Instanzenzug:
Tatbestand
1Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Rentenversicherung.
2Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Vertragsbeginn zum nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Im März 2007 kündigte d. VN den Vertrag; der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom erklärte d. VN schließlich den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.
3Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf die Verträge geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 4.220,34 €.
4Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können. Mangels Aufklärung über die Rückvergütung sei der Versicherer zum Schadensersatz nach den Grundsätzen des Verschuldens beim Vertragsschluss verpflichtet.
5Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
6Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a VVG a.F. erklärten Widerspruch gestützt ist. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN sei in dem Anschreiben, das dem Versicherungsschein beigefügt gewesen sei, gem. § 5a VVG a.F. in drucktechnisch hervorgehobener Form auf das Widerspruchsrecht hingewiesen worden. D. VN stehe auch kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht zu.
8II. Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des mit ihr weiterverfolgten Schadensersatzanspruchs unzulässig.
9Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. für unwirksam erachtet hat. Es hat die Revision mit Blick auf mittlerweile gegenteilige Rechtsprechung hinsichtlich der Anwendung des § 5a VVG a.F. zugelassen. Diese in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung auf den aus dem Widerspruch abgeleiteten Bereicherungsanspruch ist wirksam. Der diesem zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzf orderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 11).
10III. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.
111. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. VN mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.
12a) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt ist davon auszugehen, dass der von d. VN erklärte Widerspruch - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig war und infolgedessen der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen ist.
13aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass d. VN in dem Begleitschreiben zum Versicherungsschein über das Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form belehrt worden sei. Ob - wie das Berufungsgericht meint - die fristauslösenden Unterlagen in diesem Schreiben unmissverständlich bezeichnet worden sind, erscheint zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Das Berufungsgericht hat jedenfalls nicht festgestellt, dass d. VN mit dem Versicherungsschein, der auch die Versicherungsbedingungen enthielt, auch eine Verbraucherinformation erhielt.
14Wenn d. VN - was für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist eine Verbraucherinformation nicht erhalten hat, bestand das Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
15Das ergibt die richtlinienkonforme Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der richtshofs der Europäischen Union vom 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelu ng müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder - wie hier für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
Auslegung des § 5a Abs. 2 Vorabentscheidung des Ge19. Dezember 2013 (VersR (aaO Rn. 17-34)
16bb) Die vorher erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 36 m.w.N.).
17b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom aaO Rn. 42-44).
182. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom aaO Rn. 45 m.w.N.).
19Da es auch hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 46).
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2015 S. 1304
MAAAE-89102