Amtszulage - Konrektorin einer Förderschule - Schülerzahl
Gesetze: Anl 1 Abschn 1 Nr 2 BesG ST 2011, Abschn 2 BesG ST 2011, § 8a SchulG ST, § 17 Abs 1 TVÜ-L, TV-L
Instanzenzug: ArbG Halle (Saale) Az: 7 Ca 455/11 E Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Az: 6 Sa 108/12 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Gewährung einer Zulage für die Tätigkeit als stellvertretende Schulleiterin einer Förderschule für die Zeit ab dem .
2Die Klägerin ist seit dem bei dem beklagten Land als Lehrerin beschäftigt. Sie übt die Funktion einer stellvertretenden Schulleiterin (Konrektorin) an der Pestalozzischule in W aus, einer Förderschule für lernbehinderte Kinder. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Regelungen des TV-L sowie die ihn ergänzenden Tarifverträge Anwendung; zuvor fand der BAT-O Anwendung.
3Die Pestalozzischule ist seit dem Schuljahr 2005/2006 Basisförderschule in einem regionalen Förderzentrum. Sie betreut nicht nur die an der Schule selbst zu unterrichtenden lernbehinderten Kinder (Schuljahr 2009/2010: 141 Schülerinnen und Schüler; Schuljahr 2010/2011: 126; Schuljahr 2011/2012: 116), sondern auch jene, die im Rahmen integrativer Maßnahmen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen im Altkreis W unterrichtet werden. Hierzu hat ein Teil der dort ansässigen Schulen mit der Pestalozzischule Kooperationsvereinbarungen geschlossen (Stand Mai 2011: 14 Schulen). An Schulen mit Kooperationsvereinbarung wurden im Schuljahr 2009/2010 75, im Schuljahr 2010/2011 120 und im Schuljahr 2011/2012 86 Schülerinnen und Schüler betreut.
4Die Einrichtung der Förderzentren erfolgte gemäß § 8a SchulG LSA, der zum in Kraft trat und Folgendes bestimmt:
5Die Vergütung der Klägerin erfolgte bis zum gemäß § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O vom iVm. § 17 Abs. 1 TVÜ-L nach den Richtlinien des Landes Sachsen-Anhalt über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA) vom . Seit dem bestimmt sie sich nach den - soweit relevant - inhaltsgleichen Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Arbeitnehmerverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Ost) (Lehrer-Richtlinien-O) idF vom :
6Die Klägerin erhält als sog. „Erfüllerin“ eine Vergütung nach Maßgabe von Entgeltgruppe 14 TV-L. Bis zum erhielt sie zudem eine Amtszulage nach Abschn. IV Unterabschn. A Nr. 3 Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA iVm. Besoldungsordnung A Besoldungsgruppe A 14 Nr. 7 Fußnote 13 der Anlage zu § 2 Satz 1 LBesG LSA in der bis zum geltenden Fassung. Ab dem stellte das beklagte Land die Zahlung der Zulage im Hinblick auf die gesunkene Schülerzahl an der Pestalozzischule ein. Eine von der Klägerin auf Fortzahlung dieser Zulage bis zum gerichtete Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.
7Mit Wirkung zum wurde das Besoldungsrecht des beklagten Landes (LBesG LSA) neu gefasst (Gesetz vom ; GVBl. LSA S. 68). Dabei wurden ua. die Regelungen zur Gewährung von Amtszulagen geändert. Diese lauten auszugsweise wie folgt:
8Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stehe jedenfalls seit dem Inkrafttreten der Neuregelung des Landesbesoldungsrechts wieder die Amtszulage zu. Bei der Ermittlung des maßgeblichen Schwellenwerts komme es nicht mehr allein auf die an der Pestalozzischule betreuten Schüler an. Mit einem Faktor von 0,5 seien vielmehr auch alle diejenigen Schüler zu berücksichtigen, die an anderen Schulen des Altkreises W in integrativen Maßnahmen betreut werden. Unerheblich sei, ob zwischen diesen Schulen und der Pestalozzischule eine Kooperationsvereinbarung bestehe. Für Schüler in integrativen Maßnahmen an Schulen ohne Kooperationsvereinbarung falle der gleiche Betreuungsaufwand an wie für Schüler in integrativen Maßnahmen an Schulen mit Kooperationsvereinbarung. Im Schuljahr 2011/2012 habe es sich um insgesamt 129 solcher Schülerinnen und Schüler gehandelt.
9Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
10Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, bei der Ermittlung des Schwellenwerts seien nur diejenigen Schüler mit einem Faktor von 0,5 zu berücksichtigen, die einer Schule zuzuordnen seien, die eine Kooperationsvereinbarung mit der Pestalozzischule geschlossen habe. Im Übrigen sei die Schülerzahl tendenziell sinkend; eine einmalige Überschreitung des Schwellenwerts könne keinen Zulagenanspruch begründen.
11Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Gründe
12Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Zulage.
13I. Der Zahlungsantrag zu 1. ist unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf die begehrte Amtszulage bestand im Zeitraum von April bis einschließlich Juli 2011 nicht.
141. Nach Abschn. IV Unterabschn. A Nr. 3 Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA kann der Klägerin als ständige Vertreterin des Schulleiters eine Zulage in der Höhe gezahlt werden, wie sie vergleichbaren beamteten Lehrkräften als Amtszulage nach der Landesbesoldungsordnung A zusteht. Nach Anlage 1 Abschn. I Nr. 2 iVm. Abschn. II Besoldungsordnung A Besoldungsgruppe A 14 Ziff. II Nr. 5 iVm. Anlage 8 LBesG LSA setzt dies voraus, dass an der Pestalozzischule längerfristig mehr als 180 Schülerinnen und Schüler beschult werden. Diese Voraussetzungen lagen für den Streitzeitraum nicht vor.
152. Grundsätzlich ist für die Berechnung der Zahl der Schülerinnen und Schüler nach Anlage 1 Abschn. II Besoldungsordnung A Besoldungsgruppe A 14 Ziff. II Nr. 5 LBesG LSA auf die Schule abzustellen, an der die Lehrkraft tätig ist und eine Leitungsfunktion ausübt. Dies war im Streitzeitraum die Pestalozzischule in W. An dieser Schule wurde der Schwellenwert nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seit dem Schuljahr 2008/2009 nicht mehr überschritten.
163. Von dieser rein schulbezogenen Sichtweise macht die mit der Neufassung des Landesbesoldungsrechts eingefügte Regelung in Fußnote 2 zu Anlage 1 Abschn. II Besoldungsordnung A Besoldungsgruppe A 14 Ziff. II Nr. 5 LBesG LSA eine Ausnahme für Basisförderschulen von Förderzentren. Danach werden zusätzlich die Hälfte der Schülerinnen und Schüler in integrativen Maßnahmen an allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen in die Berechnung einbezogen. Im Schuljahr 2010/2011 war damit zwar der Schwellenwert von 180 Schülerinnen und Schülern überschritten, da neben 126 Schülerinnen und Schülern der Pestalozzischule 120 Schülerinnen und Schüler in integrativen Maßnahmen an Kooperationsschulen hälftig zu berücksichtigen waren. Entgegen Anlage 1 Abschn. I Nr. 2 LBesG LSA lag diese Anspruchsvoraussetzung für den Streitzeitraum der Leistungsklage aber noch nicht mindestens ein Jahr vor. Selbst wenn man insoweit Schülerzahlen vor Inkrafttreten der Neuregelung berücksichtigen könnte, war der Schwellenwert nur für acht Monate überschritten. Im vorhergehenden Schuljahr 2009/2010 war dies hingegen nicht der Fall.
17II. Der Feststellungsantrag zu 2. ist zulässig, aber ebenfalls unbegründet.
181. In der gebotenen Auslegung ist der Feststellungsantrag zulässig. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem Vorbringen der Klägerin ist zu entnehmen, dass sich der Antrag nach den konkret bezeichneten Regelungen der Anlage 1 zu § 20 Satz 1 LBesG LSA vom (GVBl. LSA S. 68) richten soll. Die Feststellungsklage kann sich nach § 256 Abs. 1 ZPO als sog. Elementenfeststellungsklage auf einzelne Ansprüche beschränken (vgl. zuletzt - Rn. 21).
192. Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Klägerin hat für die Zeit ab dem keinen Anspruch auf die begehrte Zulage. Auch wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass durch die Überschreitung des Schwellenwerts von 180 Schülerinnen und Schülern im Schuljahr 2010/2011 die für die Gewährung der Amtszulage notwendige Schülerzahl für ein Jahr vorgelegen hatte, hat sich dies ab dem Schuljahr 2011/2012 nicht fortgesetzt. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Klägerin überhaupt ausreichend zu einer Prognose iSd. Anlage 1 Abschn. I Nr. 2 vorgetragen hat.
20a) Im Schuljahr 2011/2012 wurden an der Pestalozzischule selbst 116 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. An den Schulen mit Kooperationsvereinbarungen waren es 49 Schülerinnen und Schüler, die hälftig zu berücksichtigen sind. Der Schwellenwert wurde damit bei Weitem nicht erreicht.
21b) Entgegen der Auffassung der Revision sind Schülerinnen und Schüler in integrativen Maßnahmen an anderen Schulen nicht zu berücksichtigen. Maßgeblich sind vielmehr nach Anlage 1 Abschn. II Besoldungsordnung A Besoldungsgruppe A 14 Ziff. II Nr. 5 Fußnote 2 nur Schülerinnen und Schüler des Förderzentrums. Die Zugehörigkeit zu einem Förderzentrum setzt aber das Bestehen von Kooperationsvereinbarungen voraus. Schüler in integrativen Maßnahmen an Schulen ohne Kooperationsvereinbarung mit der Basisförderschule bleiben außer Betracht. Dies ergibt eine Auslegung der Vorschrift (vgl. zu den Grundsätzen der Gesetzesauslegung zB - Rn. 31, BAGE 145, 211).
22aa) Der Wortlaut der Regelung in Fußnote 2 ist für sich genommen nicht eindeutig. Im ersten Satzteil ist festgelegt, dass es um die Berechnung der Schülerzahlen an Basisförderschulen von Förderzentren geht und welche Schülerinnen und Schüler der Basisförderschule selbst, nämlich solche mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf, zu berücksichtigen sind. Im zweiten Satzteil wird bestimmt, dass andere Schülerinnen und Schüler unter bestimmten Voraussetzungen hälftig hinzuzurechnen sind. Dabei ist nur die Rede von Schülerinnen und Schülern in integrativen Maßnahmen, ohne den Begriff der Kooperationsvereinbarung zu erwähnen. Dies könnte man im Sinne der Revision so verstehen, dass alle Schülerinnen und Schüler in integrativen Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich eines bestimmten Schulträgers (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SchulG LSA) zu berücksichtigen sind.
23bb) Einem solchen Verständnis steht aber der Gesamtzusammenhang der Regelung im Kontext des Schulrechts und ihre Systematik entgegen. § 8a SchulG LSA bestimmt, wie ein Förderzentrum entsteht, nämlich durch Kooperationsvereinbarungen zwischen einer Förderschule und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen. Förderzentren können regional und überregional tätig sein. Ziel der Förderzentren ist, den gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Bedarf an sonderpädagogischer Förderung weiterzuentwickeln. Diese Schüler sind dabei in der Regel nur solchen Schulen zuzuweisen, die verbindliche Kooperationspartner regionaler Förderzentren sind (Runderlass des Kultusministeriums LSA vom - 32.1-81620 - zur Organisation des gemeinsamen Unterrichts). Basisförderschule ist die Förderschule, die die Koordinierung und Moderation der Konzeptentwicklung übernimmt und zentraler Ansprechpartner der Kooperationspartner ist (vgl. Runderlass des Kultusministeriums LSA vom - 32.1-81027/12 - zum Antrags- und Genehmigungsverfahren zur Einrichtung von Förderzentren). Ohne den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen zwischen einer Förderschule und anderen Schulen kann also grundsätzlich kein Förderzentrum entstehen und demgemäß keine hälftige Hinzurechnung anderer Schüler nach Fußnote 2 erfolgen. Teil eines Förderzentrums sind allgemein- oder berufsbildende Schulen nur, wenn es zum Abschluss von Kooperationsvereinbarungen kommt. Dies ist zwingende Voraussetzung nach § 8a Abs. 1 Satz 1 SchulG LSA. Die Bestimmungen beider Satzteile der Fußnote 2 stehen deshalb nicht isoliert nebeneinander, sondern in einem unmittelbaren grammatikalischen und sachlichen Zusammenhang.
24cc) Dieses Verständnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Neufassung der Anlage 1 Abschn. II Besoldungsordnung A Besoldungsgruppe A 14 Ziff. II Nr. 5 und der in diesem Zusammenhang eingefügten Fußnote 2 belegt. Die Ergänzung der besoldungsrechtlichen Regelungen zur Einstufung der Schulleitungsämter an Förderschulen und zur Amtszulage für Förderschulrektoren und -konrektoren stellt sich als Reaktion des Gesetzgebers auf die durch § 8a SchulG LSA möglich gewordene Errichtung von Förderzentren dar. Förderzentren auf der Grundlage von § 8a SchulG LSA entstanden erstmals ab August 2005. Durch die Verstärkung des gemeinsamen Unterrichts von Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf verringerte sich in vielen Fällen bei den Funktionsämtern an Förderschulen die besoldungsrechtliche Einstufung, da infolge des gemeinsamen Unterrichts Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf den allgemein- oder berufsbildenden Schulen zugeordnet wurden, obwohl für die Förderung dieser Schüler nach wie vor zu einem Teil die Basisförderschule zuständig blieb. Um dieser Entwicklung zu begegnen und eine funktionsgerechte Besoldung für die Schulleitungen der Basisförderschulen sicherzustellen, wurden die Regelungen im Bereich der Besoldungsordnung A Besoldungsgruppe A 14 zur besoldungsrechtlichen Einstufung der Schulleitungsämter und zur Amtszulage an Förderschulen um die Fußnote 2 ergänzt (vgl. Drs. 5/2477 des Landtags von Sachsen-Anhalt S. 3, 5, 224). Voraussetzung für eine Berücksichtigung anderer Schülerinnen und Schüler ist damit aber die Zugehörigkeit zu einem solchen Förderzentrum, die wiederum vom Abschluss von Kooperationsvereinbarungen abhängt.
25dd) Die gefundene Auslegung entspricht Sinn und Zweck der Regelung. Die Fußnote 2 dient der Gewährleistung einer funktionsgerechten Besoldung. Vergütet wird dabei ein erhöhter Aufwand im Zusammenhang mit der stellvertretenden Leitung einer Schule, nicht hingegen ein möglicher höherer Aufwand im Zusammenhang mit der Lehrtätigkeit. Die infolge der Einrichtung von Förderzentren iSv. § 8a SchulG LSA sinkenden Schülerzahlen an Basisförderschulen, die aber nicht mit einer entsprechenden Verringerung des Betreuungs- und Arbeitsaufwandes verbunden sind, sollen durch einen neuen Berechnungsschlüssel kompensiert werden. Welcher Leitungsaufwand für die Funktionsträger der Basisförderschule erforderlich ist und ob dieser eine vergütungsrelevante Größenordnung erreicht, lässt sich verlässlich über die Kooperationsvereinbarungen nach § 8a Abs. 1 Satz 1 SchulG LSA feststellen. Diese regeln Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit zwischen der Basisförderschule und den allgemein- oder berufsbildenden Schulen.
26ee) Ob etwas anderes gelten kann, wenn eine Förderschule gemäß § 8a Abs. 3 SchulG LSA im Einzelfall zeitweilig mit bestimmten Aufgaben eines Förderzentrums beauftragt worden ist und dies eine Betreuung von Schülerinnen und Schülern in integrativen Maßnahmen beinhaltet, die einen im Vergleich zur Zusammenarbeit mit Kooperationsschulen vergleichbaren Leitungsaufwand beinhaltet, kann dahinstehen. Eine solche Sachlage hat die Klägerin nicht vorgetragen.
27III. Die Klägerin hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:150415.U.10AZR250.14.0
Fundstelle(n):
BB 2015 S. 1844 Nr. 31
VAAAE-94445