer Bezeichnung oder zivilrechtlichen Ausgestaltung steuerlich erfasst werden sollten. Danach falle auch Xetra-Gold unter die Regelung. Sollte dies zu verneinen sein, wäre der Veräußerungsgewinn jedoch als Termingeschäft i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG zu besteuern.
6 Das FA beantragt,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7 Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
8 II. Die Revision des FA ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
9 1. Der von der Klägerin erzielte Gewinn aus der Veräußerung der Xetra-Gold führt nicht zu steuerbaren Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, da die Schuldverschreibung nicht als sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu beurteilen ist.
10 a) Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach letztgenannter Vorschrift gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG).
11 b) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach diesen Regelungen im Streitfall nicht gegeben sind, da die von der Klägerin veräußerten Xetra-Gold keine Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind.
12 aa) Unter den Begriff der Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbestand i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 oder 8 bis 11 EStG ergibt, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs (vgl. , BFHE 248, 5, BStBl II 2015, 276; vom VIII R 53/05, BFHE 219, 339, BStBl II 2008, 563; vom VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175; vom VIII R 306/81, BFHE 145, 320, BStBl II 1986, 252, jeweils m.w.N.; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 34. Aufl., § 20 Rz 100). Nicht darunter fallen indes Ansprüche auf die Lieferung anderer Wirtschaftsgüter, insbesondere auf eine Sachleistung gerichtete Forderungen (Hamacher/Dahm in Korn, § 20 EStG Rz 280; Geurts in Bordewin/Brandt, § 20 EStG Rz 326; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rz C/7 98; Storg in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 20 Rz 160; Jachmann/ Lindenberg in Lademann, EStG, § 20 EStG Rz 392, 423; Blümich/ Ratschow, § 20 EStG Rz 308; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach —HHR—, § 20 EStG Rz 295, Stichwort: Lieferschuldverschreibungen mit physischer Deckung; Haisch, Betriebs-Berater 2014, 2333, 2334 f.; a.A. , BStBl I 2010, 94, und vom IV C 1-S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953, jeweils Rz 57; Dornheim, Der Betrieb 2014, 2312, 2314 f.).
13 bb) Danach sind die von der Klägerin veräußerten Xetra-Gold keine sonstigen Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da sie nicht einen Anspruch auf Geld, sondern auf eine Sachleistung verkörpern. Nach den Emissionsbedingungen hatte die Klägerin gegen die Emittentin der Inhaberschuldverschreibungen ausschließlich einen Anspruch auf die Lieferung von Gold. Die Zahlung von Geld war ausgeschlossen. Zudem war die Emittentin nach den Emissionsbedingungen nicht berechtigt, über das von ihr bei der Ausgabe der Inhaberschuldverschreibungen eingesammelte Kapital frei zu verfügen, da sie verpflichtet war, dieses zur Besicherung der verbrieften Auslieferungsansprüche zu mindestens 95 % in physisches Gold zu investieren. Sie hatte danach kein eigenständiges Kapitalnutzungsrecht i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (vgl. Hamacher/Dahm in Korn, § 20 EStG Rz 281).
14 cc) Der Anspruch der Klägerin auf die Lieferung von Gold wird auch nicht dadurch zu einem Anspruch auf Geld, dass sie nach den Emissionsbedingungen die Möglichkeit hatte, Xetra-Gold am Sekundärmarkt zu veräußern. Die Veräußerung begründet lediglich ein weiteres Rechtsverhältnis, das unabhängig vom schuldrechtlichen Lieferungsanspruch, der Gegenstand der Inhaberschuldverschreibung ist, zu beurteilen ist. Für rechtlich unerheblich erachtet der Senat in diesem Zusammenhang, dass —wie die Klägerin— eine Vielzahl von Anlegern Xetra-Gold und damit den Lieferanspruch am Sekundärmarkt veräußerten, um die Kosten für die Auslieferung des physischen Goldes zu sparen. Es steht jedem Steuerpflichtigen frei, sich für die nach seiner Auffassung für ihn günstigste Handlungsalternative zu entscheiden.
15 c) Da keine sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vorliegt, sind auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG nicht erfüllt. Aus der Gesetzesbegründung zur Neureglung dieser Vorschrift durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom (BGBl I 2007, 1912) wird deutlich, dass Gewinne aus der Veräußerung von Ansprüchen auf Sachleistungen von der Vorschrift nicht erfasst werden sollen, da die Regelung als Auffangtatbestand gestaltet wurde, um „die Besteuerung des Vermögenszuflusses aus der Veräußerung, Abtretung oder Endeinlösung von sonstigen Kapitalforderungen zu sichern“ (BTDrucks 16/4841, S. 56; BRDrucks 220/07, S. 89). Für diese Auslegung spricht auch die Anwendungsregelung in § 52a Abs. 10 Satz 6 bis 8 EStG, nach der § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG erstmals auf nach dem zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden ist.
16 2. Eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG ist unabhängig davon, ob dessen Voraussetzungen vorliegend überhaupt erfüllt sind, ausgeschlossen, weil die Vorschrift nach der Anwendungsregelung in § 52a Abs. 10 Satz 3 EStG erstmals auf Gewinne aus Termingeschäften anzuwenden ist, bei denen der Rechtserwerb nach dem erfolgt ist. Die Klägerin hat die in Rede stehenden Inhaberschuldverschreibungen im September 2008 erworben, d.h. vor diesem Zeitpunkt. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG findet daher in dem hier zu entscheidenden Fall schon zeitlich keine Anwendung.
17 3. Im Ergebnis sind der Erwerb und die Einlösung oder der Verkauf von Xetra-Gold wie ein unmittelbarer Erwerb und unmittelbarer Verkauf physischen Goldes zu beurteilen. Dass die Klägerin nicht Eigentümerin des Goldes war, sondern nur einen schuldrechtlichen Lieferanspruch besaß, ändert daran nichts. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat derartige „Goldgeschäfte“ im Geltungsbereich der Vorgängerregelung stets als private Veräußerungsgeschäfte i.S. von § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angesehen (vgl. , BFHE 236, 362, BStBl II 2012, 564; Hamacher/Dahm in Korn, § 20 EStG Rz 280; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rz C/7 98; HHR/Buge, § 20 EStG Rz 295, Stichwort: Lieferschuldverschreibungen mit physischer Deckung; Blümich/Ratschow, § 20 EStG Rz 308). Im Streitfall ist die insoweit maßgebliche Jahresfrist zwischen Anschaffung und Veräußerung jedoch überschritten, so dass auch die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach dieser Vorschrift nicht erfüllt sind.
18 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 1559 Nr. 11
VAAAF-01952