BSG Beschluss v. - B 13 R 39/14 BH

Instanzenzug: S 10 R 769/10

Gründe:

I

1Mit Beschluss vom hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2Die im Jahr 1971 geborene Klägerin hatte verschiedene Tätigkeiten im Lebensmittelbereich ohne spezifische Ausbildung ausgeübt. Seit etwa zehn Jahren ist sie nach Aktenlage nicht mehr berufstätig gewesen. Ihr im Februar 2010 gestellter Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung blieb erfolglos (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ). Das SG Osnabrück hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens auf orthopädischem Gebiet abgewiesen (Urteil vom ). Im Berufungsverfahren hat das LSG Befundberichte der behandelnden Ärzte und ein weiteres orthopädisches Gutachten der Sachverständigen G. vom eingeholt. Nach Anhörung der Beteiligten hat es die Berufung der Klägerin durch Beschluss (§ 153 Abs 4 SGG) zurückgewiesen. Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI) nicht erfülle. Nach den vorliegenden Gutachten der Sachverständigen könne die Klägerin - wenn auch mit bestimmten Leistungseinschränkungen - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens noch sechs Stunden körperlich leichte Tätigkeiten ausüben. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedürfe es nicht, weil weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege. Ihre Wegefähigkeit sei nicht maßgeblich eingeschränkt. Die Klägerin sei auch nicht deshalb erwerbsgemindert, weil sie das Risiko einer erhöhten Arbeitsunfähigkeit trage. Dieses führe dann zur Erwerbsminderung, wenn die Arbeitsunfähigkeit so häufig auftrete, dass die während eines Arbeitsjahres zu erbringenden Arbeitsleistungen nicht mehr den Mindestanforderungen entsprächen, die ein "vernünftig und billig denkender Arbeitgeber" zu stellen berechtigt sei, sodass eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt praktisch ausgeschlossen sei (Hinweis auf ua BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 14 S 44 f). Bei der Klägerin lägen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass sie bei Ausübung einer leidensgerechten beruflichen Tätigkeit über das normale Maß hinaus erhöhte Arbeitsunfähigkeitszeiten benötigen werde. Dagegen sprächen im Wesentlichen die Feststellungen der Sachverständigen G. und die aus Anlass dieser Begutachtung von der Klägerin selbst gemachten Angaben.

3Mit Schreiben vom hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Antrag auf Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im oben genannten Beschluss des LSG beantragt. Sie beruft sich ausschließlich auf Verfahrensmängel. Das LSG hätte den Rechtsstreit nicht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden dürfen, weil der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt sei. Sie beruft sich auf den Senatsbeschluss vom "" (zutreffend: - B 13 R 107/12 B - SozR 4-2600 § 43 Nr 19) und meint, das LSG habe zu der Frage der prognostisch zu erwartenden Arbeitsunfähigkeitszeiten ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Der Beweisantrag sei rechtzeitig gestellt worden und habe auf das erneute Schreiben des nicht wiederholt werden müssen (Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 11, 12). Diese Verfahrensweise verletze sie auch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG).

II

4Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG, § 114 ZPO). Daher kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht (§ 121 Abs 1 ZPO).

5Das gegen den angefochtenen Beschluss des LSG zulässige Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a SGG). In einem solchen Verfahren darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs nicht ersichtlich.

6Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen den von der Klägerin angefochtenen Beschluss des LSG auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bislang nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt. Dass im Rechtsstreit der Klägerin solche Rechtsfragen von Bedeutung sind, ist nicht ersichtlich.

7Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Denn das LSG ist in der angefochtenen Entscheidung nicht von einem Urteil des BSG abgewichen.

8Ebenso wenig lässt sich ein Verfahrensfehler feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Es kann dahingestellt bleiben, ob die im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Klägerin im Schriftsatz vom mit dem Antrag, "nach Einholung entsprechender Berichte der behandelnden Ärzte ein Gutachten einzuholen zu der Frage, ob der Klägerin der Arbeitsmarkt aufgrund der zu prognostizierenden Arbeitsunfähigkeitszeiten verschlossen ist", einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat, den sie nach der Anhörungsmitteilung des Vorsitzenden vom zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch Beschluss (§ 153 Abs 4 S 2 SGG) bis zuletzt aufrechterhalten hat (vgl nur BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 11, 12).

9Denn für die Frage, ob ein hinreichender Grund für das Unterlassen einer Beweiserhebung vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen wäre, den Sachverhalt zu dem vom Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr, zB - Juris RdNr 4; Senatsbeschluss vom - B 13 R 290/11 B - Juris RdNr 12). Die Verpflichtung, von Amts wegen Beweise zu erheben, bestand hier schon deshalb nicht, weil sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den Verwaltungs- oder Gerichtsakten konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines erhöhten Risikos für Arbeitsunfähigkeitszeiten bei Einsatz auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ergeben (vgl Senatsbeschluss vom - SozR 4-2600 § 43 Nr 19 RdNr 19). Eine "Ermittlung ins Blaue hinein" erfordert der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) nicht (vgl zB BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 25; vom - BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr 1).

10Das LSG durfte daher die Berufung der Klägerin zurückweisen, ohne der Frage nach gehäuften Arbeitsunfähigkeitszeiten durch weitere Sachverhaltsermittlungen nachzugehen. Denn auf der Basis von fehlenden attestierten Arbeitsunfähigkeitszeiten der vergangenen Jahre, unter Berücksichtigung der von den Sachverständigen diagnostizierten Gesundheitsstörungen (orthopädische Erkrankungen bei erheblicher Adipositas und Narbenschmerzen) und den daraus abgeleiteten konkreten Leistungseinschränkungen, die eine Belastbarkeit für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig noch ermöglichen, hat es greifbare Anhaltspunkte für zukünftige über das normale Maß überschreitende Arbeitsunfähigkeitszeiten zutreffend verneint. Hierbei hat das LSG auch die von der Klägerin gegenüber der Gutachterin gemachten Angaben zu Arztbesuchen und zur Medikation berücksichtigt. Die schlichte Behauptung der Prozessbevollmächtigten, dass bei der Klägerin zukünftig Arbeitsunfähigkeitszeiten in größerem Umfang zu erwarten seien, entbehrt damit einer nachvollziehbaren Grundlage.

11Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt für einen weiteren Verfahrensmangel vor. Das LSG durfte nach ordnungsgemäßer Anhörung im Beschlusswege (§ 153 Abs 4 SGG) entscheiden.

Fundstelle(n):
LAAAE-87971