SteuerStud Nr. 7 vom Seite 385

Erbschaftsteuerreform - quo vadis?

Prof. Dr. Johanna Hey | Herausgeberin | steuerstud-redaktion@nwb.de

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die seit Ende 2013 regierende Große Koalition zeichnet sich durch hartnäckige Steuerreformverweigerung aus. Dies gilt auch für die Erbschaftsteuer, bei der infolge der Entscheidung des NWB AAAAE-81469 (vgl. hierzu Ramb, SteuerStud 2/2015 S. 70 NWB EAAAE-82175) externer Reformzwang besteht, so dass gehandelt werden muss. Obwohl nur eine grundlegende Reform die Probleme lösen kann, hieß es von Anfang an, man wolle sich auf eine „minimalinvasive“ Umsetzung des BVerfG-Urteils beschränken, und dabei bilden Wirtschaft und Politik eine innige Reformverweigerungsallianz. Was diese Beschränkung anrichtet, zeigt der Referentenentwurf zur Anpassung des ErbStG an die Rechtsprechung des der allerdings Beratern und Wirtschaftsvertretern noch zu weit geht.

Hauptstreitpunkt ist, ab wann und in welcher Form die Verschonung von Betriebsvermögen von einer Verschonungsbedarfsprüfung abhängig gemacht wird. Das BVerfG hatte gerügt, die Verschonung sei unverhältnismäßig, wenn auch größere Betriebsvermögen verschont werden, ohne dass es darauf ankommt, ob die Erbschaftsteuer die Unternehmensfortführung tatsächlich gefährdet. Dabei hatte das Gericht die KMU-Grenze (Bilanzsumme bis 42 Mio. €) ins Spiel gebracht. Im Referentenentwurf ist daraus eine 20 Mio. €-Grenze geworden, oberhalb derer der Erwerber nachweisen muss, dass er die Erbschaftsteuer weder aus – jeweils zu 50 % anzusetzendem – mit übergegangenem freien Vermögen noch aus seinem zu 50 % anzusetzenden sonstigen Privatvermögen bezahlen kann. Angehoben wird diese Grenze auf 40 Mio. € im Fall von Verfügungsbeschränkungen, die – dies ist auch im Hinblick auf evtl. legitime Missbrauchsvermeidung geradezu absurd – über einen Zeitraum von 40 Jahren bestehen müssen.

Unzweifelhaft ist, dass der Gesetzgeber berechtigt ist, die Verschonungsgrenze niedriger anzusetzen als im Urteil des BVerfG angedeutet. Streitig ist, ob er dazu verpflichtet war. Statt selbstbewusst seine Gestaltungsmacht zu nutzen, verschanzt sich der Gesetzgeber hinter dem Karlsruher Richterspruch, obwohl dieser keine Anhaltspunkte für eine gute gesetzgeberische Lösung liefert. Die breite Kritik am aktuellen Reformvorschlag zeigt vielmehr, wie schwierig, wenn nicht gar unmöglich, es ist, die geltenden Regeln in der Kombination von Vollverschonung und hohen Steuersätzen zu sanieren. Die einzige gerechte, praktikable und auch Unternehmenserben zumutbare Lösung wäre eine Reform, die auf alle Befreiungen in der Bemessungsgrundlage verzichtet und im Gegenzug die Steuersätze drastisch senkt. Verfügungsbeschränkungen müssen entgegen dem heutigen § 9 Abs. 2 Satz 3 i. V. mit Abs. 3 BewG in der Bewertung und nicht wie jetzt vorgesehen im Rahmen einer weiteren Freigrenze berücksichtigt werden. Mit einer zusätzlichen, leicht zugänglichen Stundungsregel wäre dem Anliegen, die Familienunternehmenskultur in Deutschland zu schützen, hinreichend Rechnung getragen. Der Streit um die Lohnsummenregel und die nach dem Referentenentwurf noch komplizierter werdende Abgrenzung von begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen würde der Vergangenheit angehören.

Hält die Politik dagegen an der Verschonungslösung fest, werden die Steuersätze zwangsläufig hoch bleiben. Dies ist zugleich der Grund, warum so erbittert um den Zuschnitt der Verschonungsregeln gekämpft wird. Die Formulierung der Vergünstigungsvoraussetzungen wird „überlebenswichtig“, weil Steuersätze zwischen 30 % und 50 % bei einem Scheitern des Bedürfnisnachweises in der Tat den Fortbestand bzw. die Inhaberstrukturen des Unternehmens gefährden.

Es bereitet wenig Vergnügen, eine Reformdiskussion zu verfolgen, die von vornherein falsch angelegt ist. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass die Erbschaftsteuer noch komplizierter werden wird und damit neue interessante Betätigungsfelder für Gestalter und Berater entstehen.

Herzliche Grüße

Ihre

Johanna Hey

Fundstelle(n):
SteuerStud 7/2015 Seite 385
KAAAE-92256