BBK Nr. 14 vom Seite 625

Prinzipien oder Ergebnisorientierung?

Christoph Linkemann | verantw. Redakteur | bbk-redaktion@nwb.de

Gesetzgeber, Finanzverwaltung und das Handelsrecht

Der handelsrechtlichen Bilanzierung wird vor allem im Vergleich mit den in der Praxis mehr oder weniger harsch kritisierten IFRS gern die Orientierung an Prinzipien und Grundsätzen attestiert. Wie die Finanzverwaltung und der Gesetzgeber als wichtige Interpreten der GoB mit diesen mitunter umgehen, lässt den geneigten Leser verwundert die Augen reiben. Zwei Beispiele:

Im Schreiben [i]Eigenwillige Interpretation des Realisationsprinzips vom hat das BMF nun festgelegt, dass es die Grundsätze einer BFH-Entscheidung zur vorgezogenen Gewinnrealisierung durch Abschlagszahlungen bei Forderungen nach der alten Fassung der HOAI nicht nur auch auf deren Neufassung übertragen will, sondern gleich auch noch auf alle Abschlagszahlungen bei Werkverträgen. Im Top-Beitrag dieser Ausgabe ab Seite 650 stellt WP/StB Klaus Wiechers das Thema nun aus der Sicht des Handelsrechts dar, denn der BFH und ihm folgend das BMF legen klassisches Handelsrecht aus. Die Bauwirtschaft und viele Bilanzierende mit langfristiger Fertigung sind nun in Aufruhr über die frühere Gewinnrealisierung durch Abschlagszahlungen. Vor allem, wenn diese Abschläge dann möglicherweise später auch noch zurückzuzahlen sein könnten, wenn der vereinbarte Baufortschritt z. B. nicht eingetreten ist. Das Argument des BMF, die Leistung sei bei der Abschlagszahlung ja auch erbracht, sonst bestünde die Berechtigung gar nicht, die Zahlung zu fordern, überrascht an der Stelle und passt – wieder einmal – nicht zu dem bisherigen Verständnis des Realisationsprinzips. Allerdings schildert Wiechers auch Fälle aus seiner Praxis, in denen eine vorzeitige Teilgewinnrealisierung, im Extremfall sogar nur bei der Bilanzierung einzelner Projekte und nicht einmal unternehmensweit als eine Variante progressiver Bilanzpolitik, vorgenommen wird, gestützt auf eine einzelne Kommentarmeinung.

Das zweite Beispiel [i]Ausschuss konterkariert Gesetzeswortlaut betrifft die Umsetzung der Bilanzrichtlinie, deren ersten Teil zum Jahresabschluss Prof. Dr. Carsten Theile in diesem Heft vorstellt. Im HGB findet sich nun etwa bei der neuen ausschüttungsgesperrten Rücklage für Beteiligungen wortwörtlich die Richtlinienformulierung, während in der Beschlussempfehlung des Ausschusses und damit in den Gesetzesmaterialien aber sinngemäß steht, das solle man nicht so wichtig nehmen, denn an der bisherigen Praxis einer phasengleichen Gewinnvereinnahmung könne weiter festgehalten werden. Statt Prinzipien- also eher eine Ergebnisorientierung. Die Praxis nimmt es aber mit Dank.

Beste Grüße

Christoph Linkemann

Fundstelle(n):
BBK 2015 Seite 625
VAAAE-94325