BVerwG Beschluss v. - 4 BN 29.14

Instanzenzug:

Gründe

I

1Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die von der Landesregierung des Landes Brandenburg erlassene Verordnung über den Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg (LEP B-B) vom (GVBl. II S. 186). Auf den Antrag der Antragstellerinnen, zweier Gemeinden, erklärte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg diese Verordnung einschließlich des darin zum Bestandteil der Verordnung erklärten Landesentwicklungsplans Berlin-Brandenburg für unwirksam ( 10 A 8.10 - LKV 2014, 377 <Ls.> = DÖV 2014, 849 <Ls.>).

2Die Verordnung sei rechtswidrig, weil sie das Zitiergebot des Art. 80 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg - LV BB - vom (GVBl. I S. 298) verletze. Nehme eine Rechtsverordnung die Rechtssetzungsbefugnis in Anspruch, den Inhalt eines Gesetzes zu ändern, zu ergänzen oder eine vom Gesetz abweichende Neuregelung zu erlassen, verlange Art. 80 Satz 3 LV BB, die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die das Parlamentsgesetz ändernde Rechtssetzungsmacht in der Rechtsverordnung anzugeben (UA S. 37). Dem genüge die angegriffene Verordnung nicht. Sie weiche von dem Ziel des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 des Landesplanungsgesetzes und Vorschaltgesetzes zum Landesentwicklungsprogramm für das Land Brandenburg (Brandenburgisches Landesplanungsgesetz - BbgLPlG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom (GVBl. 2003 I S. 9) ab, wonach die Siedlungsstruktur nach dem Prinzip der zentralörtlichen Gliederung zu entwickeln und von einer Stufung in Ober-, Mittel- und Grundzentren auszugehen sei. Denn der LEP B-B lege nach seinem Ziel 2.1 in der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg als zentrale Orte die Metropole, Oberzentren und Mittelzentren einschließlich der Mittelzentren in Funktionsteilung abschließend fest. Damit entfalle die Nahbereichsebene der Grundzentren als Zentrale Orte und an die Stelle einer dreistufigen trete eine zweistufige zentralörtliche Gliederung. Zu dieser, vom Gesetz abweichenden Regelung sei der Verordnungsgeber durch § 3 Abs. 2 Satz 1 BbgLPlG ermächtigt. Das Zitiergebot des Art. 80 Satz 3 LV BB verlange eine Nennung dieser Norm, an der es fehle. Dies führe zur Gesamtnichtigkeit der Verordnung.

II

3Die auf § 132 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde des Antragsgegners bleibt erfolglos.

41. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ihr der Antragsgegner beimisst.

5Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom - 8 B 78.61 -BVerwGE 13, 90 <91> und vom - 4 BN 3.14 - ZfBR 2014, 479 Rn. 2).

6Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob gesetzliche Vorschriften, die regeln, dass andere gesetzliche Vorschriften nur so lange gelten, bis sie durch eine entsprechende oder widersprechende Rechtsverordnung ersetzt werden, nach dem verfassungsrechtlichen Zitiergebot (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG bzw. Art. 80 Satz 3 LV BB) als Rechtsgrundlage in der Eingangsformel der Verordnung angegeben werden müssen.

7Dies führt nicht zur Zulassung der Revision, weil die Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre. Denn sie betrifft kein revisibles Recht. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Rechtsauffassung auf den nicht revisiblen Art. 80 Satz 3 LV BB gestützt. Dass Art. 80 Satz 3 LV BB mit Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG wörtlich übereinstimmt, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Denn eine landesrechtliche Norm ist nicht deswegen revisibel, weil das Landesrecht Begriffe verwendet, die auch das Bundesrecht kennt ( 7 C 20.67 - BVerwGE 32, 252 <254> und vom - 7 C 125.86 - Buchholz 442.01 § 45a PBefG Nr. 2 S. 5). Maßgeblich für das Vorliegen von Bundes- oder Landesrecht ist, ob die jeweilige Vorschrift kraft eines Gesetzesbefehls des Bundes oder eines Landes gilt ( 3 C 64.89 - BVerwGE 91, 77 <81>). Dass das Oberverwaltungsgericht sich nahezu ausschließlich auf Literaturstimmen zum Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt hat, führt daher allein nicht dazu, dass seine Auslegung revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt.

8Die Beschwerde macht zu Unrecht geltend, dass im Streitfall die Einhaltung bundesrechtlicher Vorgaben zu prüfen sei. Art. 80 Abs. 1 GG und damit auch das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist auf die Landesgesetzgebung nicht unmittelbar anwendbar ( - BVerfGE 58, 257 <277>). Es besteht aber Einigkeit, dass die Landesgesetzgebung an die Grundsätze jedenfalls des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gebunden ist, weil dieser aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem folgt ( - BVerfGE 107, 1 <15>; 6 P 1.99 - BVerwGE 110, 253 <255 f.>; Nierhaus, in: Sachs, GG, 7. Aufl., 2014, Art. 28 Rn. 4). Ob zu den von der Landesgesetzgebung zu beachtenden Regelungen auch das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG oder jedenfalls dessen Grundsätze gehören, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat das Zitiergebot im Hinblick auf seine Rechtsfolge als "unerlässliches Element des demokratischen Rechtsstaates" bezeichnet ( - BVerfGE 101, 1 <42 f.>) und sich hierzu auf Bartlsperger (VerwArch 58 <1967>, S. 249 <270>) berufen, der eine Geltung des Zitiergebots für die Landesgesetzgebung bejaht. Die Rechtsprechung der Länder bietet kein einheitliches Bild (für eine Geltung des Zitiergebots .N - [...] Rn. 41; dagegen 19 N 98.3739 - [...] Rn. 28; - [...] Ls. 1; StGH Wiesbaden, Urteil vom - P.St. 548/563 - ESVGH 21, 1 <20>), die Literatur lehnt eine Geltung der Grundsätze des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG überwiegend ab (Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Juli 2014, Art. 80 Rn. 9; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., 2014, Art. 80 Rn. 4; Brenner, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., 2010, Band 2, Art. 80 Abs. 1 Rn. 21; Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, 2. Aufl., 2013, Art. 80 Rn. 3; Ramsauer, AK-GG, Stand 2002, Art. 80 Rn. 23; Schenke, in: Starck/Stern, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Band III, 1983, 1 <34>; Mößle, BayVBl. 2003, 577 <585 f.>; kritisch auch Wallrabenstein, in: von Münch/Kunig, GG, 6. Aufl., 2012, Art. 80 Rn. 5).

9Die Frage kann auf sich beruhen. Das Zitiergebot ist in Brandenburg - anders als in anderen Ländern (vgl. Art. 55 Nr. 2 BV, Art. 124 BremLV, Art. 107, 118 HV) - in Art. 80 Satz 3 LV BB ausdrücklich geregelt. Die Beschwerde meint, der Landesgesetzgeber - hier der Verfassungsgeber der brandenburgischen Verfassung - müsse die Vorgaben des Grundgesetzes für das landesverfassungsrechtliche Zitiergebot beachten (Beschwerdebegründung S. 36). Indes wirft die Beschwerde dem Oberverwaltungsgericht vor, dem Zitiergebot Anforderungen entnommen zu haben, die über die nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG geltenden Anforderungen hinausgehen. Es ist aber nichts dafür ersichtlich, dass Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG den Ländern eine anspruchsvollere Ausgestaltung des Zitiergebots als auf Bundesebene versagen könnte. Denn das Zitiergebot "als unerlässliches Element des ... Rechtsstaates" ( a.a.O.) wird von vornherein nicht berührt, wenn der Landesverfassungsgeber und die zur Auslegung der Landesverfassung berufenen Gerichte über Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG hinausgehende Anforderungen aufstellen. Aus dem Urteil des 3. Senats vom (- 3 C 16.84 - BVerwGE 70, 64 <65>) folgt nichts Anderes, weil dort die Auslegung einer landesrechtlichen Vorschrift in Rede stand, die aufgrund einer rahmenrechtlichen Ermächtigung des Bundes ergangen war.

102. Die Revision ist auch nicht wegen einer Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

11Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift des revisiblen Rechts widersprochen hat ( 6 B 131.98 - Buchholz 251.8 § 94 RhPPersVG Nr. 1; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., 2014, § 132 Rn. 32). Die Beschwerde meint, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts weiche in dieser Weise von dem Senatsurteil vom (- 4 A 1075.04 -BVerwGE 125, 116 Rn. 80 ff.) ab. Dies kann schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision wegen Divergenz führen, weil die abstrakten Rechtssätze, welche die Beschwerde den genannten Entscheidungen entnehmen zu können glaubt, keine Rechtsvorschrift des revisiblen Rechts betreffen.

123. Ob die weiteren Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Bestimmtheit des § 3 Abs. 2 Satz 1 BbgLPlG das Urteil selbständig tragen, kann ebenso auf sich beruhen wie die insoweit vorgetragenen Grundsatz- und Divergenzrüge. Denn das Urteil ist selbständig tragend auf die Verletzung des Zitiergebots des Art. 80 Satz 3 LV BB gestützt.

13Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Fundstelle(n):
IAAAE-88299