„Jetzt muss der Gesetzgeber handeln“
Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht verfassungswidrig
„Rechtzeitig gewarnt, ist schon halb gerettet“, lautet ein Spruch aus Chile. Dass er nicht rechtzeitig gewarnt wurde, kann der Gesetzgeber in Bezug auf die Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht nicht behaupten. Im Gegenteil: Schon 2007, also direkt nach der Ende 2006 ergangenen Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der damaligen Grundbesitzbewertung des Erbschaftsteuerrechts, wies die Fachliteratur auf die darin implizierten Auswirkungen für die Grunderwerbsteuer hin (so z. B. Pahlke in NWB 10/2007 [F. 10 S. 1576]). Gerettet war der Gesetzgeber damit aber nicht. Vielmehr ließ er im Zuge der durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 erfolgten Neuregelung der Grundbesitzbewertung die bewertungsrechtliche Problematik der Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG außer Betracht. Ein Fehler, wie sich nun zeigt. Denn auch das BVerfG hält in seinem Beschluss vom die Regelung über die Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht für mit dem Gleichheitssatz unvereinbar. Jetzt muss der Gesetzgeber handeln – und zwar schnell. Spätestens bis zum hat er, rückwirkend zum , eine Neuregelung zu treffen. Was das für die Praxis bedeutet, erläutert Graessner auf Seite 2264.
Neuregelungen und Änderungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses, vor allem auch im Hinblick auf die aktuelle EuGH-Rechtsprechung, sind keine Seltenheit. Für Aufmerksamkeit hat jüngst eine Entscheidung aus Luxemburg zu Mietnebenleistungen gesorgt. Der Fall betraf zwar einen polnischen Sachverhalt, könnte aber Auswirkungen auf die deutsche Verwaltungsauffassung haben, wie Greif auf Seite 2274 feststellt. Denn die derzeitige Fassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses dürfte mit der jetzt getroffenen Aussage des EuGH, Mietnebenleistungen wie z. B. die Lieferung von Wasser, Elektrizität und Wärme seien regelmäßig unabhängige Leistungen des Vermieters und daher getrennt zu beurteilen, nicht mehr in Einklang stehen. – Die am 16. Juli veröffentlichte Entscheidung des EuGH zur umsatzsteuerlichen Organschaft fiel hingegen nüchtern aus (s. hierzu unsere Eilnachricht auf Seite 2267). Dabei wurde vor dem Hintergrund der Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom auch eine grundlegende Umgestaltung der deutschen Organschaftsregelung für möglich gehalten (s. hierzu Hartmann, NWB 17/2015 S. 1249). Am Ende des Tages – so Trinks im NWB Experten-Blog – könnte das Urteil nun tatsächlich sogar ohne Einfluss auf die deutsche Regelungslage bleiben. Denn die entscheidenden Anforderungen an eine umsatzsteuerliche Organschaft werden auch zukünftig weitgehend im Ermessen der Mitgliedstaaten liegen. Welche Konsequenzen für Holdings aus dieser Entscheidung zu ziehen sind, wird Eggers in einer der nächsten NWB-Ausgaben analysieren.
Beste Grüße
Reinhild Foitzik
Fundstelle(n):
NWB 2015 Seite 2257
NWB LAAAE-96200