BGH Beschluss v. - 3 StR 61/15

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Bildung einer Bewertungseinheit bei zahlreichen Einzelabgaben von Betäubungsmitteln bei möglichem Vorliegen eines Verkaufsvorrats

Gesetze: § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG

Instanzenzug: Az: 3 StR 61/15 Beschlussvorgehend Az: 2090 Js 74289/13 - 1 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 140 Fällen, gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 120 Fällen, Überlassen von Betäubungsmitteln an Minderjährige zum unmittelbaren Verbrauch in 30 Fällen, Besitzes von Betäubungsmitteln und Versuchs der Bestimmung eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und die Einziehung der "sichergestellten Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien" sowie der "Gaspistole Röhm RG 100 cal. 315K nebst 20 Gaspatronen" angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge und die nicht ausgeführte Rüge der Verletzung formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

21. Die Nachprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der Angeklagte im Zeitraum zwischen Dezember 2012 und Februar 2014 unter anderem in 120 Fällen kleinere Mengen von Marihuana und Amphetamin an Jugendliche und gab es in 30 Fällen unentgeltlich an diese ab. Im gleichen Zeitraum tätigte er in 140 Fällen auch Verkäufe an Erwachsene bzw. einen Minderjährigen, dessen Alter er nicht kannte. Zum Erwerb des Rauschgifts durch den Angeklagten hat die Strafkammer Feststellungen nicht treffen können.

4Zu Recht hat sie diese Einzeltaten daher als 140 Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, 120 Fälle der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige und 30 Fälle des Überlassens von Betäubungsmitteln an Minderjährige zum unmittelbaren Verbrauch abgeurteilt. Der Zweifelssatz gebietet es nicht, konkret festgestellte Einzelabgaben von Betäubungsmitteln zur Tateinheit zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, dass die zugrundeliegenden Einzelmengen ganz oder teilweise aus einem - als Gesamtmenge zum Handeltreiben angeschafften - Verkaufsvorrat stammen könnten. Zwar liegt es hier nicht fern, dass einzelne der der Aburteilung zugrunde gelegten Abgabe- bzw. Verkaufsmengen aus einem größeren Vorrat stammten und von dem Angeklagten als Gesamtmenge erworben wurden. Es fehlen aber ausreichende Anhaltspunkte, die es rechtfertigen könnten, bestimmte Verkäufe einer von dem Angeklagten erworbenen Gesamtmenge im Sinne einer Bewertungseinheit zuzuordnen. Auch tatsächliche Grundlagen für eine tragfähige Schätzung, welche und wie viele der jeweils abgegebenen Mengen aus einem Erwerbsvorgang stammten, fehlen (vgl. , NJW 2002, 1810, 1811). Es käme somit lediglich eine willkürliche Zusammenfassung in Betracht, die rechtlich nicht zulässig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 69/96, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 8; vom - 3 StR 335/96, StV 1997, 20, 21; vom - 1 StR 178/12, NStZ-RR 2012, 280, 281; Urteil vom - 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 55).

52. Der Strafrahmenwahl stehen insoweit Rechtsbedenken entgegen, als das Landgericht bei der Bemessung der Einzelstrafen den vertypten Milderungsgrund nach § 31 BtMG nur in den Fällen B. I. c) (Fälle 8 bis 127) der Urteilsgründe berücksichtigt hat, obgleich den Urteilsausführungen (UA S. 33) entnommen werden kann, dass der Angeklagte bereits in seiner ersten polizeilichen Vernehmung auch in den Fällen B. I. e) (Fälle 168 bis 217) sowie B. I. h) und i) (Fälle 289 bis 298) der Urteilsgründe Aufklärungshilfe geleistet hat. Darüber hinaus hat das Landgericht nicht bedacht, dass wegen des "eigenständigen" - weil von § 264 StPO losgelösten - Tatbegriffs im Sinne von § 31 BtMG (vgl. , BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Tat 1; Beschluss vom - 1 StR 602/93, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Tat 2) die Anwendung des § 31 BtMG möglicherweise auch für weitere abgeurteilte Taten in Betracht kam. Doch sind die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe unter Abwägung der sonst festgestellten Tatumstände angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil das Landgericht bei der Bemessung der Einzelstrafen für die Fälle B. I. e) (Fälle 168 bis 217) sowie B. I. h) und i) (Fälle 289 bis 298) zwar nicht ausdrücklich den vertypten Strafmilderungsgrund des § 31 BtMG, wohl aber strafmildernd den Umstand, dass der Angeklagte Aufklärungshilfe geleistet hat, berücksichtigt hat. Dem hat es auch im Rahmen des sehr engen Strafzusammenzugs bei der Gesamtstrafenbildung Rechnung getragen.

63. Die Einziehungsentscheidung kann teilweise keinen Bestand haben und ist im Übrigen neu zu fassen.

7a) Hinsichtlich der Gaspistole nebst Munition hält die Einziehungsanordnung rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Einziehung eines Gegenstandes setzt nach § 74 Abs. 1 StGB voraus, dass dieser zur Begehung einer vorsätzlichen Tat gebraucht worden oder bestimmt gewesen ist. Hierzu enthält das Urteil in Bezug auf die Gaspistole und die Munition keine Feststellungen. Die Anordnung der Einziehung ist deshalb aufzuheben. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO insoweit abschließend entscheiden.

8b) Soweit das Landgericht die "sichergestellten Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien" eingezogen hat, hat es die Einziehungsgegenstände nicht ausreichend konkret bezeichnet (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 484/87, BGHR StGB § 74 Abs. 1 Urteilsformel 1; vom - 3 StR 291/09, juris). Insoweit kann der Senat jedoch den Urteilsgründen die Bezeichnung der sichergestellten Betäubungsmittel und der zu ihrer Aufbewahrung und Verpackung benutzten bzw. bestimmten Behältnisse entnehmen und somit die Einziehungsentscheidung selbst konkretisieren.

9Der geringe Teilerfolg rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und die Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht.

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Fundstelle(n):
AAAAE-95907