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LSG Bayern Urteil v. - L 5 KR 4/11

Streitig ist ein Anspruch auf Kostenerstattung für ambulante Behandlungen mit dem Medikament Avastin (Bevacizumab) sowie für ambulante Behandlungen mit regionaler Hyperthermie der 1944 geborenen und 2009 an einem Karzinom verstorbenen Versicherten M. A. (Ehefrau des Klägers). 1. Die Versicherte war mit einem Kostenerstattungstarif gesetzlich krankenversichertes Mitglied der Beklagten. Im Jahr 2007 wurde die Versicherte von ihrer Hausärztin wegen Schluckbeschwerden und Gefühl eines "Kloß im Hals" in das Klinikum F. überwiesen worden. Dort wurde gastroskopisch am 24.5.2007 ein bösartiger Tumor, hervorgegangen aus Drüsengewebe im Bereich des Überganges Speiseröhre/Magen festgestellt. Dieses Karzinom wurde im Universitätsklinikum R./M-Stadt vom 31.5.2007 bis 22.6.2007 stationär operativ sowie anschließend ambulant chemotherapeutisch. Im April 2008 wurde computertomographisch diagnostiziert, dass sich bei der Versicherten in der Leber sowie in den Lymphknoten Tumorabsiedelungen (Metastasen) gebildet hatten. Ab 27.5.2008 begann Dr. S. (onkologische Praxis Dr. S. und Kollegen/ F. - zugleich Oberärztin des Klinikum F.) eine ambulante chemotherapeutische palliative Therapie nach dem "Folfox-Schema". Am 29.5.2008 wurde die Klägerin ambulant im Medizinischen Versorgungszentrum St. G. (MVZ), R. Straße 6-8, Bad A. von dem zur Vertragsversorgung zugelassenen Facharzt für Innere Medizin Dr. med. F. R. D. behandelt. Daran schlossen sich beginnend ab 3.6.2008 mehrere stationäre Behandlungen an durch die im gleichen Gebäude wie das MVZ befindliche M.T. Kliniken GmbH & Co. KG (Kommanditisten: Dr. F. D., St. G. Hospital GmbH), gesetzlich vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter M.T. Kliniken Verwaltungs-GmbH, diese gesetzlich vertreten durch die Geschäftsführerin R. D ... Diese Klinik ist im hier streitigen Zeitraum weder durch Aufnahme in den Krankenhausplan des Freistaates Bayern noch anderweitig als Leistungserbringer der Gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen gewesen. Zwischen den dortigen stationären Behandlungen (3.6. - 21.6.2008, 28.7. - 9.8.2008, 6. - 23.10.2008, 5. - 26.2.2009, 7.3. - 9.4.2009 sowie 20.4. - 1.5.2009), die hier nicht streitgegenständlich sind, behandelte Dr. D. die Versicherte ambulant mit dem Medikament Avastin (Bevacizumab) sowie mit regionaler Hyperthermie. 2. Mit Telefax vom 13.6.2008 beantragte Dr. G. Z. (M.T. Kliniken GmbH & Co. KG) bei der Beklagten für die Versicherte die zusätzliche Therapie mit Avastin, welches unterstützend außerhalb des Zulassungsbereiches verabreicht werden solle. Der hierzu von der Beklagten befragte MDK stellte am 1.9.2008 fest, dass zur Palliativ-Behandlung zugelassene Arzneimittel zur Verfügung stünden und die Versicherte wohnortnah in zugelassenen Kliniken und Praxen behandelt werden könne. Mit Bescheid vom 16.9.2008 lehnte die Beklagte dem folgend die Kostenübernahme für Avastin ab. Der zulassungsübergreifende Gebrauch für dieses Medikament sei nicht erforderlich, weil zugelassene Medikamente und Behandlungsmethoden zur Verfügung stünden. Im anschließenden Widerspruchsverfahren hat die Versicherte das Vorhandensein zugelassener Behandlungsmethoden bestritten, sie habe die Chemotherapie nach dem Folfox-Schema nicht vertragen. Ergänzend hat der Kläger für die Versicherte u.a. zwei von Dr. D. als ärztlichem Leiter des MVZ ausgestellte und quittierte Rezepte (1.10.2008 und 28.10.2008 über jeweils 1.332,48 EUR) vorgelegt und Erstattung beantragt. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 hat die Beklagte die Kostenübernahme abgelehnt, weil ein zulassungsübergreifender Gebrauch von Avastin ebenso wie ein verfassungsrechtlich begründeter Leistungsanspruch am Vorhandensein zugelassener Arzneimittel und Behandlungsmethoden scheiterten. 3. Mit Eingang bei der Beklagten am 7.8.2008 beantragte die Versicherte, ihr 1.610,90 EUR zu erstatten für ambulante Hyperthermie-Behandlungen, die ihr Dr. D. am 25.7.2008 unter den M.T. Kliniken GmbH & Co. KG in Rechnung gestellt hatte. Mit weiterem, am 15.9.2008 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte die Versicherte, ihr u.a. 580,56 EUR zu erstatten für Hyperthermie-Behandlungen, die ihr Dr. D. am 29.8.2008 unter den M.T. Kliniken GmbH & Co. KG in Rechnung gestellt hatte. Mit Bescheid vom 19.8.2008 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab, weil die medizinische Wirksamkeit dieses Verfahrens nicht bewiesen sei. Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte die Versicherte geltend, die von Dr. D. in den Zeiten zwischen den stationären Behandlungen vorgenommene ambulante regionale Hyperthermie-Maßnahmen seien Teil des umfassenden ambulant-stationären Behandlungskonzepts des Dr. D ... Die dazu zählende regionale ambulante Hyperthermie sei aus verfassungsrechtlichen Gründen von der Beklagten zu übernehmen. Sie beantragte, weitere Kosten iHv 290,28 EUR für ambulante Hyperthermie zu erstatten gem. Rechnung vom 29.10.2008 des Dr. D., erstellt unter dem Briefkopf M.T. Kliniken GmbH & Co. KG. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 lehnte die Beklagte einer Stellungnahme des MDK folgend die Kostenübernahme ab, weil die ambulante Hyperthermie eine vom Gemeinsamen Bundesausschuss ausgeschlossene Behandlungsmethode sei. 3. Gegen beide Widerspruchsbescheide hat die Versicherte jeweils Klage zum Sozialgericht München erhoben und Kostenübernahme für die ambulante Medikamentengabe von Avastin sowie für die ambulanten Maßnahmen der Hyperthermie beantragt. Das Sozialgericht hat beide Klagen unter dem führenden Aktenzeichen S 18 KR 1185/08 miteinander verbunden und diese in Auswertung der von der Versicherten und dem Kläger vorgelegten umfangreichen medizinischen Dokumentation sowie einer von der Beklagten vorgelegten MDK-Stellungnahme vom 5.11.2009 mit Urteil vom 19.8.2010 abgewiesen. Avastin sei ein für die Erkrankung der Versicherten nicht zugelassenes Arzneimittel. Eine ausnahmsweise begründbare zulassungsüberschreitende Anwendung setzte Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Nebenwirkungsfreiheit voraus, die aus Erkenntnissen einer Phase-III-Studie stammten oder diesen gleichkämen. Daran fehle es. Ein verfassungsrechtlich begründeter Leistungsanspruch scheitere daran, dass zugelassene Behandlungsmethoden und Arzneimittel zur Behandlung der Versicherten zur Verfügung gestanden hätten. Die lokale Hyperthermie sei mit Wirkung vom 15.5.2005 durch eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) von der Behandlung zur Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Auch hier scheitere ein verfassungsrechtlich begründeter Leistungsanspruch am Vorhandensein zugelassener Behandlungsmethoden und Arzneimittel. 4. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, die lebensbedrohliche Krebserkrankung der Versicherten sei mit zugelassenen Medikamenten und Methoden bereits erfolglos behandelt gewesen, als die Versicherte sich für die streitgegenständliche Vorgehensweise des Dr. D. entscheiden habe. Die palliative Folfox-Behandlung habe die Versicherte nicht vertragen. Das umfassende ambulant/stationäre Konzept des Dr. D. habe demgegenüber Aussicht auf nicht nur palliative Behandlung gehabt, sondern jedenfalls zeitweise zu einem Rückgang der Krankheit und auch zu einer erweiterten Überlebensdauer geführt. Jedenfalls verfassungsrechtlich sei die Beklagte zur Kostenübernahme verpflichtet. Der Senat hat die einschlägigen Befund- und Behandlungsberichte beigezogen und ein hämatologisch-onkologisches Fachgutachten des Prof. Dr. R. (9.10.2014) eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass im Zeitpunkt der Behandlung durch die Gabe von Avastin keine Aussicht auf Heilung, nur eine Aussicht auf eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens bestanden habe. Zur Hyperthermie-Behandlung eines metastasierenden Magenkarzinoms hätten keine belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse vorgelegen, so dass es sich um eine rein experimentelle Therapie gehandelt habe.

Fundstelle(n):
TAAAE-93290

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