BGH Beschluss v. - 4 StR 144/15

Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme; Anstiftung nach schon erfolgter Tatplanung

Gesetze: § 30 Abs 1 Nr 4 BtMG, § 25 StGB, § 26 StGB, § 27 StGB

Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 49 KLs 600 Js 16/14 - 12/14

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.3.a. der Urteilsgründe), unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.3.b. der Urteilsgründe) und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.3.c. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Verfallsanordnung getroffen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte im Fall II.3.b. nicht wegen (mittäterschaftlich begangener) unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sondern wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.

3a) Der Angeklagte war spätestens seit Anfang des Jahres 2013 Mitglied einer "organisierten, kriminellen Struktur", die einen umfangreichen Handel mit erheblichen Mengen hochwertigen Marihuanas betrieb. Die Gruppierung verbrachte mittels angeworbener Kurierfahrer auf Veranlassung des hauptsächlich für die Lieferungen verantwortlichen      D.    Mengen von ca. 10 bis 15 Kilogramm Marihuana über die niederländische Grenze nach Deutschland. Vornehmlicher Bestimmungsort war B.   . Der in H.   wohnende Angeklagte leistete Unterstützungstätigkeiten, indem er unter anderem Kuriere anwarb. Im September 2013 vermochte er auch den gesondert verfolgten      T.    als Kurierfahrer für die Gruppe zu gewinnen. Anfang Oktober plante der Angeklagte (auf eigene Rechnung) ein Kilogramm Marihuana gewinnbringend an     K.    aus N.     zu verkaufen. Er nahm deshalb Kontakt zu D.    in den Niederlanden auf. Beide kamen überein, dass D.    der nächsten für B.   bestimmten und in dem üblichen Umfang stattfindenden Lieferung ein Kilogramm Marihuana für den Angeklagten beifügen werde. Als Kaufpreis wurden 4.000 Euro vereinbart. Am fand die nächste größere Lieferung von Marihuana nach B.    statt. Als Kurierfahrer neben      D.    fungierte         T.   .        D.    belud das für den Transport vorgesehene Fahrzeug in E.       mit mindestens 10 Kilogramm Marihuana, die in zwei Reisetaschen verpackt waren, und legte das für den Angeklagten bestimmte eine Kilogramm Marihuana - verpackt in einer Plastikeinkaufstüte - hinter dem Beifahrersitz ab. Anschließend verbrachte er gemeinsam mit      T.    und anderen unbekannten Mittätern das Marihuana über die niederländisch-deutsche Grenze auf das Bundesgebiet. Danach fuhr      T.    auf Anweisung von        D.    zunächst nach H.    und übergab dort dem Angeklagten das für ihn bestimmte Marihuana. Sodann begab er sich mit der im Kofferraum befindlichen größeren Menge nach B.   . Der Angeklagte verkaufte das Kilogramm Marihuana noch am Abend des in N.     für 4.250,- Euro an        K.    weiter. Beide Rauschgiftmengen hatten einen Tetrahydrocannabinol-Anteil von mindestens 5 %.

4b) Die Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte (tateinheitlich) einer mittäterschaftlich begangenen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht hat.

5aa) Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erforderlich, dass der Täter der Einfuhr die Betäubungsmittel eigenhändig ins Inland verbringt, vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht selbst nach Deutschland transportiert, (Mit-)Täter der Einfuhr des unmittelbar handelnden Täters sein. Voraussetzung ist aber, dass er dabei einen Tatbeitrag erbringt, der sich bei wertender Betrachtung nicht bloß als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit aller Mitwirkenden darstellt, und die Tathandlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Wesentliche Anhaltspunkte für die Täterschaft sind dabei der Grad seines Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft und der Wille dazu, die in eine wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst (, NStZ 2015, 346; Beschluss vom - 3 StR 630/14, StraFo 2015, 259, 260; Beschluss vom - 3 StR 137/14, Rn. 3; Beschluss vom - 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 33 mwN).

6bb) Die Feststellungen lassen nicht erkennen, dass der Angeklagte Einfluss auf den Transportweg oder auf andere Modalitäten der Einfuhr des Marihuanas hatte. Dass er mit       D.    beim Erwerb des für ihn bestimmten Marihuanas dessen Einfuhr vereinbart hatte (vgl. , Rn. 3; anders für den Fall eines Gesamtkonzepts, , BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 6) und zur Entgegennahme der eingeführten Betäubungsmittel bereit war, reicht für die Annahme von Mittäterschaft nicht aus (vgl. , StraFo 2015, 259, 260). Dem Umstand, dass der Angeklagte mit der für ihn bestimmten Betäubungsmittelmenge Handel treiben wollte und deshalb ein Interesse am Gelingen des Einfuhrvorgangs hatte, kommt unter den gegebenen Umständen keine wesentliche Bedeutung zu (vgl. , Rn. 3). Die frühere Anwerbung des am Einfuhrvorgang beteiligten      T.   als Kurierfahrer für die Gruppe um      D.    erfolgte ersichtlich ohne Bezug zu der hier in Rede stehenden Einfuhrfahrt.

7c) Der Angeklagte ist aber der Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 26 StGB).

8aa) Eine tätergleich zu bestrafende Anstiftung (§ 26 StGB) zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln begeht, wer einen anderen durch Einwirkung auf dessen Entschlussbildung dazu veranlasst, Betäubungsmittel in nicht geringer Menge auf das Bundesgebiet zu verbringen (, NStZ-RR 2013, 281; Beschluss vom - 4 StR 554/11). Die Willensbeeinflussung muss dabei nicht die alleinige Ursache für das Verhalten des anderen sein; bloße Mitursächlichkeit reicht aus (, BGHSt 45, 373, 374; Urteil vom - 1 StR 686/84, NJW 1985, 924).

9bb) Der Angeklagte hat      D.    vorsätzlich dazu veranlasst, ein (weiteres) Kilogramm Marihuana mit einem Tetrahydrocannabinol-Anteil von 5 % und damit - schon für sich genommen - Betäubungsmittel in nicht geringer Menge über die niederländisch-deutsche Grenze zu verbringen. Dass dieser Transport absprachegemäß anlässlich einer bereits ins Auge gefassten Einfuhrfahrt mit anderen Betäubungsmitteln stattfinden sollte und stattgefunden hat, stellt die Annahme einer Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht in Frage. Im Hinblick auf die zu dem Angeklagten transportierte Rauschgiftmenge war      D.    vorab noch nicht zur Tatbegehung entschlossen (sog. omnimodo facturus, vgl. dazu , Rn. 21 mwN). Auch wurde der gesamte Tatablauf durch die Einflussnahme des Angeklagten erheblich verändert (gesondert verwahrte zweite Rauschgiftmenge im Transportfahrzeug, Fahrt nach H.  ) und der Unrechtsgehalt der Tat deutlich erhöht (zusätzliche Überschreitung der Grenzmenge um mehr als das Sechsfache), sodass nicht lediglich eine (psychische) Beihilfe zu der bereits geplanten Einfuhrfahrt vorliegt (vgl. , NStZ-RR 1996, 1; Urteil vom - 2 StR 14/64, BGHSt 19, 339, 341; SSW-StGB/Murmann, 2. Aufl., § 26 Rn. 6; Schünemann in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 26 Rn. 34 ff. mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstandes; unter Beschränkung auf das Mehr an Unrecht, sofern dies - wie hier in Bezug auf § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG der Fall - selbstständig einen Tatbestand erfüllt, Joerden in Festschrift Puppe, 2011, S. 563, 578 Fn. 39; Hardtung in Festschrift Herzberg, 2008, S. 411, 423 ff.; a.A. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 26 Rn. 5; Roxin in: Leipziger Kommentar zum StGB, 10. Aufl., § 26 Rn. 6 mwN).

102. Der Senat schließt angesichts der sorgfältigen und ersichtlich umfassenden Beweisaufnahme aus, dass nach einer Aufhebung und Zurückverweisung weitere, einen Schuldspruch wegen täterschaftlicher Einfuhr tragende Feststellungen getroffen werden können. Er stellt daher selbst den Schuldspruch um. Eines Hinweises hierauf bedurfte es nicht, da sich der Angeklagte gegen den Vorwurf der Anstiftung zur Einfuhr nicht anders als geschehen hätte verteidigen können; er war hinsichtlich des äußeren Tatgeschehens ohnehin überwiegend geständig.

11Der Senat kann ebenfalls ausschließen, dass der Tatrichter im Falle einer Verurteilung wegen Anstiftung statt wegen Täterschaft bei der Einfuhr eine geringere Einzelstrafe verhängt hätte als geschehen. Der Strafrahmen bleibt unverändert. Auch hat das Landgericht dem Angeklagten lediglich das für ihn bestimmte Kilogramm Marihuana zugerechnet.

Sost-Scheible                           Roggenbuck                           Franke

                        Mutzbauer                               Quentin

Fundstelle(n):
SAAAE-96536