Das BMF und die Arithmetik in der Kassenführung
Im [i]Ainsworth, Zappers – Retail VAT Fraud, http://go.nwb.de/qwb05Editorial von Ausgabe 11 dieser Zeitschrift fragte BBK-Herausgeber Bernd Rätke (rhetorisch), was der Bundesregierung über die Höhe des Steuerschadens aus Kassenmanipulationen bekannt ist. Wenn man den von ihm beschriebenen Ausführungen in der Bundestags-Drucksache 18/4439 glauben durfte: nicht viel. Nun heißt es auch in einem Sachstandsbericht „Manipulation digitaler Grundaufzeichnungen und Kassendaten“ anlässlich der Finanzministerkonferenz am , die vom Bundesrechnungshof und dem Finanzministerium Nordrhein-Westfalen angestellten Hochrechnungen über Steuerausfälle von fünf bis zehn Mrd. Euro „entbehren jeder nachprüfbaren Grundlage“. Steuerausfälle aus einer Studie für die Provinz Québec seien auf deutsche Verhältnisse übertragen worden. Die kanadischen Behörden würden einem Arbeitspapier der Boston University of Law zufolge die Ausfälle auf 133 Mio. CAD und für zwei Jahre schätzen. Das BMF informierte nun die Mitglieder des Finanzausschusses beim Bundestag und übersandte den Sachstandsbericht und auch das wissenschaftliche Arbeitspapier aus Boston. Nun können die Mitglieder im Finanzausschuss seriös beurteilen, wie hoch das steuerliche Risiko aus nicht ordnungsgemäß geführten Kassen ist. Können sie?
Die Summe von 133 Mio. CAD wird in dem Arbeitspapier tatsächlich genannt. Diesen Wert allerdings derartig hervorzuheben, somit die Steuerausfälle in die Nähe einer Rundungsdifferenz zu rücken und dann auch noch auf zwei Jahre zu verteilen, grenzt an Desinformation. Denn der Wert bezieht sich auf das Fiskaljahr 2007/2008 (1. 4. bis 31.3.), umfasst also durchaus einen Zeitraum von 12 Monaten. Die 133 Mio. CAD betreffen auch nur eine einzige Steuer. Die tatsächlich in dem Arbeitspapier genannte Summe beträgt insgesamt 425 Mio. CAD für die Provinz Québec mit acht Millionen Einwohnern. Der Autor des Arbeitspapiers schätzt die Steuerausfälle in Deutschland mit 80 Mio. Einwohnern auf 3,1 Mrd. Euro – aber nur für den Restaurant-Sektor, also ohne die übrigen Branchen mit Barzahlungen. Die Schätzungen entbehren also keineswegs jeder Grundlage, sondern sind eher recht plausibel. Vor allem decken sie sich mit den Erfahrungen vieler Steuerberater und der Finanzverwaltung.
Der [i]Teutemacher, Handbuch zur Kassenführung, Herne 2015Bundesrechnungshof hat bereits 2003 auf das erhebliche steuerliche Risiko aus nicht ordnungsgemäß geführten Kassen hingewiesen (BT-Drucks. 15/2020). Aktuell ist ein weiterer Prüfbericht hierzu in Arbeit, in dem einer Meldung des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ zufolge von einem „strukturellen Vollzugsdefizit“ im Bereich der Kassen die Rede ist. Die Länder haben nun ebenfalls von einer flächendeckenden Einführung des INSIKA-Verfahrens Abstand genommen, vor allem aufgrund des Widerstands aus dem Bundesfinanz- und dem Bundeswirtschaftsministerium. Gastronomen und alle Unternehmer in Branchen mit Barzahlungen werden also weiter das Problem haben, eine ordnungsgemäße Kassenführung zweifelsfrei nachzuweisen. Warum die Abrechnungssysteme aber unbedingt Barzahlungen und Kreditkarten-Umsätze trennen müssen, weil sonst allein aus formalen Gründen Hinzuschätzungen erfolgen, zeigt BBK-Autor Tobias Teutemacher in dieser Ausgabe ab Seite 768.
Christoph Linkemann
Fundstelle(n):
BBK 2015 Seite 721
NWB NAAAE-98684