Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Verminderte Schuldfähigkeit durch einen länger andauernden Zustand bei Persönlichkeitsstörung mit mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle
Gesetze: § 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB, § 267 StPO
Instanzenzug: Az: 22 KLs 3/14
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in zwei Fällen, Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung, Sachbeschädigung in zwei Fällen und wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet; im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision ist auf den Maßregelausspruch beschränkt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
21. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Maßregelausspruch, der grundsätzlich isoliert auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. auch Senat, Beschluss vom - 2 StR 551/97; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 53; Gericke in KK, StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 12; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1322, jeweils mwN), ist hier wirksam, da keine untrennbare Wechselwirkung zum Schuld- bzw. Strafausspruch besteht.
32. Gegen die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Maßregel setzt u.a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr., vgl. nur , BGHSt 34, 22, 27; Beschluss vom - 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385 f.; Senat, Beschluss vom - 2 StR 602/13, insoweit in NStZ-RR 2014, 207 nicht abgedruckt). Das Vorliegen eines solchen länger andauernden Zustands ist hier nicht belegt.
4a) Die - sachverständig beratene - Jugendkammer hat festgestellt, dass beim Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten (März bis September 2013) das Merkmal der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne der §§ 20, 21 StGB in Form einer erheblichen Störung der Affektverarbeitung in Kombination mit einer extremen - aufgrund sozialer Vereinsamung und Isolation in Deutschland entstandenen - Grundanspannung vorlag. In bestimmten objektiv oder lediglich subjektiv empfundenen Belastungssituationen, die "sozusagen das Fass zum Überlaufen bringen", gerate der Angeklagte wegen seiner mangelnden Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit. Mit den Sachverständigen ist das Landgericht der Auffassung, dass die beim Angeklagten bestehende extreme Grundanspannungslage fortbestehe, denn "die Situation des Angeklagten in Deutschland hat bisher keine positive Veränderung erfahren und wird dies auch in Zukunft nicht. Diese extreme Anspannungslage kann durch das Hinzutreten eines beliebigen weiteren Ereignisses [...] zu einem förmlichen 'Ausrasten' des Angeklagten führen", zumal "Alkoholkonsum zu einer zusätzlichen Enthemmung" führt.
5b) Diese Feststellungen des Landgerichts ergeben den für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlichen länger andauernden Zustand (zumindest) verminderter Schuldfähigkeit nicht.
6Bereits nicht belegt ist die Annahme des Landgerichts, die Situation des - bei nahezu allen Taten alkoholisierten - Angeklagten in Deutschland werde auch in Zukunft keine positive Veränderung erfahren, zumal im Wesentlichen die aus Sicht des Angeklagten unzureichende Wohnsituation im Asylbewerberheim jeweils tatkonstellierend gewesen ist.
7Zudem reicht die auf die Persönlichkeitsstörung in Kombination mit der Grundanspannung zurückzuführende Disposition des Angeklagten, in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten, zur Bejahung eines dauernden Zustands im Sinne des § 63 StGB nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 452/04; vom - 2 StR 582/06, BGHR StGB § 63 Zustand 39; vom - 4 StR626/07, NStZ-RR 2008, 140, 141). Denn die Störung der Affektverarbeitung führt erst in Kombination mit der - aufgrund sozialer Vereinsamung und Isolation entstandener - Grundanspannungslage und einer zusätzlichen Belastungssituation zur tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, wobei der Alkoholkonsum "zu einer zusätzlichen Enthemmung" führt. Ein dauerhaft bestehender, den Täter beeinträchtigender psychischer Zustand ist damit nicht ausreichend belegt.
83. Da der Angeklagte im Zeitpunkt der Taten bereits erwachsen war, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.
Fischer Krehl Eschelbach
Zeng Bartel
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TAAAE-96968