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Umsatzsteuerliche Behandlung von Telekommunikationsdienstleistungen und telekommunikationsgestützten Diensten

1. Allgemeines

Der Betreiber eines Telekommunikationsnetzes (sog. Teilnehmernetzbetreiber – TNB –) ist verpflichtet, seinem Kunden Zugang zu gewähren zu Leistungen anderer Anbieter von Netzdienstleistungen (sog. Verbindungsnetzbetreiber – VNB –) sowie zu Leistungen sonstiger Anbieter, die diese über den Netzzugang des TNB erbringen (§ 21 Telekommunikationsgesetz – TKG –).

Beim Interconnectionverfahren kann der Kunde wählen, ob er dauerhaft („Preselection”) oder fallweise („call-by-call-Selection”) Leistungen eines anderen VNB in Anspruch nehmen möchte. In beiden Fällen hat der Kunde ein Wahlrecht, ob er die Telekommunikationsdienstleistungen des VNB direkt von diesem abgerechnet haben möchte oder ob er die Berechnung der Leistungen durch seinen TNB durchführen lässt. Im Rahmen der Ausübung dieses Wahlrechts (auch „Carrier-Selection” genannt) arbeiten der TNB und VNB zusammen (sog. Interconnection).

Beim Premium-Dienst (z. B. 0900-Nummer) erbringt ein sonstiger Anbieter sog. Inhaltsleistungen wie z. B. Verkehrs-, Wetter- oder Börsennachrichten. Der Kunde ruft die Inhaltsleistungen über Service-Rufnummern ab, bei denen i. d. R. ein erhöhtes Verbindungsentgelt anfällt.

Beim Dienst mit Kostenteilung (z. B. 0180-Nummer) wird das für die Verbindung zu entrichtende Entgelt zwischen dem Angerufenen und dem Anrufer aufgeteilt.

Rechnet der TNB über die Leistung der anderen Anbieter ab, hat er in der Rechnung jeweils Namen, Anschrift, Kundendiensttelefonnummer und die Gesamthöhe des auf den einzelnen Anbieter entfallenden Entgelts zu nennen (§ 45h Abs. 1 TKG). Da der TNB bezüglich dieser Leistungen nicht leistender Unternehmer ist, entspricht die Abrechnung nicht den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG für eine ordnungsgemäße Rechnung. Um daraus resultierende Probleme zu vermeiden, wird gesetzlich eine Dienstleistungskommission fingiert (sogenannte Branchenlösung).

2. Umsätze bis zum

2.1 Fiktion einer Dienstleistungskommission

Rechnet der TNB im Interconnectionverfahren, beim Premium-Dienst oder beim Dienst mit Kostenteilung gegenüber dem Kunden über die Leistung eines anderen Anbieters ab, gilt die Leistung für Zwecke der Umsatzsteuer als vom TNB im eigenen Namen und für fremde Rechnung an den Kunden erbracht (§ 45h Abs. 4 TKG in der bis zum geltenden Fassung). Damit werden die Voraussetzungen der Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11 UStG fingiert. Umsatzsteuerlich gilt die Leistung als vom anderen Anbieter an den TNB und von diesem an den Kunden erbracht. Auf beiden Stufen liegen Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne von § 3a Abs. 4 S. 2 Nr. 11 UStG in der bis zum geltenden Fassung vor. Denn bei einer Dienstleistungskommission werden die Leistungen bezüglich ihres Inhalts gleich behandelt (Abschn. 3.15 Abs. 2 Satz 1 UStAE) .

Werden mehrere andere Anbieter zwischengeschaltet, gelten die vorstehenden Ausführungen in allen Fällen entsprechend.

Bei einem Dienst mit Kostenteilung erbringt der TNB neben der Leistung an den Kunden im Rahmen der Dienstleistungskommission noch eine Telekommunikationsdienstleistung an den Anbieter. Er verschafft ihm die Möglichkeit, bundesweit zu einem einheitlichen Tarif erreichbar zu sein. Entgelt ist der auf den Dienstanbieter entfallende Teil der Gebühren.

2.2 Keine Fiktion Dienstleistungskommission

Beim Download von Klingeltönen, Logos, Handy-Games u. Ä. werden die Voraussetzungen einer Dienstleistungskommission nicht fingiert. § 45h Abs. 4 TKG gilt nur für Leistungen, die der Kunde während der Telekommunikationsverbindung in Anspruch nimmt und deren Nutzung nach Beendigung der Verbindung nicht möglich ist. Die genannten Inhalte kann der Kunde jedoch nach dem Herunterladen ohne Telekommunikationsverbindung nutzen.

Haben alle an einer Leistungskette Beteiligten dennoch entsprechend § 45h Abs. 4 TKG abgerechnet, wird dies für vor dem ausgeführte Umsätze nicht beanstandet.

2.3 Grenzüberschreitende Sachverhalte

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kann es wegen des auf das Inland begrenzten Anwendungsbereichs des TKG zu einer Doppelbesteuerung kommen.

Beispiel:

Der Anbieter ist in Deutschland ansässig, der private Endkunde in Großbritannien. Als abrechnender TNB fungiert ein britisches Telekommunikationsunternehmen.

Es handelt sich nicht um einen Fall des § 45h Abs. 4 TKG, weil kein deutscher TNB die Leistung des deutschen Anbieters gegenüber dem britischen Endkunden abrechnet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Dienstleistungskommission werden nicht fingiert. Folglich erbringt der deutsche Anbieter seine Leistung direkt an den britischen Endkunden. Die Leistung unterliegt in Deutschland der Besteuerung (§ 3a Abs. 1 UStG). Die britische Finanzbehörde geht jedoch von einer grenzüberschreitenden Dienstleistungskommission und damit von einer sonstigen Leistung des deutschen Anbieters an den britischen TNB aus. Der britische TNB behält Mehrwertsteuer ein (umgekehrte Steuerschuldnerschaft).

Um bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, ist die Branchenlösung auch anzuwenden, wenn das TKG für den TNB zwar nicht gilt, weil dieser im Ausland ansässig ist, der ausländische Staat aber entsprechend der Branchenlösung verfährt. Voraussetzung ist somit, dass der ausländische TNB auch die Leistungen vorgeschalteter anderer Anbieter der Besteuerung unterwirft (Prinzip der Gegenseitigkeit).

Für Zeiträume bis einschließlich 2011 reicht für die Anwendung der Branchenlösung über die Grenze hinweg aus, dass der inländische Anbieter die Umsatzbesteuerung seiner Leistung durch den ausländischen TNB glaubhaft macht. Dafür sind folgende Unterlagen ausreichend:

  • Für Zeiträume bis einschließlich 2009 exemplarische (Mobil-)Telefon -Rechnungen für jeden betroffenen Staat und dort für jeden eingeschalteten TNB, aus denen sich die Abrechnung der Endverbraucher-Umsätze ergibt sowie für jede dieser exemplarischen Rechnungen die Bestätigung des TNB, dass er derart offen ausgewiesene Steuer grundsätzlich abführt.

  • Für Zeiträume ab 2010 sind durch die Anforderung zusätzlicher Unterlagen an die Glaubhaftmachung erhöhte Maßstäbe anzulegen. In Betracht kommen die Ermittlung und Mitteilung des Jahres-Umsatzvolumens für die über den jeweiligen TNB abgerechneten Inhaltsleistungen (Endverbraucher-Umsätze) sowie die Vorlage von Service-Verträgen zwischen den Anbietern und Payment-Anbietern/Aggregatoren.

Für Zeiträume ab 2012 ist ein Nachweis zu verlangen. Bisher konnte nicht geklärt werden, welche Unterlagen als Nachweis in Betracht kommen. In Zweifelsfällen bitte ich, zu berichten.

2.4 Vorsteuerabzug

Aus den Rechnungen des TNB ist auch hinsichtlich der Abrechnung über Leistungen anderer Anbieter – bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen – der Vorsteuerabzug zu gewähren, weil der TNB nach der Branchenlösung als leistender Unternehmer anzusehen ist.

3.  Umsätze ab

Für die vom TNB abgerechneten Leistungen anderer Anbieter fingiert nunmehr § 3 Abs. 11a UStG die Voraussetzungen einer Dienstleistungskommission im Sinne des § 3 Abs. 11 UStG. Voraussetzung der Fiktion ist, dass der TNB nicht lediglich Zahlungen abwickelt, sondern in die Erbringung der Leistung eingeschaltet ist und den anderen Anbieter weder in der vertraglichen Vereinbarung mit dem Kunden noch in der Rechnung an den Kunden benennt. Die Fiktion gilt auch dann, wenn der TNB den anderen Anbieter zwar benennt, aber die Abrechnung gegenüber dem Kunden autorisiert oder die Erbringung der Leistung des anderen Anbieters genehmigt oder die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung regelt.

Sollten zur Auslegung der Vorschrift Zweifelsfragen auftreten, bitte ich, zu berichten.

Auf allen Stufen liegen Telekommunikationsdienstleistungen vor. Ein anderer Anbieter führt seine Leistung dort aus, wo der TNB sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 2 UStG). Ist der Kunde des TNB ein Unternehmer, der die Leistung für sein Unternehmen bezieht, erbringt der TNB die Leistung dort, wo der Kunde sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 2 UStG). Ist Kunde des TNB ein in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG genannter Empfänger, erbringt der TNB seine Leistung dort, wo der Kunde seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat (§ 3a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UStG).

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Fundstelle(n):
KAAAF-00278